Der Sonnenbogen

Der Sonnenbogen wurde ergänzt.„In der 3. Phase der Himmelsscheibe wurde die Sonnenbarke eingefügt. Dieser Goldbogen weist einen deutlich geringeren Silberanteil als alle anderen Elemente auf und er lässt einen ganz anderen Arbeitsstil erkennen, weshalb vermutet wird, dass er mit einigem zeitlichen Abstand nach den Horizontbögen angebracht wurde. … Eigentlich hätte der Tauscheur, wie beim Zufügen der Randbögen, zumindest den einen sehr nahe kommenden Stern versetzen müssen. Stattdessen ließ er die Fiederung der Barke dem Nachbarstern regelrecht ausweichen. Auch weist allein die Barke eine Binnenverzierung auf” (Wunderlich, 2005; [1]).
Demnach müsste dieser Tauscheur noch die Bedeutung der Sterne gekannt haben, denn wenn er einen der Zirkumpolarsterne versetzt hätte, wäre die Bedeutung der Sternenzeiger nicht mehr klar zu erkennen gewesen.
Schon mit dem bloßen Auge erkennt man, dass das Gold in einer anderen Farbe als die übrigen Auflagen schimmert (Maraszek 2010). Vielleicht erzeugte man bewusst eine andere Goldlegierung, weil es sich eben nicht direkt um die sichtbare Sonne handelt, sondern um ihre wärmenden Eigenschaften im Jahreslauf. In dem Fall könnte der Goldbogen auch zeitnah nach der 2. Phase angebracht worden sein.

Dieser neue goldene Bogen hebt er sich durch seine besondere Gestaltung von den anderen Elementen ab. Denn der Schöpfer der Himmelsscheibe hat nach der Befestigung des Goldbleches mit einem kleinen Meißel schräge Linien an den Längsseiten eingeschlagen.
3. Phase SonnenbogenBisher wird der Bogen als Schiff gedeutet, obwohl ein Schiffsrumpf nicht kreisrund, sondern immer abgeflacht ist. Die Kerbstriche an den Längsseiten sollen Ruder oder Menschen symbolisieren, doch beide befinden sich niemals unter dem Rumpf!
Der tägliche Bogenlauf der Sonne vollzieht sich hingegen immer in kreisrunden Bahnen mit dem Südpunkt als Zentrum. — „Die Tagesbögen von Sonne und auch Mond werden in manchen (deutschen) Märchen auch als Silber- und Goldbrücken beschrieben” (Koneckis, 1994; [2]).
Diese kurzen Kerbstriche können, da sie beidseitig des Bogens angebracht wurden, Sonnenstrahlen darstellen, denn von allen Gestirnen hat nur die Sonne diese auch spürbare Eigenschaft. Sogar kleine Kinder zeichnen die Sonne schon mit Strahlen. Denn diese können wir
entweder sehen, wenn wir mit fast zugekniffenen Augen in die Sonne schauen oder an trüben Tagen, wenn die Sonnenstrahlen eine Wolkendecke durchbrechen, die allerdings heutzutage Wolkenstrahlen genannt werden. 
Nur die Sonne kann sichtbare Strahlen und Wärme hervorbringen, denn der Mond reflektiert nur das Sonnenlicht und die Sterne sind zu weit weg.

Der Sonnenbogen könnte somit auch eine für das Landesinnere realistische Deutung enthalten, nämlich den Jahreslauf der Sonne mit unterschiedlichen Tageslängen, Umlaufhöhen und der sich dadurch verändernden Wärme- und Lichtintensität.
Für diese Theorie könnten zwei parallel laufende Linien sprechen, die in das Goldblech eingeritzt wurden, wodurch drei Bögen entstanden, die eine besondere Symbolik enthalten könnten. Vom unteren Rand bis zur ersten Linie könnte der schmale Bogen die niedrigen und kurzen Sonnentagesbögen des Winters zeigen, wenn die Sonne am wenigsten Energie hat, weshalb dieser Bogen auch nur sehr schmal ist. Zwischen der ersten und der, etwa in der Mitte verlaufenden, zweiten Linie würde der mittlere Bogen, die länger oder kürzer werdenden Tage andeuten, bis oder von den Äquinoktien. Von dort nach oben entwickelt sich der breiteste und stärkste Bogen, möglicherweise symbolisiert er die langen Sommertagesbögen, die gestalterisch in der Mitte und am äußeren Rand der Bronzescheibe, nach unserer Interpretation zur Sommersonnenwende im Juni, ihren absoluten Höhepunkt finden. Die Bögen und Linien werden von innen nach außen nicht nur immer länger, sondern auch immer dicker, was vielleicht auf die zunehmende Wärme oder Intensität der Sonne hinweisen könnte.

 

Für die 2. Herstellungsphase drehen wir nun die Bronzescheibe mit den Elementen des Nachthimmels aus der 1. Herstellungsphase um 180°, da wir nun die goldenen Symbole der Sonnenbeobachtungen, des Tages, untersuchen. Der Süden der Himmelsscheibe liegt in dem Fall beim >Sonnenschiff<, das dann eher wie der Tageslauf der Sonne, vom Ostaufgang, über Süden, zum Westuntergang aussieht.

