Schlagwort-Archive: Frühlingspunkt

Alle Tierkreissternbilder ziehen auf Parallelbahnen

Alle Tierkreissternbilder ziehen auf Parallelbahnen um den Südpol; natürlich nur aus geozentrischer Sicht. Denn es handelt sich um Konstellationen aus Fixsternen, die nachdem sie im Osten aufgegangen sind, südwärts ziehen. Ebenso queren sie in ihrer höchsten Stellung den Südpunkt. Und abschließend versinken sie nach einem gespiegelten und somit nordwärts gerichteten Bogenlauf am Westhorizont.

Tierkreissternbilder-ziehen-auf-Parallelbahnen.jpg
Die täglichen Bewegungsbögen, die die zwölf Tierkreissternbilder heutzutage über dem Horizont vollziehen. Hellblau = Himmelsäquator; grün = jährliche Abfolge; die Pfeile geben die Bewegungsrichtungen an (nach Schultz, 1963: 281Schultz, Joachim (1963). Abbildung aus: Rhythmen der Sterne. Philosophisch-Anthroposophischer Verlag am Goetheanum Dornach/Schweiz. Jahreslauf ergänzt.).

Die folgende Abbildung veranschaulicht die derzeitigen Höhen der Umlaufbahnen der Tierkreissternbilder.
Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass in Blickrichtung Süden die Sonne, der Mond und die Planeten natürlich am täglichen Umschwung im Uhrzeigersinn teilnehmen.
Aber zusätzlich umrunden sie scheinbar die Erde in ihrem eigenen Rhythmus gegen den Uhrzeigersinn.
Deshalb wird der Zodiakus, der ihnen im Jahreslauf als Kulisse dient, ebenfalls nach links fortschreitend betrachtet.

Hinzu kommt aber, dass sich im Laufe von rund 26.000 Jahren auf Grund der Präzession ihre Auf- und Untergangsorte und somit auch ihre Umlaufhöhen verschieben.
Daher ging das Tierkreissternbild Steinbock in der Frühbronzezeit am nächsten vom Südpunkt auf- und unter und sein heller Stern Deneb Algedi war nur rund 7 Stunden sichtbar.

Auf der Himmelsscheibe von Nebra sind demnach beispielsweise die Zirkumpolarsterne in abweichenden Positionen und Umlaufhöhen dargestellt worden und an den vier Jahreseckdaten erscheinen andere Tierkreissterne als heute über dem Horizont.

Externer Link: Astro-Wiki zum Stichwort Präzession

  • 1
    Schultz, Joachim (1963). Abbildung aus: Rhythmen der Sterne. Philosophisch-Anthroposophischer Verlag am Goetheanum Dornach/Schweiz. Jahreslauf ergänzt.

Der Tierkreis pendelt um den Himmelsäquator

der-tierkreis-pendelt-um-den-Himmelsäquator.jpg
Die beiden Großkreise, Himmelsäquator und Ekliptik, sind auf Grund der Erdneigung derzeit um 23,5° (ε), gegeneinander geneigt1S.fonsi (21. April 2010). Creativ-Commons. https://anthrowiki.at/Ekliptik.

Der Himmelsäquator ist die in die Himmelskugel projizierte Verlängerung des Erdäquators. Hierbei handelt es sich um einen imaginären Großkreis, der die Ost- und Westpunkte am Horizont verbindet und vom Nord- und Südpol je 90° entfernt ist. Er unterteilt das Himmelsgewölbe in eine nördliche und südliche Hemisphäre. Zudem bildet er das ganze Jahr über die ruhende Konstante, denn der Tierkreis pendelt um den Himmelsäquator. Sein Verlauf wird deutlich, wenn man an den Tag-und-Nacht-Gleichen die auf das Jahr bezogene mittlere Tagesbahn der Sonne verfolgt, da diese dann genau im Ost- und Westpunkt auf- und untergeht. (Siehe Beitrag: Der Tagesbogen der Sonne erreicht täglich eine andere Größe.)

Die Mittellinie des Tierkreises hingegen ist die Ekliptik, die wahre Bahn der Erde um die Sonne. Aber für Menschen ohne astronomische Vorkenntnisse und von der Erde aus betrachtet, ist es eher die scheinbare Jahresbahn der Sonne um die Erde. Täglich dreht sich die Erde um ihre Achse, weshalb die Fixsterne immer an denselben Horizontorten im Osten auf- und im Westen untergehen. Aber weil unser geneigter Planet zusätzlich in einem Jahr die Sonne umrundet, nehmen wir die Tagesbahnen der Sonne täglich leicht variierenden, jeweils ein halbes Jahr lang oberhalb und unterhalb des Himmelsäquators, wahr.

