Wissensaustausch in der Bronzezeit

Auf der Himmelsscheibe von Nebra sind die vier Haupthimmelsrichtungen, die Ekliptik mit hellen Sternen des Tierkreises, die Planeten, der Himmelsäquator (eventuell mit dem Frühlingspunkt), 1/4 Himmel, eine komplette Sternenuhr, ein Sternenzeiger zur Nordbestimmung, die hellsten Zirkumpolarsterne zur Ermittlung des Standortes zwischen Norden und Süden, Meridian. der Horizont, die Pendelbereiche der Sonne mit den 4 – 8 Jahreseckpunkten, die Mondwenden möglicherweise mit Finsternisbeobachtungen, die Erde als Kugel, die Höhe des Nordpols über dem Horizont, der Zenit und ein rechter Winkel, drei 30°-Winkel zur Höhenmessung, ein Jahreslauf der Sonne, ein Zählkalender, sowie geometrische Kenntnisse und Zahlen, … verschlüsselt enthalten und die Verschiebung des gesamten Sternenhimmels, die Präzession, wurde wahrgenommen.
Alle Bildelemente sind untereinander zum Teil mehrmals verknüpft, so dass der komplette Inhalt von Anfang an geplant gewesen sein muss, auch wenn manche Elemente erst zu einem späteren Zeitpunkt ergänzt wurden. Beispielsweise musste für die Winkel der Mondwenden der Abstand zwischen dem Mittelpunkt der Erde und den beiden Horizontbögen (und somit die Größe der Himmelsscheibe) im Zusammenhang geplant worden sein, …
Auf jeden Fall war das Wissen über die Himmelsabläufe in der Bronzezeit in Mitteldeutschland viel größer als wir bisher angenommen haben.

Der Reiz dieser Scheibe lag für den Erfinder vermutlich vor allem darin, sein komplettes Wissen der Himmelsbewegungen, so eindeutig und knapp wie möglich, bildlich darzustellen. Dabei sollten nur einige wenige Sternenkundige seiner Zeit, falls sie die Scheibe längere Zeit betrachten durften oder diese in ihren Besitz bekamen, den Inhalt entschlüsseln können.
Was muss es für eine Freude gewesen sein, die ersten gezeichneten Ideen erraten zu lassen. Entweder waren sie zu einfach oder zu kompliziert. Und erst als ein Sternkundiger jeden Stern, nach längerem Überlegen, beim Namen nennen konnte, wurde diese konstruierte Himmelsdarstellung in Bronze und Gold erstellt.
Könnten Sie auf einem DinA4 Blatt alle Inhalte der Himmelsscheibe von Nebra, von nur einem festen Beobachtungsort aus, mit möglichst wenigen Elementen, zeichnerisch darstellen?

Es wird in der Frühbronzezeit, um 1950 v. Chr. in Mitteldeutschland, nicht nur einen Warenaustausch, sondern auch einen Wissensaustausch gegeben haben! Denn einige astronomische Erkenntnisse der Himmelsscheibe wurden beispielsweise mindestens um 2300 v. Chr. in Stonehenge, in Südengland und um 2500 v. Chr. im alten Ägypten umgesetzt. Die Babylonier hatten um 2500 v. Chr. sogar schon eine Keilschrift entwickelt, so dass sie ihre umfangreichen astronomischen Beobachtungen notiert konnten.
Wenn als Deutung der Himmelsscheibe eine babylonische Schaltregel akzeptiert wird, dann können wir doch dem Schöpfer der Himmelsscheibe auch einen Großteil des damaligen babylonischen Wissens zutrauen. Allerdings fand vermutlich kein kompletter Wissensaustausch statt, da das astronomische Wissen sehr komplex ist und es sich zudem, zumindest teilweise, um eine Art Geheimwissen handelte. Daher wurden eher astronomische Grundelemente aus verschiedenen Regionen durch eigene Beobachtungen ergänzt und mit religiösen oder machtpolitischen Zeremonien ausgeschmückt.

“Um 3300 v. Chr. wanderten die Sumerer aus Zentralasien in das fruchtbare Land ein und 2750 v. Chr. herrschte König Gilgamesch über Uruk, die erste Großstadt der Geschichte, mit 25.000 Einwohnern. Der Herrscher der Stadt war zugleich ihr oberster Priester, der das Leben aller durch einen Kalender regelte. Das öffentliche Jahr war ein Lunisolarjahr zu rund 354 Tagen und bestand aus zwölf Mondmonaten zu je 29 oder 30 Tagen. Durch gelegentlichen Einschub eines Schaltmonats wurde es mit dem Sonnenjahr in Einklang gebracht. Dem einfachen Volk genügte vorerst der Mond als Zeitweiser, und wenn es an der Zeit war, den Göttern zu danken oder sie um neue Wohltaten zu bitten, sagten es ihnen die Priester. Diese bildeten im Zweistromland eine abgesonderte Bevölkerungsschicht, die Chaldäer. Sie beschäftigten sich besonders mit dem Geschehen am Himmel und wussten bereits um 2500 v. Chr., dass Sonne, Mond und Planeten auf geschlossenen Bahnen durch den Tierkreis ziehen. Die vier Jahreseckpunkte konnten sie sowohl mit dem Schattenstab, dem Gnomon, als auch aus der Stellung der Gestirne bestimmen. Dieses geheime Wissen blieb sehr lange verborgen. 1849 wurden die Ruinen der 612 v. Chr. zerstörten Stadt Ninive am Tigris wiederentdeckt und bald darauf tausende Keilschrifttafeln daraus geborgen. Unter anderem enthalten sie einen Katalog von 66 Gestirnen und eine Omensammlung mit etwa 7000 Vorzeichen.”[1]