Der Jahreslauf der SonneBetrachten wir den goldenen Sonnenbogen vom Mittelpunkt der Himmelsscheibe, die für uns jetzt wieder den Horizontkreis darstellt, dann könnte der östliche Horizontbogen auch den Morgen, der Sonnenbogen die Mittagszeit mit dem Sonnenhöchststand, die Kontur des fehlenden Horizontbogens den Nachmittag und der Rand ohne goldene Elemente die Nacht symbolisieren.
Denselben vier Randbereichen könnten wir auch ein ganzes Sonnenjahr mit unterschiedlich hohen Tagesbögen der Sonne zuweisen: Frühling, Sommer, Herbst und Winter.

Die randnahen Löcher des Bereiches >Sonnenhöchststand< oder >Sommer< könnten in einem Zusammenhang mit der Schiefstellung des Sonnenbogens stehen. Denn über dem Bogen wurden elf Löcher, etwa den gleichen Abstand zueinander, teilweise sogar direkt durch das Goldblech, in die Bronzescheibe getrieben. Ordnen wir diesen Löchern nun jeweils einen Monat zu, erreicht der Sonnenbogen im Juni seinen Höchststand. Dieses 6. >Juni-Loch< ist noch vor der Nord-Süd-Achse, die nun auch das Sonnenjahr halbiert, eingeschlagen worden.
Von dem Mittelpunkt der goldenen Kreisscheibe zu den Enden des Sonnenbogens, am äußeren Radius, öffnet sich ungefähr ein 65°-Winkel. Dies könnte etwa dem Höchststand der Sonne (62,6°) am Tag der Sommersonnenwende entsprechen. Um die Höhe der Sonne über dem Südpunkt zu ermitteln, wurde sie eventuell mit einem Gegenstand verdeckt und sie konnte etwas oberhalb von ihrem grellen Strahlenkranz vermessen werden.

 

3. Herstellungsphase: Die versteckten Hinweise des SonnenbogensDer goldene Sonnenbogen enthält auch einige versteckte Hinweise und Beziehungen.
So schneidet die Verbindungslinie zwischen seinen Enden den Meridian in unserem unsichtbaren Nordpol!
Dies ist der 3. unabhängige Hinweis auf den Nordpol! Und das wird auch ein Grund für die Schiefstellung sein.
Zudem zeigt ein lineares Ende des Sonnenbogens wieder auf die Mitte der goldenen Kreisscheibe, während das andere Ende, so vermutet Harald Gränzer, auf den eigenen Mittelpunkt seines Außenkreises weisen könnte. Dieser Kreis und der Schattenradius der Sichel haben exakt den gleichen Durchmesser und die Verbindungslinie zwischen den Mittelpunkten bildet, mit der Geraden des Sonnenbogens, einen rechten Winkel.

Aufgrund dieser Auffälligkeit entwickelte Dr. Burkhard Steinrücken >Die dynamische Interpretation der Himmelsscheibe von Nebra<:
„Die mathematische Analyse der Form und Lage der Bildsymbole auf der Himmelsscheibe lässt auf eine erstaunliche Vielfalt von Symmetrien und geometrischen Prinzipien bei ihrer Gestaltung schließen. Durch Anpassung von Kreisen und Ellipsen nach der Methode der kleinsten Abstandsquadrate an den Scheibenrand, die Segmente und die runden Bildsymbole, erhält man ein Geflecht sich berührender und durchdringender Kreise und Ellipsen. Die mathematische Struktur dieses Ringsystems legt nahe, die Scheibe als Sinnbild für einen Mechanismus aus rollenden Kreisen zu interpretieren, der die räumlichen und zeitlichen Aspekte des Sonnenjahres und die Sichtbarkeit der Plejaden in den verschiedenen Jahreszeiten auf der geographischen Breite der Fundgegend in einer faszinierenden geometrischen Formensprache korrekt darstellt. Die Zentralobjekte … sind in Form und Lage derart platziert, dass mit ihnen durch den Kontakt mit beweglichen Kreisen besondere Kalenderdaten im Sonnenjahr ausgezeichnet sind. … Der Schiffsaußenkreis berührt den Scheibenrand und ragt bis zur Mitte der Scheibe. Sein Umfang steht mit dem Umfang der Scheibenrandellipse im Verhältnis von 1:2. Dieser Sachverhalt führt zur Grundidee der Dynamischen Interpretation, das zum Kreis vervollständigte Schiff auf dem Scheibenrand abzurollen. … Die rollende Bewegung des Schiffes, die sich als Metapher für den ewigen Kreislauf der Sonne interpretieren lässt, wird erst durch eine Videoanimation auf dem Computer unmittelbar veranschaulicht …
Der Mechanismus stellt das Sonnenjahr und seine Teilung in Einheiten gleicher Länge dar. Zu den zwei Frühlingsanfängen der zwei im Mechanismus dargestellten Folgejahre … stehen die Plejaden im Schiffs-, Zeit- oder Sonnenrad und sind am Himmel unsichtbar. Zu den Herbstanfängen stehen sie fast in Opposition zur Sonne. Dies passt gut zu den Verhältnissen in der Bronzezeit. … Nimmt man die Bildnummern der Äquinoktien mit dem Schiff in einer der vier Symmetriestellungen und ermittelt die Bildnummern für die zeitliche Mitte zwischen jeweils zwei Äquinoktien, so erhält man die Sonnenwenden. Die Teilung des Jahres in acht gleiche Teile führt auf die Festdaten in der zeitlichen Mitte zwischen den Sonnenwenden und Äquinoktien. … Im heutigen Kalender liegen diese alten Festtage in den ersten Tagen der Monate Februar, Mai, August und November. …
Damit sind alle besonderen Symbole auf der Himmelsscheibe angesprochen und jedes fügt sich durch mindestens ein besonderes Kontaktereignis mit den beweglichen Teilen des Mechanismus in den Gesamtzusammenhang der >Dynamischen Interpretation< ein.