Doch warum spielt die Jahresbahn der Sonne für den Tierkreis eine so große Rolle? Das liegt daran, dass sich die Tagesbögen der Sonne innerhalb von einem Jahr exakt wiederholen. Dagegen zeigen der Mond und die Planeten räumlich als auch zeitlich sehr viel komplexere, undurchschaubarere Bewegungsmuster auf. Denn, ihre Bahnen haben unterschiedliche Neigungswinkel, Durchmesser und sie umrunden die Sonne innerhalb oder außerhalb der Erdbahn.

Alle variierenden Umläufe vorziehen sich vor dem Hintergrund des Tierkreisgürtels. Und um diese Bewegungen der “wandelnden” Gestirne von Westen nach Osten zu verfolgen, wurden die Konstellationen der Tierkreisbilder überhaupt erst definiert. Diese erstrecken sich durchgehend ungefähr über 23,5° beidseitig entlang der scheinbaren Sonnenbahn.

Da die Sonne ein halbes Jahr lang mit Sternen auf- und untergeht, welche hohe Umlaufbahnen oberhalb des Äquators erreichen, verhält sich der Tierkreis ebenso. In der anderen Jahreshälfte ist das Gegenteil der Fall, wenn unser Tagesgestirn nur die Kreisbahnen niedriger Sterne unterhalb des Äquators teilt.

Die halbjährlichen Höhenschwankungen – Der Tierkreis pendelt um den Himmelsäquator

Wie die erste Abbildung zeigt, ist die Höhenschwankung des Zodiakus darauf zurückzuführen, dass sich die beiden Großkreise Ekliptik und Himmelsäquator in einem Winkel von etwa 23,5° schneiden. Jedoch je nach nördlicher geographischer Breite (φ) verändert sich zusätzlich noch die Höhe des Himmelsäquators über dem Südpunkt des Horizontes.

Zur Berechnung verwenden wir Maßangaben des Azimutale Gradnetzes. In diesem Koordinatensystem wird die waagrechte Basis durch den Horizont mit 0° gebildet, der Punkt über unserem Kopf ist das Zentrum. Die Höhe des Nordpols entspricht der geographischer Breite (φ) des Standortes.

Demgemäß gilt für den Fundort der Himmelsscheibe von Nebra:
90° – 51° (φ) = 39°. Der Himmelsäquator befindet sich auf 39°.
Daher pendelte die Ekliptik über dem Horizont in Mitteldeutschland zwischen
39° + 23,5° = 62,5° und 39° – 23.5° = 15,5°.
-Allerdings betrug der Neigungswinkel der Erdachse und somit auch die Schiefe der Ekliptik in der Frühbronzezeit eher 24°.-

Eine Sternenkarte mit dem Himmelsäquator als Bezugslinie für den Tierkreis

Die folgende Sternenkarte, die den kompletten Sternenhimmel für 1950 v.Chr. in einer zylindrischen Projektion wiedergibt, ist so gestreckt, dass der Himmelsäquator als gerade Bezugslinie dargestellt wird. Wir sehen hier die Lage und die Reihenfolge der Tierkreissternbilder im Laufe eines Jahres. Am Tag der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche müssen wir uns die Sonne im Frühlingspunkt  (Widder-Symbol), am rechten Anfang der roten Linie, vorstellen. Diese symbolisiert die Ekliptik, die scheinbare Bahn der Sonne, deren Länge 360° beträgt.

Täglich zur selben Uhrzeit gemessen, zieht die Sonne vor dem Hintergrund des Tierkreises um rund 1° weiter nach links, entgegnen ihrem täglich westwärts gerichteten Umschwung. Das liegt daran, dass die Erde für eine Sonnenumrundung von 360° insgesamt 365,24 Tage benötigt.

der-tierkreis-pendelt-um-den-Himmelsäquator.jpg
Diese zylindrische Projektion zeigt den gesamten Sternenhimmel in der Anordnung wie zur Frühbronzezeit, wobei allerdings die Sternbilder zu den Polen hin besonders verzerrt werden. Die mittlere Bezugslinie ist der Himmelsäquator, um den, jeweils zur Hälfte oberhalb und unterhalb, die Ekliptik (rote Linie) mit dem Tierkreis pendelt.

In der Frühbronzezeit stand die Sonne, nachdem sie auf ihrer mittleren Umlaufbahn das Sternbild Widder durchlaufen hatte, im Frühlingspunkt ; etwa unterhalb der Plejaden in Tierkreissternbild STIER. Drei Monate später passierte sie auf ihrer höchsten Umlaufbahn den Sommersonnenwendepunkt ;  kurz nach dem KREBS. Zur Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche traf sie am Herbstpunkt  auf den Himmelsäquator; östlich der WAAGE. An diesem Tag war jener, wie zuvor schon im Frühlingpunkt, mit ihrem mittlerem Tagesbogen identisch. Schließlich erreichte die Sonne beim Wintersonnenwendepunkt  ihren niedrigsten Höchststand; im Tierkreisbild STEINBOCK.

