Sterne kennzeichnen auf der Himmelsscheibe die jeweilige Himmelsrichtung

Die Sternenkarte der Himmelsscheibe im Vergleich zu heutigen Darstellungen

In diesem Artikel erfahren Sie durch welche Himmelsrichtung sich bestimmte Sterne und Sternengruppen der Himmelsscheibe zweifelsfrei zuordnen lassen. Es handelt sich um ein Basiswissen zum Verständnis der hier vorgestellten Interpretation. Die Himmelsmechanik der Frühbronzezeit wird anhand von modernen Sternenkarten erklärt.

Als erstes sei darauf hingewiesen, dass es selbstverständlich mehrere Möglichkeiten gibt Sternenkarten aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu erstellen.

Hinkommt, dass die dreidimensionalen Geschehnisse des Sternenhimmels nur zweidimensional dargestellt werden.

Mehr dazu und über ein kostenloses digitales Planetarium: Die Himmelsscheibe von Nebra stimmt mit heutigen Sternenkarten überein

Standort, Zeitpunkt und Himmelsrichtung

Wenn wir die Fixsterne über einen längeren Zeitraum in der Natur beobachten, fallen uns in jeder der vier Haupt-Himmelsrichtungen unterschiedliche Bewegungsmuster auf. Heutzutage können wir diese Sternenbahnen ohne große Anstrengungen und mit wenig Zeitaufwand ermitteln.

Hierzu brauchen wir nur eine feststehende Kamera, die ein Foto mit in einer Langzeitbelichtung vom Nachthimmel aufnehmen kann. Dadurch werden die Bewegungen der Sterne als Strichbahnen aufgezeichnet.

Oder wir verwenden ein geeignetes Computerprogramm, das wir ohnehin benötigen, wenn wir die Bedeutung der astronomischen Symbole der Himmelsscheibe von Nebra erforschen wollen. In dem Programm habe ich als Standort die Koordinaten des Fürstenhügels von Leubingen eingegeben und das Jahr 1950 v.Chr. Dies ist die Lebenszeit jenes Fürsten, der wegen der großen Übereinstimmung seiner bedeutenden Grabbeigaben im Vergleich mit den Beigaben der Himmelsscheibe möglicherweise als Schöpfer der Himmelsscheibe in Frage kommt (Meller, 20051Meller, Harald (2005). Der Körper des Königs. Der geschmiedete Himmel. Konrad Theiss Verlag. S. 96.).

Mehr dazu: Nur vier Fürsten kommen als Schöpfer der Himmelsscheibe in Frage

Die Himmelsrichtung NORD

Abb. 1: Langzeitaufnahme von Zirkumpolarsternen. https://pxhere.com/de/photo/1000648

Nur in Blickrichtung Norden kreisen Sterne auf vollständigen Parallelkreisen um ein Zentrum. Und der gesamte Umschwung erfolgt entgegen dem Uhrzeigersinn.

In dem dunkelsten Bereich des Himmels, in dem nie die Sonne zu sehen ist, umrunden die Zirkumpolarsterne in Vollkreisen den Himmelsnordpol. Es gilt, je weiter ein Stern vom scheinbaren Zentrum entfernt ist, desto größer wird sein Kreisbogen. Diese Situation wird durch das beigestellte Foto belegt. Auch werden die einzelnen Bogenabschnitte nach außen hin länger und gestreckter. Außerdem erzeugen helle Sterne natürlich hellere und breitere Leuchtspuren. Siehe Abbildung 1.

Ergebnis: Folgende Zirkumpolarsterne hatte nur damals eine besondere Eigenschaft

Abb. 2: Der nördliche Sternenhimmel um 1950 v.Chr. Beim Nordpol steht kein heller Stern und ˈunserˈ Polarstern Polaris ist aufgrund der Präzessionsbewegung weit entfernt. Die blauen Linien zeigen das Äquatoriale Gradnetz an, wobei die konzentrischen Parallelbögen auch den Verlauf der Sternenbahnen verdeutlichen, die auf diesen Linien liegen.