Die Umfänge der Kreise und Ellipsen auf der Himmelsscheibe stehen im Rahmen der Toleranz in einem harmonischen Verhältnis zueinander. Man findet für die Proportionen der Umfänge (in willkürlichen Einheiten): 24 (Scheibenrandellipse) : 12 (Schiffsaußenkreis und Mondinnenkreis) : 11 (Schiffsinnenkreis) : 10 (Mondaußenkreis) : 8 (zentrales Rundsymbol) : 4 (Plejadenkreis). …” (Steinrücken, 2010; [3]).

 

Welche Himmelsrichtungen wurden bisher ermittelt und befindet sich das Schiff nun im Süden oder Norden?Himmelsrichtungen

1. Skizze: Die Plejaden im Norden?   Nicht möglich.
Anhand der Horizontbögen konnten die Himmelsrichtungen bestimmt werden; das Schiff liegt im Süden. Aufgrund der Form des Sichelmondes befindet sich an seiner Seite Westen und der Nutzer musste die Scheibe über sich halten (Text und Zuordnung der Himmelsrichtungen von Schlosser, 2004). Vor allem auch durch die Spuren des Hammers wissen wir, dass die Scheibe aufrecht vergraben worden war: das Schiff am unteren Rand. Diese Position unterstützt die Idee in dem Sonnenbogen eine »fahrende« Schiffsdarstellung zu sehen (Meller 2004).

2. Skizze: Ein leuchtender Sonnenbogen im Norden?   Nicht möglich.
Laut Professor Wolfhard Schlosser handelt es sich bei der Sechseck-Konstelltion auf der Himmlesscheibe um die Darstellung der Plejaden. Da diese aber in der südlichen Hemisphäre zu sehen waren, würde das Sonnenschiff dann, wie in anderen Interpretationen beschrieben, im Norden über den Nachthimmel fahren, bis die Sonne im Osten wieder aufgeht.
Finden Sie es überzeugend, dass die Schöpfer der Himmelsscheibe ein leuchtendes Symbol  für die Sonne im Norden anbrachten? Warum wählten dann sie nicht eher einen kleineren Bogen aus, den sie oberhalb des Secksecks einfügten?

3. Skizze: Die Plejaden im Süden.   Ja, dort sind sie zu sehen.
In der 1. Herstellungsphase des Nachthimmels gab es die Sonnenbögen noch nicht. Die Himmelsrichtungen werden durch die Mondsichel und durch die eng beieinanderstehende Sternengruppe, die als Plejaden oder Wintersechseck gedeutet wird, bestimmt.

4. Skizze: Der Sonnenbogen im Süden.   Ja, dort ist er zu sehen.
Ab der 2. Herstellungsphase wurden die Elemente der Sonnenbeobachtungen angebracht. Daher könnte nach meiner Interpretation die Bronzescheibe mit dem Nachthimmel um 180° gedreht worden sein und alle Sterne sind für die Betrachtung der Elemente des Taghimmels weg zu denken. Süden liegt beim >Sonnenschiff<, das aber eher einem Sonnenbogen gleicht.

Am einleuchtendsten erscheinen die Zuweisungen der Himmelsrichtungen in den Skizze 3 und 4, nebst ihrer Erklärungen


[1] WUNDERLICH, Christian-Heinrich. 2005. Vom Bronzebarren zum Exponat – Technische Anmerkungen zu den Funden von Nebra. Der geschmiedete Himmel. Herausgeber Harald Meller.
[2] KONECKIS,
Ralf. 1994. Mythen und Märchen.
[3] STEINRÜCKEN, Burkhard. 2010. Die Dynamische Interpretation der Himmelsscheibe von Nebra. Der Griff nach den Sternen – Internationales Symposium in Halle (Saale) 16. – 21. Februar 2005. Seite 935 – 945.

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