Da sich auf Grund der Präzession vor allem auch die Lage des Frühlingspunktes verschiebt, wurden dessen Positionen für einige Jahre exemplarisch am oberen Rand der Sternenkarte verzeichnet.

Um 1950 v.Chr. lag der Frühlingspunkt , einer der Schnittpunkte von Himmelsäquator und Ekliptik, in der Nähe der Plejaden.

Mehr dazu: Die 7er Sternengruppe und Das Tor der Ekliptik

Vier besondere Eigenschaften der Tierkreisbilder

1. Alle zwölf Sternbilder des Zodiakus sind unterschiedlich breit und lang. Beispielsweise ist die WAAGE besonders kurz und die JUNGFRAU besonders lang. Aber weil das babylonische NORMALJAHR 360 Tage dauerte und wurde jedem Monat ein 30°-Abschnitt auf der Ekliptik zugewiesen. Dadurch wurden die Sternbilder zu Sternzeichen, die im Zusammenhang mit den verschiedenen Planetenpositionen für Prophezeiungen genutzt wurden.

2. In der Frühbronzezeit waren die Tierkreisbilder oberhalb des Himmelsäquators zwischen 18 Stunden (LÖWE) und 12 Stunden (WAAGE) sichtbar. Andere unterhalb des Himmelsgleichers dagegen nur zwischen 12 und 6 Stunden (STEINBOCK). Diese Zeitangaben sind Mittelwerte der Sternbilder, denn beispielsweise ging der hellste Stern des STEINBOCKS Deneb Algedi, am nördlichsten auf und er benötigte für einen nächtlichen Umschwung etwa 7 Stunden. Dafür erschien der namenlose und lichtschwache Stern ω-STEINBOCK erst weiter südlich über dem Horizont, weshalb er für seinen Streckenabschnitt nur rund 5 Stunden brauchte. (Siehe Abbildung “Die täglichen Bewegungsbögen der Tierkreissternbilder“, die aber für 2000 n.Chr. gilt.) — Aus diesem Grund ist es für viele Berechnungen eindeutig besser die Aufgangs- und Untergangsorte einzelner besonders heller Sterne des Zodiakus zu ermitteln, als den Mittelwert eines Tierkreissternbildes zu verwenden.

3. Die Sterne eines Tierkreisbildes können sich oberhalb, auf und unterhalb der Ekliptik (der scheinbaren Sonnenbahn) befinden. Deshalb sind die Auf- und Untergangsorte der hellsten Tierkreissterne an den vier Tagen der Äquinoktien und Solstitien nicht unbedingt mit denen der Sonne identisch.

4. Einige dieser Sternbilder bestehen, wie die FISCHE und der KREBS, nur aus lichtschwachen Sternen. Diese sind in den Dämmerungszeiten nicht in Horizontnähe sichtbar, sondern ein Stück weit höher am Himmel, weil sie dort von der Erdatmosphäre ˈverschlucktˈ werden. Und daher lokalisieren wir ihre erste oder letzte Sichtbarkeit ein bisschen weiter südlich von ihren eigentlichen Auf- und Untergangspunkten. Somit hängt es auch von der Helligkeit eines Sterns ab, wann und wo er über dem Horizont leuchtet.

Die Erforschung der Himmelsmechanik ist anhand der hellsten Sterne am einfachsten

Die Erforschung der Himmelsmechanik ist anhand der hellsten Sterne am einfachsten, weil diese zusammen mit den Planeten schon in den Dämmerungszeiten sichtbar sind.

Anfangs wurden die Sterne je nach Helligkeit mit Buchstaben des griechischen Alphabets versehen. Später wurden dann die hellsten Gestirne der Größenklasse 1 und die schwächsten der Größenklasse 6 zugeordnet. Doch zuletzt zeigten genauere Messungen, dass einige Sterne sowie die Planeten noch heller waren. Deswegen erweiterte man die Größenskala um die Klassen 0, -1, -2 etc.
Überdies differenziert man heutzutage zwischen einer visuellen und einer absoluten Helligkeit; die Maßeinheit ist mag / m (magnitudo, lat. = die Größe). In der folgenden Tabelle ist die scheinbare und nicht die absolute Helligkeit angegeben. Das bedeutet, dass zwei Sterne gleich hell erscheinen können, obwohl einer viel heller, aber dafür weiter entfernt ist. Wie die Himmelsscheibe von Nebra zeigt, wurden damals offensichtlich möglichst helle Sterne beobachtet.