Trotz der offensichtlichen Gleichförmigkeit der nördlichen Sternenbahnen zeigt die Himmelsscheibe, dass unter Anderem folgenden Zirkumpolarsternen eine besondere Bedeutung zukam:

Als ALDERAMIN / Kepheus und KOCAB / Kleiner Wagen zwischen dem Nordpunkt und dem Himmelsnordpol senkrecht übereinanderstanden, zeigten sie den wahren Norden an! Somit konnten auch alle anderen Richtungen erschlossen werden.

Zudem kennzeichneten sensationellerweise zwei weitere Sternenzeiger gemeinsam vier Viertelumdrehungen des Sternenhimmels.
Zuerst querte VEGA, der äußerste der damaligen Zirkumpolarsterne, in Horizontnähe den Nordpunkt (N). Seine Bahn ließ sich gerade noch komplett über der Landschaft verfolgen. Zeitgleich standen nahezu senkrecht über ihm ETAMIN / Drache und η-DRACHE. Siehe Abbildung 2.
Und genau sechs Stunden nach dem ersten Zeiger erreichte ein anderer Zeiger aus POLARIS / Kleiner Wagen und ALKAID / Großer Wagen dieselbe Position!

Nur in der Frühbronzezeit fungierten Zirkumpolarsterne als Sternenuhr

In etwa 26.000 Jahren beschreiben beide Himmelspole, wegen einer Taumelbewegung der Erdachse, annähernd eine Kreisbahn am Himmel. Infolge dieser sogenannten Präzessionsbewegung verschiebt sich das gesamte Firmament.
Trotzdem wird es in diesem langen Zeitraum kaum erneut vorkommen, dass wieder zwei Sternenzeiger Zeiteinheiten zu exakt sechs Stunden anzeigen.

Indessen lässt sich im Zusammenhang mit den Jahreszeiten leicht feststellen, dass aufgrund der Neigung der Erdachse auch die Nächte unterschiedlich lang sind. Daher gibt es in Mitteldeutschland Tage, an denen es nur wenige Stunden dunkel ist. Und folglich ist jede Nacht immer nur ein Teil der Zirkumpolarsterne sichtbar.

Hinzukommt, dass zwar alle Sterne täglich einen vollen Umschwung vollziehen, aber ein Sternentag ist 4 Minuten kürzer als ein Sonnentag. Denn, wenn wir uns einen Fixstern über dem Süd-oder Nordpunkt merken, vergehen nur rund 23 Stunden und 56 Minuten bis er wieder dort ankommt. Dies entspricht einer Drehung der Erde um die eigene Achse. Dagegen scheint die Sonne für denselben Umlauf 24 Stunden zu benötigen. Das liegt daran, dass die Erde zusätzlich zur eigenen Umdrehung noch jeden Tag die Sonne um rund 1 Grad umrundet. Demzufolge geht jeder Stern vier Minuten früher auf und unter.

Diese zeitliche Verschiebung zum Sonnenjahr bewirkt, dass wenn man einen Sternenzeiger immer zur Mitte der Nacht betrachtet, er sich jeweils zu Beginn der vier Jahreszeiten eine Viertelumdrehung weitergedreht hat, und alle Gestirne mit ihm.

Mit den Zeigersternen einer Sternenuhr, die den Nordpol als Zentrum hat, versteht man am einfachsten die Tages- und Jahresbewegung der Fixsterne.

Mehr dazu: Acht wichtige Zirkumpolarsterne

Die Himmelsrichtung Ost

Abb. 3: Sternenaufgänge in Blickrichtung Osten. https://pxhere.com/de/photo/1269068

In dieser Himmelsrichtung fallen vor allem die am Horizont pendelnden Sonnenaufgänge auf. Dieses Phänomen wird auch durch die Horizontbögen der Himmelsscheibe versinnbildlicht.

Selbstverständlich lassen sich außerdem des Nachts fortwährend Sternenaufgänge beobachten. Von einem Standort mittlerer geografischer Breite aus betrachtet, folgen nach den Zirkumpolarsternen, in Richtung OST, die ersten unterläufigen Sterne. Aber sie vollführen noch die zuvor beschriebenen linksdrehenden Kreisbögen. Je südlicher sich die Sterne allerdings emporschwingen, umso mehr strecken sich ihre Bahnen. Siehe Abbildung 3.