„Im gesamten ägäischen Raum gibt es weder bildliche Parallelen für die Himmelsscheibe aus Nebra, noch ist eine wie auch immer geartete Vermittlung etwa ägyptischer religiöser Ideen über die Ägäis weiter nach Norden zu belegen. Eines aber, was wir auf der Himmelsscheibe und an den Schwertern aus demselben Fundkomplex aus Nebra finden, ist in Europa vor allem aus der Ägäis bekannt, nämlich die Technik der Tauschierung (Einlegetechnik der Goldbleche). Da diese von den Mykenern aus dem Nahen Osten übernommene Technologie jedoch in Mykene weiterentwickelt war als in Nebra, muss wiederum kein direkter Kontakt angenommen werden.“[2]
„Auch viele (derzeitige) Bronzegegenstände aus Mitteldeutschland bezeugen in Form und Verzierung fremde Einflüsse. Vielleicht zogen Handwerker umher, die ihre Fertigkeiten an verschiedenen Orten darboten und so die Übernahme von neuen Techniken durch Einheimische anregten. Kronzeuge für diese Fernbeziehungen ist die Verbreitung der Bernsteinfunde. Ein Großteil des in der Bronzezeit in Europa und dem Mittelmeerraum (Schliemann fand schon 1876 Bernstein in den Schachtgräbern in Mykene) verwendeten Bernsteins ist baltischen Ursprungs. Ein Transport von Norden nach Süden gilt somit als gesichert und wird durch zahlreiche Depotfunde in Mitteldeutschland, die unter anderem Bernstein enthalten, gesichert.“[3]

“Schatzjagd an der Seidenstraße      (Erstausstrahlung 21.09.2013, 20:15 Uhr)
Der Film bietet eine ganze Fülle neuester Forschungen zu einer sehr alten Frage. Die Dokumentation spannt den Bogen von Europa bis in den Fernen Osten. Muss die gemeinsame Geschichte Chinas und Europas umgeschrieben werden?
Die größte Handelsroute verlief einst auch durch die Taklamakan, die zweitgrößte Sandwüste der Welt. Von der alten Hauptstadt Xian bis ans Mittelmeer reichte die Verbindung, dass sie mitten durch die Wüste führte ist ein Glücksfall für die Forscher. Das trockene Klima hat zahlreiche Zeugnisse bestens konserviert. In der Taklamakan wurde ein Mumienfriedhof aus prähistorischer Zeit entdeckt. Forscher wie der Ungar Aurel Stein fanden die ersten Mumien zwar schon vor hundert Jahren, aber erst jetzt wird der riesige Mumienfriedhof, mit 200 Mumien, von chinesischen Archäologen systematisch untersucht. Bis zu 4.000 Jahre sind sie alt. Ihr Aussehen überrascht. Mit ihren kräftigen Gesichtszügen, ihren Bärten und ihren blonden Haaren wirken diese Menschen alles andere als chinesisch. Sie tragen europäische Gesichtszüge. Selbst ihre Kleidung ist perfekt erhalten. Dem renommierten Mumien-Experten Prof. Victor Mair wurde von einem chinesischen Archäologen ein Stofffragment zugesteckt. Es ist 3200 Jahre alt. Es wirkt vertraut, weil es an einen Schottenrock erinnert. Die Erfinder des Schottenrockmusters sind die Kelten. Sie verwenden es schon seit Jahrtausenden, wie es ein 3000 Jahre altes Fundstück aus Österreich zeigt. Die Fragmente, die so weit voneinander entfernt gefunden wurden, sehen sich nicht nur ähnlich, sie sind mit genau derselben Technik gewebt!
Der chinesische Archäologe Idris Abdursul und Victor Mair geben verschiedene DNA zur Untersuchung in Auftrag, in China und Europa. Das chinesische Team kommt zu einem Ergebnis: Die Mumien tragen europäische Gene in sich. Die DNA weist die Spur jener Völker nach, die vermutlich aus der Schwarzmeerregion nach Europa einwanderten. Die Mumien aus der Taklamakan eröffnen eine neue Sicht auf die Geschichte dieser Wanderschaft.
Die Analyse beweist, dass es bereits vor 4000 Jahren Kontakte zwischen Ost und West gab. Menschen aus der Schwarzmeerregion nahmen denselben Weg, wie später Händler der Seidenstraße.

Jetzt müssen wir nicht mehr raten und rätseln, was in der Bronzezeit abgelaufen ist. Jetzt wissen wir es. Das Volk, zu dem die Mumien gehören, schlägt schon in der Bronzezeit eine Brücke zwischen Ost und West, denn es lässt sich nachweisen, dass sie Handel mit den chinesischen Völkern betrieben.”[4]

 
Karte aus Wikipedia: „Das Netz der Seidenstraße“


[1] Hans Lenz (2005), “Universalgeschichten der Zeit”, Kalender
[2]
Harald Meller (2005),
“Der geschmiedete Himmel” – Reinhard Jung, Mykene und der Norden: Transfer von Artefakten – Transfer von Religionen?
[3]
Harald Meller (2005), “Der geschmiedete Himmel” – Hermann Genz,, Blühende Landschaften – Mitteldeutschland in der frühen Bronzezeit
[4] http://www.arte.tv/guide/de/047512-000/schatzjagd-an-der-seidenstrasse#details-description

Weiterlesen: Nebra, Unstrut und Saale erhielten 1600 v. Chr. ihre Namen