In der Tabelle sind die Namen der Sterne fett gedruckt, die vermutlich auch auf der Himmelsscheibe von Nebra dargestellt sind.
  • 1
    S.fonsi (21. April 2010). Creativ-Commons. https://anthrowiki.at/Ekliptik

Der Frühlingspunkt lag bei den Plejaden

Da der Sonnenauf- und Untergang am Frühlingsäquinoktium auf jeden Fall besonders beobachtet werden musste, wird aufgefallen sein, dass mit den ersten hellen Sternen Procyon aufging. Sein Winkelabstand zum Horizont betrug in dem Moment fast exakt 60° und er ging an derselben Stelle wie die Sonne unter. Die Sonne stand demnach an dem Tag im Himmeläquator, aber zusätzlich, wie immer in einem Tierkreisbild! Um diesen unsichtbaren Kreuzungspunkt von Äquator und Tierkreis genauer definieren zu können, musste man die Zeit von Sonnenuntergang bis Sternenaufgang ermittelten und reproduzieren können. Diese relativ kurze Zeitspanne lässt sich beispielsweise durch ein Lied oder eine andere routinierte gleichmäßige Tätigkeit eingrenzen. Wenn Procyon dann im nächsten Jahr etwa 70° über dem Horizont stand, wiederholte man die gleiche Tätigkeitseinheit und von der neuen Position des Sterns trug man mit dem Zirkel 60 Grad in Richtung Westen ab. Dort auf der anderen Seite des Zirkels, lag damals, etwas unterhalb der Plejaden, der sogenannte Frühlingspunkt.

Da dieser Punkt für viele astronomische Phänomene ungemein wichtig ist, liegt es nahe auch der Sternengruppe, die wir als Wintersechseck bestimmen konnten, eine Doppeldeutigkeit zu zustehen.
Denn die Bedeutung des mittleren Sternes als Planeten erscheint etwas gewollt, da doch die fünf Planten gesondert gezeigt werden.
Der 7. Stern sollte vermutlich eher auf den einzigen Sternenhaufen hinweisen, bei dem damals sogar der unsichtbare Frühlingspunkt lag! Außerdem waren die Plejaden in vielen Zeiten und Kulturen ein sehr bekanntes Sternbild. So markierten sie laut Wolfhard Schlosser um 1600 v.Chr. durch ihren tagesscharfen, letztmaligen Abenduntergang am 25. März und den erstmaligen Morgenuntergang am 31. Oktobehttp://3xprocyon.de/blog/wp-admin/post-new.phpr bäuerlicher Termine im Jahreslauf (Daten nach julianischen Kalender; Schlosser 2010). Und er hat auf die Möglichkeit hingewiesen, dass anhand der Plejadenstellung, ober- oder unterhalb des Sichelmondes, eine Mondfinsternis vorhergesagt oder mit Sicherheit ausgeschlossen worden sein könnte (Schlosser 2008). Rahlf Hansen erkannte in der Stellung der Plejaden neben der Mondsichel eine mehrfach verschlüsselte babylonische Schaltregel, die den Mond- mit dem Sonnenkalender synchronisierte.

Doch es ist unerklärlich warum die Plejaden auch das Siebengestirn genannt werden. Denn mit bloßem Auge kann man entweder nur sechs oder neun Sterne erkennen! Also stammt der Name Siebengstirn vielleicht aus der Frühbronzezeit? – Ähnlich könnte es sich mit dem Stern Vega verhalten, der auch den Namen Südstern trägt, obwohl er im Norden zu sehen ist

Die heutigen Namen der goldenen Sterne

Der Schöpfer der Himmelsscheibe war in Mitteldeutschland, um 1950 v. Chr., also der erste nachweisliche Astronom (griech. astron = Stern; nemein = benennen), denn, um das Wissen der Scheibe zu vermitteln, waren auch mündliche Erklärungen nötig und daher hatten die hellsten Sterne sicherlich auch Namen.