Der größtmögliche Umschwung erfolgt genau zwischen dem Ost- und Westpunkt. Und nur am Ostpunkt steigen die Sterne in geraden Linien schräg nach rechts auf.

Direkt anschließend, im Südosten, wird der oberirdische Teil der Sternenbahnen weiterhin kleiner. Diesmal krümmen sie sich rechtsdrehend in Richtung Himmelssüdpol.

Es ist unverkennbar, dass alle Kreisbahnen den Himmelspol als Zentrum haben. Und wir stehen im Mittelpunkt einer gleichbleibenden Drehbewegung.
Denn zuerst sehen wir im Norden die wachsenden Kreisbögen von vorne, wie sie sich gegen den Uhrzeigersinn drehen. Dann, als sie über uns ihre größten Durchmesser erreichen, wenden wir uns bei einem Blickwinkel von 90 Grad um. Darum nehmen wir im Süden die wieder kleiner werdenden Bögen von hinten wahr, die sich jetzt im Uhrzeigersinn drehen.

Ergebnis – In Blickrichtung Osten sind also nur die Sternenaufgänge von Interesse

Auf der Himmelsscheibe von Nebra kennzeichnen einerseits die Tierkreissterne SPICA / Jungfrau und HAMAL / Widder den Ostpunkt und somit den Himmelsäquator. Zusätzlich belegen sie das Wissen um den Sonnenaufgangsort an den Äquinoktien.

Des Weiteren markieren NUNKI / Schütze und REGULUS / Löwe ungefähr die Horizontstellen, wo das Tagesgestirn an den Solstitien auftauchte.

Und natürlich bieten sich die beständig gleichbleiben und präzisen Aufgangsorte der Fixsterne am Horizontkreis für allerlei andere Forschungen an.

Die Himmelsrichtung SÜD

Das Merkmal dieses Horizontbereichs sind die halbkreisförmigen Bögen der Fixsterne, deren Drehpunkt im Himmelssüdpol (HSP), unterhalb des Horizontes, liegt.

Langzeitaufnahme der Sternenbahnen in der südlichen Himmelsrichtung
Abb. 4: Sternenbahnen in Blickrichtung Süden. https://pxhere.com/de/photo/1146715

Um unterläufige Sternenbahnen zu verfolgen, eignet sich am besten ein helles Sternenpaar, das kurz nacheinander zwischen OST und SÜDOST auftaucht. Denn in dieser Region entstehen die kürzeren und niedrigeren Umlaufbahnen. Daher braucht man nicht so lange auszuharren und man muss den Kopf nicht so in den Nacken legen.

Alle Sterne erscheinen erst etwas oberhalb des Horizontes, weil ihr Licht unter Anderem von der Erdatmosphäre verschluckt wurde. Aus demselben Grund leuchten die südlichsten Sterne, auf sehr niedrigen Bahnen, nur schwach oder sie sind gar nicht zu sehen.

Zum Verständnis moderner Sternenkarten

  • Durch die ausgewählte zweidimensionale stereographische Projektion sind die Strecken und Flächen der Sternbilder verzerrt dargestellt.
  • Im Vergleich mit Landkarten sind OST und WEST vertauscht, da es sich um eine Ansicht von unten, von der Erde in Richtung Himmelsgewölbe, handelt.
  • Die rote Linie stellt die Ekliptik, die wahre Bahn der Erde um die Sonne, dar. Zugleich handelt es sich aus geozentrischer Sicht um die scheinbare Bahn der Sonne, die in der Mitte der Tierkreisbilder verläuft.
  • Der hellblaue konzentrische Bogen symbolisiert den Himmelsäquator, den ins Weltall hinaus projizierten Erdäquator. Folglich ist dieser Großkreis von beiden Himmelspolen ringsum gleichweit entfernt. Und da er das Firmament in zwei gleichgroße Hälften unterteilt, wird auch Himmelsgleicher genannt.
    Diese Tatsache fällt besonders auf, wenn die Sonne an den Äquinoktien seiner Spur folgt. An diesem Tag sieht man sie von jedem Ort der Erde aus im Ostpunkt auf- und im Westpunkt untergehen. Tag und Nacht sind gleich lang.
  • Rechtwinklig zum Himmelsäquator verläuft der Meridian, ein weiterer Großkreis, welcher den Nord- und Südpunkt sowie beide Himmelspole und den Zenit verbindet.

