Kartographie in der Vor- und Frühgeschichte

Auf La Palma ist an einer Felswand eine riesige Felskarte mit unzähligen Details eingraviert worden. Es handelt sich um die damals wohl wichtigsten Gebiete eines großen Landstriches. Die einzelnen Symbole sind häufig in kleine Parzellen unterteilt, wodurch Flächen definiert worden sein könnten, die bis heute entweder hervorragend mit den Zeichen übereinstimmen oder aber auf Grund von Nutzungsänderung, Erosion, … nicht mehr exakt zugeordnet werden können.
Vor allem aber scheinen die Symbole richtungsgenau angeordnet zu sein und die Addition der überprüfbaren Merkmale ergibt eine, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit richtige, Landkarte der Ureinwohner.

Auf etwa 700 qm existieren zahlreiche Felsgravuren auf engem Raum und in ihrem ursprünglichen, wenig veränderten Umfeld. Daher ist diese Insel prädestiniert um die Bedeutung einzelner Symbole zu untersuchen. Meinem Mann und mir ist es in vielen Jahren gelungen erste Petroglyphen vermutlich recht eindeutig in ihrer Bedeutung zu belegen und für weitere Petroglyphen vorläufige Interpretationsansätze zu erstellen.
Die Ausrichtung der Felsen, auf denen Gravuren mit einem Stein gepickt wurden, war scheinbar für Landkarten nicht wichtig, da es in dem Fall wohl nur darum ging allgemein gültige Informationen einer bestimmten Region aufzuzeichnen. In solchen Fällen könnte das am besten geeignete Material und eine der Informationsmenge entsprechend große Fläche ausgewählt worden sein.

.In den vorherigen Kapiteln wurden einzelnen Petroglyphen Berge und ganz spezifische Landschaftsformen anhand charakteristischer Nutzungsanzeichen, topografischer Eigenschaften und visueller Erscheinungen zugeordnet.

„Wolfgang Dröber (1903; [1]) hat in seiner Dissertation über die Kartographie der Naturvölker manches geschrieben, was für die Auswertung der Felskarten von Bedeutung ist. Bei den Naturvölkern sind Auge und Ohr besonders geschärft. Ihr Auge soll sogar um ein Vielfaches besser ausgebildet gewesen sein als in der heutigen Zeit. Sie besitzen ein außerordentlich gutes Orientierungsvermögen und eine scharfe Beobachtungsgabe. Auch die Anfänge des Messens sind ihnen nicht unbekannt und werden durch einfache Zeichenkunst unterstützt. Alle Verhältnisse werden auf den eigenen Wohnsitz bezogen. Die Zeichnerische Darstellung wird sich nicht auf große Landgebiete erstrecken. Heinrich Schurtz (1900; [2]) wird von Dröber wie folgt zitiert: “Es ist wahrscheinlich geworden, dass viele rätselhafte vorgeschichtliche Felszeichnungen nichts weiter sind als kunstlos entworfene Kartenbilder. Bei all diesen Karten wird nicht die objektive Darstellung des Vorhandenen angestrebt, sondern irgendein praktischer Sinn verfolgt; meist sollen sie als Wegweiser zu bestimmten Punkten dienen und enthalten dann gern Richtungszeichen … .“ Sehr richtig bemerkten dazu Bagrow und Skelton (1963): “Auf Stein kann man Bilder einritzen, einmeißeln oder zeichnen. Solche Malereien oder Felszeichnungen sind in der ganzen Welt aufgefunden worden und bezeichnenderweise sehr häufig an solchen Stellen, denen aus wirtschaftlichen oder sozialen Gründen eine besondere Bedeutung zukam. Bisher jedoch hat noch keine solche Zeichnung zweifelsfrei mit einer gegebenen Örtlichkeit identifiziert werden können.“ Als älteste (geritzte) kartographische Darstellung gilt eine babylonische Karte auf einem Tonplättchen um 3800 v.Chr. Es sollen der Euphrat und ein Nebenfluss, der Wadi Harran, dargestellt sein. (P. Volquart Molt 1979; [3]).“

„Die bisher älteste kartografische Darstellung fand man im Jahre 1963 im türkischen Çatalhöyük bei den Ausgrabungen einer neolithischen Siedlung. Die Wandmalerei zeigt die Siedlung um 6200 v.Chr. mit ihren Häusern und dem Doppelgipfel des Vulkans Hasan Dağı..
– Auch aus dem bronzezeitlichen Europa können einige bedeutende Entwicklungen dokumentiert werden. Erst 1999 wurde die zwischen 1800 und 1600 v.Chr. erschaffene Himmelsscheibe von Nebra gefunden, die als weltweit älteste konkrete Himmelsdarstellung und als einer der wichtigsten archäologischen Funde aus jener Epoche gilt.
– Um 1500 v.Chr. entstanden im heutigen Italien bei Capo di Ponte im Val Camonica zahlreiche Petroglyphen. Eine davon zeigt auf 4,16 × 2,30 m den Plan eines Ortes sowie Tiere und Menschen.
– Vielfältige kartografische Zeugnisse haben sich aus dem alten Mesopotamien erhalten. Als älteste Kartendarstellung gilt eine Tontafel aus der akkadischen Stadt Nuzi (das heutige Jorgan Tepe, südwestlich von Kirkuk im Irak). Sie stammt aus der Zeit zwischen 2340 und 2200 v.Chr. Auf der 7 × 7 cm großen Tontafel sind Berge, Flüsse und Städte des nördlichen Mesopotamien eingezeichnet. Die Erde schwimmt als runde Scheibe im Weltmeer.
– Alle Hochkulturen entwickelten Karten. Aus Ägypten ist von ca. 1300 v.Chr. eine Karte der nubischen Goldminenfelder auf Papyrus erhalten. Sie stellt das Becken östlich von Koptos mit einer Hauptstraße und dem Amunstempel dar” (wikipedia; [4]).

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[1] Dröber, Wolfgang. 1903. Kartographie bei den Naturvölkern. Amsterdam. Nachdruck 1964. Seite 4ff, 16, 24, 31.
[2] Schurtz, Heinrich. 1900. Urgeschichte der Kultur. Leipzig und Wien.
[3] Volquart Molt, Paul. 1979. Die ersten Karten auf Stein und Fels vor 4000 Jahren – in Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Kommissionsverlag Gustav Weiland Nachf. Lübeck. Seite 14-16.
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Kartografie

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