Und so würden die goldenen Sterne der Himmelsscheibe von Nebra heute heißen:

Himmelsscheibe offenbart Himmelsmechanik
Himmelsscheibe offenbart Himmelsmechanik

„2750 v. Chr. herrschte König Gilgamesch über Uruk, die erste Großstadt der Geschichte, mit 25.000 Einwohnern. Der Herrscher der Stadt war zugleich ihr oberster Priester, der das Leben aller durch einen Kalender regelte. Dem einfachen Volk genügte vorerst der Mond als Zeitweiser, und wenn es an der Zeit war, den Göttern zu danken oder sie um neue Wohltaten zu bitten, sagten es ihnen die Priester. Sie beschäftigten sich besonders mit dem Geschehen am Himmel und wussten bereits um 2500 v. Chr., dass Sonne, Mond und Planeten auf geschlossenen Bahnen durch den Tierkreis ziehen. Die vier Jahreseckpunkte konnten sie sowohl mit dem Schattenstab, dem Gnomon, als auch aus der Stellung der Gestirne bestimmen. Ihre geheimes Wissen notierten sie auf tausenden Keilschrifttafeln, die unter anderem einen Katalog von 66 Gestirnen und eine Omensammlung mit etwa 7000 Vorzeichen enthalten.” [1]

[1] Hans Lenz (2005), “Universalgeschichten der Zeit”, Kalender

Mehr dazu: Jedem goldenen Stern entsprechen ein bis drei >echte< Sterne

Wurde die Himmelsscheibe auch beerdigt, weil mit dem Wechsel des Tierkreiszeichens die alte religiöse Ära endete?

In dem weiter unten zitierten Text führt L. Charpentier an, wie die jeweiligen Tierkreisbilder, in denen der Frühlingspunkt in den letzten 10.000 Jahre lag, scheinbar eine enge Beziehung zu den religiösen Epoche gehabt haben. Somit könnte ein Wechsel der Religion auch ein Grund für die Beerdigung der Himmelsscheibe von Nebra gewesen sein!

Um etwa 3500 v. Chr. ging das V-förmige Sternbild Stier einige Jahrhunderte lang genau im Osten auf und im Westen unter. An den Tag-und-Nacht-Gleichen befand es sich in unmittelbarer Sonnennähe, was aber nur einem Sternenkundigen auffiel, der die Reihenfolge, die Länge und den >optischen< Abstand der Tierkreisbilder zueinander kannte und dadurch an diesen Tagen den Standort der Sonne, anhand der letzten oder ersten sichtbaren Sterne, ermitteln konnte.
In der Frühbronzezeit, zur Zeit der Himmelsscheibe von Nebra, hatten sich die Sterne des Tierkreises aufgrund der Präzession so weit verschoben, dass an diesen zwei Tagen die Plejaden, die oberhalb der Ekliptik und nordwestlich der auffälligen V-Formation noch dem Sternbild Stier zugerechnet werden, in der Nähe des Ostpunktes aufgingen, während sich die hellen Sterne der V-Formation noch unter dem Horizont befanden. … Damit kündigte sich an, dass die Ära des Stieres den Höhepunkt überschritten hat.
Die Stellung der Sonne an den Äquinoktien zeigt zudem den sogenannten Frühlingspunkt an, der in der Frühbronzezeit etwas unterhalb der Plejaden lag. Doch auch dieser Frühlingspunkt ist nicht beobachtbar, da es sich nur um eine der beiden Schnittstellen der Sonnenbahn mit dem Himmelsäquator handelt. (Mehr dazu: Der Sternenhimmel um 1950 v. Chr. + Warum die Himmelsscheibe beerdigt wurde

Und trotzdem ist nicht nur das Wintersechseck auf der Bronzescheibe angebracht worden, sondern es wurde ein weiterer Stern, ein Wandelstern in dessen Mitte platziert. Dadurch denkt man, aufgrund der geringen Größe dieses Siebengestirns, im Vergleich zur Weite des dargestellten Sternenhimmels, eher an den kleinen, aber markanten Sternenhaufen, an die Plejaden, als an die riesige Sternenkonstellation des Wintersechsecks, das sich aus den hellen Sternen von sechs großen Sternenbildern zusammensetzt. Die Plejaden müssen also besonders wichtig gewesen sein.

Auf der Himmelsscheibe von Nebra, ist eine 7er Sternengruppe dargestellt, die gemeinhin als Plejaden angesehen wird (Hansen 2006; Schlosser 2010). Außerdem waren die Plejaden in vielen Zeiten und Kulturen ein sehr bekanntes Sternbild. Zudem markierten sie laut Wolfhard Schlosser um 1600 v. Chr. durch ihren tagesscharfen, letztmaligen Abenduntergang am 25. März (Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche!!!) und den erstmaligen Morgenuntergang am 31. Oktober bäuerlicher Termine im Jahreslauf (Daten nach julianischen Kalender; Schlosser 2010). Und er hat auf die Möglichkeit hingewiesen, dass anhand der Plejadenstellung, ober- oder unterhalb des Sichelmondes, eine Mondfinsternis vorhergesagt oder mit Sicherheit ausgeschlossen worden sein könnte (Schlosser 2008). Rahlf Hansen erkannte in der Stellung der Plejaden neben der Mondsichel eine mehrfach verschlüsselte babylonische Schaltregel, die den Mond- mit dem Sonnenkalender synchronisierte.