Wichtig für das Verständnis der Himmelsscheibe von Nebra

DER HORIZONTKREIS

  • Für die Aufgangs- und Untergangsorte der Tierkreissterne, der Sonne sowie der Planeten ist der Rand der Himmelsscheibe als HORIZONTKREIS zu deuten. Die Tierkreissterne definieren die Himmelsrichtungen, egal wie in welcher Position sie sich befindet.
  • Eine moderne runde Himmelskarte hingegen muss immer so gedreht werden, dass die jeweilige Blickrichtung mit der Himmelsrichtung am unteren Rand der Karte übereinstimmt. Zusätzlich müsste sie über den Kopf gehalten werden, da OST und WEST vertauscht sind.
  • Abbildung 2 zeigt eine solche Sternenkarte, in der der Horizontkreis ebenfalls den sichtbaren Bereich begrenzt. Es handelt sich um eine Momentaufnahme all jener Sterne, die von jenem Breitengrad aus sichtbar waren.

EINE HORIZONTLINIE

  • Um andere Bildinhalte darzustellen, erstreckt sich auf der Himmelsscheibe eine HORIZONTLINIE zwischen den Tierkreissternen, die den Ost- und Westpunkt symbolisieren. Sie teilt den Sternenhimmel in zwei Teile. Jeweils die Blickrichtung SÜD und NORD. In dem Fall dreht man auch hier die Bronzescheibe entsprechend einer der beiden Blickrichtungen. Oder man umrundet sie und stellt sich auf die andere Seite, da sie nicht über den Kopf gehalten werden muss.
  • Diese, an den Endpunkten markierte, Horizontlinie bildet in Blickrichtung Süden die Basis für die Anordnung von zwei wichtigen Sternenkonstellationen der Frühbronzezeit.
  • In den Abbildungen 4 bis 6 werden nachfolgend Teilbereiche des sichtbaren Himmelsgewölbes untersucht. Diese Sternenkarten zeigen die südlichen Sternbilder über der HORIZONTLINIE in einer Art Seitenansicht. In Blickrichtung Süden gehören die Gestirne oberhalb des Himmelsäquators eigentlich schon den nördlichen Sternen.

Ein Sternenhimmel ohne Lichtverschmutzung

Abb. 5: Der Sternenhimmel um 1950 v.Chr. in Blickrichtung Süden.

In Abbildung 5 sind die Sternpunkte vergrößert worden, da die lichtschwachen Sterne in dem kleinen Kartenformat sonst unsichtbar wären.

Hier soll nur vermittelt werden, wie herrlich eine sternenklare Nacht sein kann, wenn man in einer Gegend ist oder in eine Zeit zurückreist, in der es noch keine Lichtverschmutzung gab. Denn in dem Fall können mit dem bloßen Auge nicht nur die hellen Sterne, sondern weltweit zirka 6780 Sterne wahrgenommen werden.

Um sich zu orientieren ist es am einfachsten nur die hellsten Sterne in der Morgen- oder Abenddämmerung zu beobachten. Und zu diesen ersten nächtlichen Gestirnen gehören die Planeten.

Gruppierungen von hellen Sternen erleichtert das astronomische Verständnis und die Beobachtung von Planeten

Um beispielsweise den Stand der Sonne oder Wandelsternen zu untersuchen war es schon immer hilfreich helle Sterne zu gruppieren. Es liegt nahe, dass dies auch schon in der Frühbronzezeit zeichnerisch erfolgte. Denn dann konnte man sich ihre Beziehungen und Positionen leichter einprägen. Jedoch waren die meisten Zeichnungen wohl auf einem vergänglichen Material erstellt worden, außer der Sternenkarte auf der Bronzescheibe

Zum Vergleich nun die vorherige Sternkarte, in die diesmal Verbindungslinien und Motive zu den Namen der Sternbilder eingeblendet sind. Es wird deutlich, dass sich unser Gehirn abstrakte Dinge besser merken kann, wenn wir uns dazu Geschichten und Bilder merken. Siehe Abbildung 6.

