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Die 4 Extremstellungen des Tierkreises

Die scheinbare Bahn der Sonne oder die Ekliptik verläuft in der Mitte des >Tierkreisbandes<. Sie verschiebt sich täglich zur selben Zeit betrachtet um vier Minuten, wodurch man im Laufe eines Sonnenjahres an den vier >Jahreseckpunkten< auch ihre vier Extremstellungen beobachten kann.  

Es wurden auf der Himmelsscheibe vermutlich zuerst die Extremstellungen der Sonne anhand heller Sterne des Tierkreises dargestellt.
Auf der Himmelsscheibe von Nebra wurde vermutlich Extremstellungen der Sonne zuerst die anhand heller Sterne des Tierkreises dargestellt.

Diese Extremstellungen konnten, besser als an der Sonne (weil in vielen klaren Nächten und nicht nur an wenigen Tagen), anhand jeweils eines hellen, ungefähr zeitgleich sichtbaren Sternenpaares aus zwei Tierkreisbildern erkannt werden (hier durch orangene Linien verbunden).  Ein Stern zeigte im Osten den Anfang und ein anderer das westliche Ende der Ekliptik an.

Um 1950 v.Chr. konnte in Mitteldeutschland in den Nächten um die Solstitien, in der Nähe der Visurpunkte der Sonnenauf- und Untergänge am Horizont, entweder die östlich oder westliche Schrägstellung der Ekliptik, durch jeweils ein zeitgleich sichtbares südliches und nördliches Sternenpaar beobachtet werden. In der Frühbronzezeit standen sich am Horizontkreis diagonal gespiegelt gegenüber: Deneb Algedi / Steinbock + Regulus / Löwe sowie Pollux / Zwillinge + Nunki / Schütze.

An den Äquinoktien standen nachts zeitgleich je zwei helle Tierkreissterne nahe der Ekliptik ziemlich genau über den Ost- und Westpunkten. Diese waren nur einen kurzen Moment lang an horizontal gespiegelten Horizontpunkten zu sehen. Damals zeigten folgende Sterne die Hoch- oder Flachstellung der Ekliptik an: Spica / Jungfrau + Hamal /Widder sowie Hamal / Widder + Zubenelgenubi /Waage.

Somit symbolisieren diese Sternenpaare alle Extremstellungen des Tierkreises, die aber auch in anderen Nächten zu sehen waren.

Mehr dazu: Sterne in der Nähe der Ekliptik

 

 

Die Sonnen- und Mondwenden und die Horizontbögen

 Die beiden randlichen Objekte der Himmelsscheibe von Nebra, von denen nur eines erhalten ist, deuten wir als sogenannte Horizontbögen, sie zeigen die Pendelbereiche der Sonne. Hält man die Scheibe horizontal, so bezeichnet der rechte Bogen den Bereich, innerhalb dessen die Sonne während eines Jahres aufgeht: am oberen Rand am 21. Juni und am unteren Rand am 21. Dezember. Entsprechendes gilt für die linke Seite, die Seite der Sonnenuntergänge.“ [1]
2. Phase MondwendenDurch die Horizontbögen lassen sich laut Prof. Wolfhard Schlosser exakte Himmelsrichtungen festlegen, die alle unsere bisher ermittelt Richtungen vertauschen. Norden mit Süden und Osten mit Westen. Denn nun sind die Bewegungen des Taghimmels ergänzt worden. Wenn die Sonne am Tage überm Himmelsrand steht, ist die Nacht mit den Sternen in der anderen Himmelshälfte. Deshalb wird für die neuen Symbole des Taghimmels die Bronzescheibe um 180° gedreht. Die Goldelemente des Nachthimmels sind nun wegzudenken, denn jetzt zählt nur die Sonnenbeobachtung im Pendelbereich der Auf- und Untergänge, die anhand der Horizontbögen hervorragend die bisherigen Bildinformationen ergänzen.