An der Entwicklung der Himmelsscheibe von Nebra waren in der Frühbronzezeit viele »Fürsten« beteiligt: Mehrere Generationen von Beobachtern und Zeichnern der Himmelsmechanik, deren Anfänge vielleicht sogar schon in frühere neolithische Kulturgruppen zurück reichen; die Entwickler des verschlüsselten Bildinhaltes, verschiedene Metallkünstler und Astronomen der Frühbronzezeit, die die Scheibe herstellten und das Bildprogramm ergänzten; vielleicht wenige Nutzer, die die Scheibe öffentlich präsentierten und ein letzter, der sie beerdigte.

Wie der Frühlingspunkt oder der Stand der Sonne in einem Tierkreisbild am Tag der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche zu berechnen ist und wie verschiedene Kulturen bestimmte religiöse Rituale damit verbunden haben beschreibt Louis Charpentier folgendermaßen: „Man weiß, das der Frühlingspunkt, sozusagen der Punkt, am dem sich die Sonne befindet, wenn sie auf ihrem Lauf den Himmelsäquator schneidet, zur Tagundnachtgleiche jedes Jahr um etwa fünfzig Bogensekunden variiert. Seine Veränderung am Himmel beträgt also annähernd einen Bogengrad in 72 Jahren. Dieses Phänomen ist bekannt unter dem Namen >Präzession der Tagundnachtgleiche<. Der Frühlingspunkt wandert um die Erde in den Konstellationen des Tierkreises, also ist es möglich, die Zeit durch Verschiebung in den Konstellationen zu messen . . .
Man kann die Lage dieses Punktes nicht unmittelbar sehen, und lange Zeit war geglaubt worden, dass die Alten dieses jüngst wiedergefundene Phänomen nicht kannten, aber es besteht kein Zweifel, dass sie den Punkt doch vollkommen gekannt haben, und dass die Griechen – die Ägypter und Perser sogar vor ihnen – ihn sehr genau berechnet haben.
Dieser Frühlingspunkt durchwandert den Tierkreis. Er kehrt zu dem Ausgangspunkt in ungefähr 26.000 Jahren zurück, deshalb, weil der Tierkreis in zwölf gleichmäßige Tierkreiszeichen unterteilt ist, von denen jedes 30 Grad umfasst, so dass der Frühlingspunkt einen dieser Abschnitte in ungefähr 2150 Jahren durchläuft.
Diese Präzession vollzieht sich rückläufig, also Fische, Wassermann, Steinbock. Schütze, Skorpion, Waage, Jungfrau, Löwe, Krebs, Zwillinge, Stier, Widder. Der Frühlingspunkt, der sich gegenwärtig am Ende des Zeichens Fische befindet, war im Zeichen Widder vom Jahr 150 v. Chr. bis 2300 v. Chr., im Zeichen Stier vom Jahr 2300 bis 4450, im Zeichen Zwillinge von 4450 bis 6600, im Zeichen Krebs von 6600 bis 8750 und im Zeichen Löwe von 8750 bis 10900, natürlich nur annähernd.

Man stellt fest – und eine Erklärung dafür überschreitet meine Kenntnisse – dass der Aufenthalt des Frühlingspunktes in einem Tierkreiszeichen mit einer religiösen Epoche übereinstimmt, und dass das Symbol dieser Ära immer in der einen oder anderen Form in enger Beziehung zu jenem Tierkreiszeichen steht, in dem sich der Frühlingspunkt befindet.