Abb. 6: In dieser Darstellung wird deutlich wie hilfreich es ist die Sterne in Sternbilder zu gruppieren.

Abschnitte einer Sternenbahn als Zeitmesser

Die nächste Sternenkarte soll zeigen, dass an den Positionen eines ausgesuchten Sterns bestimmte Zeiträume ermitteln werden können.

In frühen Zeiten, als man schon die ersten Uhren besaß, scheint man sich Tagesbögen der Sonne oder Fixsterne ausgesucht zu haben, deren Bahnlänge einer bestimmten Zeiteinheit entsprach.

Im linken Teil der Abbildung 7 ist derselbe Himmelsauschnitt, wie zuvor, mit der gleiche Himmelsauschnitt wie zuvor, die verzerrt dargestellte Sternenkonstellation namens ˈWintersechseckˈ, abgebildet. Danach folgen zwei weitere Sternenkarten im Abstand von jeweils 4 Stunden. Jedesmal sehen wir den Stern SIRIUS in einer anderen Position. Sein Aufgang, sein Höchststand und sein Untergang könnten Zeitabschnitte von 4 Stunden kennzeichnen.

Eine kombinierte Sternenkarte zeigt 3x die Stellung des Wintersechsecks im Abstand von jeweils etwa 4 Stunden.
Abb. 7: In den drei Kartenausschnitten sieht man die hellen Sterne des Wintersechsecks. Der Aufgang, der Höchststand und der Untergang von SIRIUS ereignet sich jeweils im Abstand von rund vier Stunden.

Position der Sechseck-Konstellation – Heute und vor 4000 Jahren

Heutzutage ist unser Wintersechseck in der dunklen Jahreszeit die hellste und auffälligste Konstellation aus sechs Sternbildern. Wobei der Stern BETEIGEUZE aus dem Sternbild Orion ungefähr im Zentrum des Sechsecks leuchtet. Laut dem Computerprogramm ‘Stellarium’ steht jener Stern derzeit zur Wintersonnenwende gegen 0:15 Uhr und in einer Höhe von rund 46 ° über dem Südpunkt.
Jedoch um 1950 v.Chr. erreichte BETEIGEUZE seine mitternächtliche Hochstellung bereits ungefähr 48 Tage vor dem Wintersolstitium. Als er schließlich am Sonnenwendtag den Meridian querte, geschah dies schon gegen 20:45 Uhr und nur circa 36 ° über dem Horizont.

Dementsprechend gehört der höchste Stern des Sechsecks heute zu den Zirkumpolarsternen. Denn CAPELLA quert den Meridian in der südlichen und nördlichen Hemisphäre auf eine Höhe (H) von rund 84 ° beziehungsweise 7 °. Aber um 1950 v.Chr. war dieser Stern noch unterläufig, was bedeutet, dass er im Norden auf- und unterging. Er passierte den Meridian nur einmal auf etwa 70 °.

Beim niedrigsten Stern SIRIUS beträgt der Höhenunterschied am Meridian innerhalb von 4000 Jahren schließlich nur circa 2-3 Grad. Heutzutage hat er eine obere Kulmination von rund 22° und um 1950 v.Chr. waren es nur  19°.

All diese Verschiebungen sind größtenteils auf die rund 26.000 jährige Präzessionsbewegung zurückzuführen.

Fazit: Das Besondere an der südlichen Himmelsrichtung

Das Besondere an der Blickrichtung Süden ist, dass der gesamte Umschwung im Uhrzeigersinn erfolgt. Und dabei erreichen die Sterne im Lauf eines Jahres auf ihren parallelen Kreisbögen, in einem festen Gefüge übereinander und nebeneinander, ihren Höchststand über dem Südpunkt. Aus ihren Aufgangsorten lassen sich ihre Kulminationspunkte im Meridian abschätzen. Doch Winkelmessung am Horizontkreis können nicht so einfach die Längen der Sternenbahnen übertragen werden. Denn das Zentrum aller südlichen Gestirne ist der Himmelssüdpol unterm Horizont. Aber es wurde, was ebenfalls auf der Himmelsscheibe dargestellt ist, die Höhe der Gestirne am südlichen Meridian gemessen.

Außerdem lassen sich die Jahreszeiten am besten durch südliche Sternbilder bestimmen. Dies ist auf der Himmelsscheibe durch die Sechseck-Konstellation belegt, auf welche einen Vierteltag später (oder zur selben Uhrzeit ein Vierteljahr danach) eine Dreiecks-Konstellation folgte.
Dagegen verlagern die Zirkumpolarsterne im Jahreslauf, bei Beobachtungen zu einer festgelegten Uhrzeit, nur ihre Positionen in Bezug zum Himmelspol.

Gegenwärtig haben wir neben der Wintersechseck-Konstellation, ein Frühlingsdreieck (ARCTURUS, REGULUS, SPICA), ein Sommerdreieck (VEGA, DENEB und ALTAIR) und ein Herbstviereck (die 4 lichtschwachen Hauptsterne des Pegasus).

Mehr dazu: Zwei große Sternenkonstellationen

Ergebnis – Die Sechseck-Konstellation mit dem Zirkumpolarstern VEGA als Zeitzeiger

Der Sternenhimmel der Frühbronzezeit offenbarte ein ganz einmalige Methode einen Tag sowie das Firmament in ¼-Einheiten zu unterteilen!

Wie die Himmelsscheibe verrät, hatten nachweislich einige Sterne Zeitzeigerfunktionen: Denn wenn zwei bis drei Zirkumpolarsterne gleichzeitig übereinanderstanden, dann befanden sie sich im Meridian und zeigten vom Nordpunkt zum Nordpol.

Beispielsweise wurde ein Viertel der Nacht durch den Sternenzeiger mit VEGA knapp über dem Nordpunkt angezeigt. Zusätzlich war PROCYON aus der südlichen Sechseck-Konstellation kurz nach seiner Passage des Meridians zu sehen. Dann, 6 Stunden später, erschien der zweite Sternenzeiger. In dem Moment war gerade eine Dreieck-Konstellation komplett sichtbar geworden und PROCYON stand an seinem Untergangsort.

Nur in der Frühbronzezeit ereignete sich folgendes astronomisches Phänomen:
Durch zwei sich abwechselnde Sternenzeiger ließen sich die Viertelumdrehungen einer Sternenuhr und des Firmamentes genau justieren.

Die Himmelsrichtung WEST

Abb. 8: Sternenuntergänge in Blickrichtung Westen. https://pxhere.com/de/photo/1037102

Auf dieser Langzeitaufnahme (Abbildung 8) sieht man wie alle Sterne am winterlichen Abendhimmel eine Lichtspur hinterlassen. Diesmal allerdings in einem schräg absteigenden Neigungswinkel zum westlichen Horizont.

Im Grunde sehen wir nur den letzten Abschnitt des Bewegungsmusters, das im Osten begann und dessen Zentrum im Süden liegt.

Der Ort Leubingen, in dem vielleicht einer der Schöpfer der Himmelsscheibe begraben wurde, liegt auf dem 51. Breitengrad. Für jeden Breitengrad gilt, dass er der Höhe des Himmelsnordpols (51°) und des Himmelssüdpols unter dem Horizont (-50°) entspricht. Ebenso weit ist der Winkel zwischen einer senkrechten Linie zum Horizont und der Auf- und Untergangsrichtung eines Gestirns im Ost- und Westpunkt (51°).

Ergebnis: Auch hier stehen speziell die Untergänge einiger Tierkreises im Fokus

Im westlichen Viertel des Horizontkreises sind die gleichen Auffälligkeiten festzustellen, wie in Blickrichtung Osten, nur horizontal gespiegelt.

Für die Himmelsscheibe von Nebra lassen sich für den Westpunkt die Tierkreissterne HAMAL / Widder und ZUBENELGENUBI / Waage belegen. Diese Sterne versinnbildlichen auf der Bronzescheibe den Untergang der Sonne zur Tag-und-Nacht-Gleichen. Und DENEB ALGEDI / Steinbock und CASTOR / Zwilling kennzeichnen die Sonnenuntergangsorte an den Solstitien.