Es ist wohl kaum nötig, daran zu erinnern, dass die ersten Christen als Hieroglyphe des Christus einen Fisch zeichneten, dass der christliche Gral von einem königlichen Fischer behütet wird, dass der >Lachs des Wissens< kurz vor dem Eindringen der Römer in Gallien in den keltischen Legenden erschienen ist, dass für die Mohammedaner der Halbmond zugleich Mond und Fisch ist, und dass es immer Fische sind, die in den Erzählungen von >Tausend und eine Nacht< die Wächter der magischen Kleinodien ersetzt haben, die auf dem Grunde des Wassers gesucht werden müssen.
Vor den Fischen war der Widder Symbol, als die Griechen Jasons das Goldene Vlies zu Zeiten des Jupiter Ammon mit den Hörnern des Widders suchten, des Amon – Ra Ägyptens, gleicherweise mit den Widderhörnern geschmückt, auch mit den Alleen von Widdern in Karnak … Und in den Zeiten von Bélen im keltischen Gebiet – jenes Bélen, der den Namen des Widders (belier, le belin) selbst trägt.
Noch davor war das Stierzeitalter mit dem Stier Apis, der Kuh Athor, des Minotaurus auf Kreta, den geflügelten Stieren Babylons – die erhalten geblieben sind – auch dem Stier von Cualngé in Irland und dem Stier Tarnos in Gallien.
Voraus gingen die Zwillinge, die die beiden phönizischen Säulen hinterlassen haben, Tempelsäulen, ägyptische Pylone und später die Zwillingstürme der Kirchen.
Noch davor war das Zeitalter des Krebses, des Tieres mit dem Rückenschild, das als Zeichen glücklicher Zeiten in der Form des Skarabäus erhalten blieb.
Noch davor der Löwe; zweifellos die Sphinx eine Erinnerung an ihn, deren Bedeutung verloren gegangen ist.
Das sind also die Zeichen des Tierkreises, die den Ritus und die religiöse Form einer Ära kennzeichnen. Ein Ritual und eine Form, die mit dem Zeichen verschwanden, aber die Datierung ist deshalb nicht minder sicher und ziemlich genau.
Überdies bedingt das neue Ritual bei jeder Änderung des Zeitalters und der religiösen Form – es ist nur die Form und das Ritual, die sich ändern – die Zurückweisung des alten Rituals und der alten Formen, sozusagen die Abschaltung des vorhergehenden Zeichens.
Wenn wir nun die uns am nächsten liegenden Zeiten herausgreifen, so tötete in der Morgenröte des Widderzeitalters Theseus den Minotaurus, der Stier von Irland wurde abgeschafft und seine Anhänger in alle Winde zerstreut. An der Schwelle des Fischezeitalters gab man dem Osterlamm in der Gestalt Gottes den Tod. Und heute (1969) beginnt die Unterwasserjagd nahezu rituellen Charakter anzunehmen.
Die Arbeiten des Herakles fangen mit einer rituellen Arbeit an, in dem er einen Löwen, den Löwen Nemea tötet, woraus ganz normal für die Ära des Herakles das Zeichen Krebs bestimmend wird, und seine letzte Arbeit ist die Bildung der beiden Säulen in der Meerenge von Gibraltar, das Zeichen der Zwillinge. Logischerweise liegt das heraklische Zeitalter also im Zeichen des Krebses, das heißt zwischen 8750 und 6600 vor Christus. (Charpentier 1972, [1]).“