Jede Himmelsrichtung hat eigene astronomische Erscheinungen

Die Sternengruppen der Himmelscheibe sind in dieser Zeichnung je nach Blickrichtung / Himmelsrichtung unterschiedlich markiert worden.
Abb. 8: Auf der Himmelsscheibe von Nebra sind in jeder Blickrichtung unterschiedliche Sternengruppen dargestellt.

Auf der Himmelsscheibe von Nebra kennzeichnen Tierkreissterne (orange) die Auf- und Untergangsorte der Sonne am Horizontkreis. Sie repräsentieren somit verschiedene wichtige Himmelsrichtungen.

In der Nähe der Extremstellungen der Ekliptik oder der Mittellinie des Tierkreises (orangene Linien) verlaufen die Bahnen der fünf mit bloßem Auge sichtbaren Planeten (grün) sowie von Sonne und Mond.
Merkur und Venus erscheinen nur am Horizont und immer in Sonnennähe. Dagegen können Mars, Saturn und Jupiter wie der Mond auch hoch am Himmel stehen.

Hinzukommen zwei riesige Sternenkonstellationen zu unterschiedlichen Zeitpunkten. (Die rot markierten Sterne auf einer Seite der Horizontlinie.)

Abschließend offenbaren acht Zirkumpolarsterne, die sich wiederum in vier Gruppen zu unterschiedlichen Zeitpunkten einteilen lassen, das größte Geheimnis der Himmelsmechanik. (Die blau markierten Sterne auf der anderen Seite der Horizontlinie.)

Und es lassen sich auch kombinierte Sterne oder sogar ganze Gruppen eindeutig zuordnen, die zeitgleich aus gegenüberliegenden Blickrichtungen, eine Rolle spielten.

All diese hört sich unglaublich an, ist aber wahr und nachprüfbar!

Welch enorme Meisterleistung all diese im Grunde einzelnen Sternenkarten in nur einer einzigen Karte zu kombinieren! Und das mit dem Ziel, dass ein fremder Sternenkundiger den Bildinhalt trotz diesen vielfältigen Anforderungen noch entschlüsseln kann.

Die Namen der Sterne, die damals die Himmelsrichtungen kennzeichneten

Diese Interpretation der Himmelsscheibe von Nebra mag zuerst unglaublich klingen. Doch wie wir auch in diesem Beitrag gesehen haben, gibt es logische Verknüpfungen und eindeutige Hinweise zwischen einzelnen Symbolen und Sterngruppen. Dadurch ließ sich der gesamte Bildinhalt, im Rückblick, doch relativ einfach und schlüssig erschließen:
Im Süden ziehen Sternbilder mit zeitlicher Fixierung. Im Osten und Westen zählen nur die Auf- und Untergangsorte. Im Norden umkreisen Sterne den Nordpol.

Der Stern VEGA kennzeichnet, zwecks der Zugehörigkeit zum Wintersechseck und weil kein horizontnaher Stern über dem Südpunkt existiert, die Himmelsrichtung SÜD.

Jedoch tatsächlich steht der Zirkumpolarstern VEGA eindeutig für die Himmelsrichtung NORD, wie die Himmelsscheibe von Nebra zweifelsfrei bezeugt!

Auch die Himmelsrichtungen OST Und WEST sind horizontnah durch die Sterne SPICA / Jungfrau und HAMAL / Widder sowie erneut durch HAMAL / Widder und ZUBENELGENUBI / Waage definiert worden. Sie haben die Aufgabe die Horizontorte der Sonne an den Äquinoktien darzustellen.

Zudem symbolisieren NUNKI / Schütze und DENEB ALGEDI / Steinbock die Sonnenorte zur Wintersonnenwende sowie REGULUS / Löwe und CASTOR / Zwilling jene zur Sommersonnenwende.


  • 1
    Meller, Harald (2005). Der Körper des Königs. Der geschmiedete Himmel. Konrad Theiss Verlag. S. 96.