Ulrich Fischer erwähnt 1956 in seinem Buch >Die Gräber der Steinzeit im Saalegebiet< verschiedene Bestattungen mit Rindern, von denen ich hier nur ein paar Beispiele anführen möchte: „Bestattungen mit Großtieren kennen wir in zwei Fällen aus der Walternienburger Kultur (um 3350 – 2650 v. Chr.), von Tangermünde und Biendorf, beidemal mit zwei Rindern. In der Rinderbestattung von Biendorf, Kr. Köthen, von 1935, lagen in einer gerundeten rechteckigen Grube von 1,8 :1,3 m Größe und 1,1 m Tiefe, mit Köpfen nach Nordwesten, eine Kuh und ein Kalb einander gegenüber. Darüber in Bauchlage mit Kopf nach Südost ein gestrecktes weibliches Skelett, sehr zierlich, matur, die Unterschenkel unter dem linken Vorderbein der Kuh. Unter die Dornfortsätze der Brustwirbel des Kalbes hatte man ein etwa fünfjähriges Kind geschoben, das in linker Hocklage westöstlich gerichtet war. Südöstlich der Becken der Tiere waren etwas höher die Scherben von vier Gefäßen niedergelegt, … Gleichfalls zur Walternienburger Gruppe gehört ein Grab von Tangermünde, Kr. Stendal (1892). Vorhanden waren hier ein Rind und der Schädel eines zweiten, der aber auf den Hinterbeinen des ersten Tieres lag. Bei den Schädeln befanden sich zwei gleiche rechteckige zickzackverzierte Geweihplatten mit Aufhängelöchern, vielleicht Amulette oder Eigentumsmarken. Neben den Tieren lag ein gestrecktes menschliches Skelett in Ostwest-Richtung, zu Häupten eine Walternienburger Tasse mit ähnlicher Verzierung wie auf den beiden Geweihplatten, und schräg dazu, mit Kopf in der Hüftgegend des ersten, ein zweites Skelett in Hocklage.
Eine besondere Behandlung beanspruchen die Kugelamphorengräber (um 3100 – 2650 v. Chr.) mit beigegebenen ganzen Rindern, die Rinderbestattungen. In Stobra, Kr. Weimar, fand man 1936 unter einem Grabhügel zwei Rinderbestattungen …   Die Gräber lagen unter mächtigen Steinpackungen. Grab 1, das nördliche, enthielt fünf Rinderskelette, Köpfe nach Nordost. Je zwei symmetrisch als “Hocker“ mit den Beinen gegeneinander gelegt, erst ein Paar, dann das andere etwas rückwärts gestaffelt darüber, während das fünfte Tier dazwischen gelegt war. Knochen von kleineren Tieren lagen dabei. Zwei Kugelamphorenschalen steckten in der Steinpackung, …   Grab 2, das südliche, ergab zwei Jungtiere einer kleinen Rinderrasse, die besser erhalten waren; zwei Löcher in den Stirnen deuten auf Tötung mit einem spitzen Gegenstand. Die Tiere waren ähnlich wie in Grab 1 mit den Köpfen nach Nordost, die angehockten Gliedmaßen gegeneinander, also spiegelbildlich symmetrisch niedergelegt. In der äußeren Hornkrümmung des nordwestlichen fand sich eine Kugelamphorenschale, zwischen Kopf und Vorderbeinen des südöstlichen ein beinerner Doppelpfriem von 16cm Länge …
Am bekanntesten, aber nicht kulturell bestimmt, ist die Rinderbestattung, die 1902 in Mittelhausen bei Allstedt zum Vorschein kam. Auch hier waren unter einer Steinpackung zwei Rinderhocker mit Köpfen nach Osten spiegelbildlich antithetisch niedergelegt, darüber lagen in der Mitte mit Köpfen nach Osten ein fast gestrecktes weibliches sowie Reste eines männlichen Skelettes, zu dem wohl die Schneidenhälfte einer Axt mit flachrechteckigem Querschnitt (Nackenkammaxt?) gehört.
Rinderbestattungen haben ein recht geschlossenes Verbreitungsgebiet längs der Saale und mittleren Elbe. Nach unseren chronologischen Auffassungen müssten wir den Walternienburger Gräbern die Priorität geben (Fischer 1956, [2]).“
Eine weitere Rinderbestattung des Saalekreises hat das Museum für Ur- und Frühgeschichte in Halle mit Fotos veröffentlicht. Hier wurde in die Grabgrube eine vier bis fünfjährige Kuh gelegt, die noch viele Jahre hätte Milch geben können. Zwischen den Vorder- und Hinterläufen wurde eine kleine Steinkiste platziert, wobei die Platten der westlichen Schmalwand über den unteren Rippenenden des Tieres standen. Da die Rinderknochen sehr mürbe waren und teilweise in Einzelteile zerfielen, schließt man daraus, dass die ungleich weniger fest ausgebildeten Knochen eines Kleinkindes in diesem Bodenmilieu nicht überdauern konnten.

Diese Rinderbestattungen im Saalekreis zeigen offensichtlich nicht die symbolische Beerdigung einer religiösen Epoche, in dem Fall die Ära des Tierkreiszeichens Stier. Es scheint sich eher um den Höhepunkt dieser Epoche zu handeln, als der Glauben an die Macht oder magischen Kräfte des Stieres fest und tief verwurzelt war. Die Menschen suchten Beistand bei ihrem derzeitigen himmlischen Verbündeten, und in der Art und Weise wie sie die Bestattung ihrer Toten mit den Grabbeigaben inszenierten, gaben sie ihnen ganz bestimmte Wünsche oder religiöse Vorstellungen mit auf die Reise ins Jenseits.

Mit dem heliakischen Untergang der Plejaden, der um 1600 v. Chr. tagesgenau an der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche eintrat, hatte die Sonne den zentralen Bereich des Stieres verlassen.  Vielleicht begannen die Priester von da an die Religion langsam umzugestalten, indem sie neue Zeremonien und Symbole zu Begrüßung des Widders in ihre rituellen Handlungen einbetten, damit ein sanfter Übergang stattfand. In diesem Zusammenhang könnte dann auch die Himmelsscheibe, auf der die Plejaden als einzige markante Sternengruppe zu sehen war, rituell beerdigt worden sein.
Die Darstellung der Plejaden auf der Himmelsscheibe von Nebra könnte also einereits die Zugehörigkeit zur entsprechenden religiösen Ära kenntlich machen und andererseits auf den relativ kurzen Nutzungszeitraum hinweisen, in dem sich der Frühlingspunkt in direkter Nähe oberhalb dieses Sternhaufens befand.

________________________

[1] Charpentier, Louis (1972). Die Riesen und der Ursprung der Kultur. Hans E. Günther Verlag, Stuttgart. Seite 32 – 34.
[2] Fischer, Ulrich (1956). Die Gräber der Steinzeit im Saalegebiet. Vorgeschichtliche Forschungen begründet von Max Ebert. Seite 104 + 105, 156-158.