Harald Gränzer hat folgende Beobachtung gemacht: „Die beiden Horizontbögen der Himmelsscheibe von Nebra werden jeweils an ihren beiden Enden durch deutlich lineare Abschlüsse begrenzt. Diese linearen Begrenzungen weisen alle deutlich in eine einzige Richtung. Die einzige Ausnahme bildet der nördliche Abschluss des östlichen Bogens, der in drei linearen Begrenzungen abschließt.“ [2]
Auch wenn die Linien durch die kurzen Bogenenden der beiden Horizontbögen sich leicht variabel ziehen lassen, lässt sich nicht leugnen, dass sie alle in der Hauptrichtung auf die Kreisscheibe zeigen. Dies könnte eine Hilfestellung sein, damit wir in den Randbögen auch die Sonne erkennen.
Norbert Gasch hat dazu eine bessere Idee: „Jetzt zeigt sich, dass sich diese Randbögen auch anders interpretieren lassen, und zwar als Mondwenden. … Geht man indessen davon aus, dass die auffällige runde Markierung, allgemein als Sonne verstanden, das Zentrum der Betrachtung darstellt, wodurch man sich durch die Führung der oberen und unteren radialen Kanten der beiden Bögen auch veranlasst sehen kann, so ergeben sich zwei Winkel, die 109 und 66 Grad weit sind. Die mathematische Berechnung führt im Mittel zu einer geographischen Breite von 53,5 Grad, die refraktions- und parallaxenbereinigt etwa 52,6 Grad Nord ergibt.“ [3]

Berechnungen der geographischen Breite können nur ein ungefähres Ergebnis liefern, da die Höhe des Horizontrandes mit eingerechnet werden muss. Doch bisher wissen wir nicht, wo die Himmelsscheibe von Nebra tatsächlich gefertigt wurde, auf welcher Höhe daher der Beobachtungsort selber liegt und ob nicht  vielleicht durch Berge oder Gebirgszüge einzelne Gestirne am Horizontrand weiter südlich auf- und untergehen.

Wir stellen auch fest, dass sich der Standort des Beobachters auf der Himmelsscheibe geändert hat! Zuvor haben wir gedanklich im Mittelpunkt der Nord-Süd- und Ost-West-Achse gestanden. Zur Beobachtung der Mondwenden haben wir nun die Erde mit dem Horizontkreis um uns herum verlassen und sind in den Mittelpunkt der goldenen Kreisscheibe >gewandert<. Diese goldene Kreisscheibe symbolisierte zuvor die Sonne und / oder den Vollmond. Doch die Winkel der Mondwenden zeigen, wie die Horizontbögen, annähernd denselben Breitengrad der Erde! Symbolisiert die Kreisscheibe demnach nun auch die Erde?

Da für die beiden großen Kreiselemente verschiedene Interpretationsmöglichkeiten zutreffen, die sich gegenseitig widersprechen, scheinen nun auch die Randbögen eine doppelte Bedeutung zu haben.


[1] Harald Meller (2005), “Der geschmiedete Himmel” – Wolfhard Schlosser: Die Himmelsscheibe von Nebra – Astronomische Untersuchungen
[2]
Harald Gränzer, Das goldene Tor der Ekliptik,  www.analogika.info/nebra/interpret.html
[3]
Norbert Gasch,
Eine vollständige Interpretation, www.astronomie.de/bibliothek/artikel-und-beitraege/himmelsscheibe-von-nebra/eine-astronomische-interpretation/

Mehr dazu: Die beiden Randbögen

Stonehenge auch ein Zählkalender?

Die Blau- und Sarsensteine von Stonehenge wurden 2300-1930 v. Chr. errichtet. [1]
Eine gründliche Untersuchung verweist vielmehr auf eine spätere Datierung.  Es kann sein, dass die Errichtung der Sarsensteine in die Frühbronzezeit um 1750-1600 v. Chr. gehört und tatsächlich zeitgenössisch mit der Himmelsscheibe von Nebra ist. [2]

Folgende markante Himmelserscheinungen sind in Stonehenge in Szene gesetzt worden:

Stonehenge Sarsentrilithen mit VisierachsenIn der Abbildung [4] sind die Blausteine blau und die Sarsensteine rot dargestellt, wobei die heute noch an ihrer Stelle befindlichen Steine dunkler sind.

Die Hauptachse der Steinsetzungen im Inneren des Walls verläuft, wenn man im Mittelpunkt der Anlage steht, im Nord-Osten über den Fersenstein in Richtung Sonnenaufgang am Tag der Sommersonnenwende oder vom Zentrum in Richtung Süd-West zum Sonnenuntergang zur Wintersonnenwende.

Die Sarsen- und die Blausteine repräsentieren vor allem auch ein reines Sonnen-und Mondjahr (12×30 = 360 + 5; 6×59 = 354 Tage) sowie je ein Lunisolarjahr (354 + 11).
Die Sarsensteine wurden aus den Marlborough Downs, ungefähr 30km nördlich von Stonehenge, geholt. Ursprünglich hatten sie bei ihrer Errichtung einen natürlichen rötlichen Schimmer, was auf einen Bezug zur Sonne hinweisen könnte. Die Blausteine stammen alle aus einem Quellgebiet in den Presli-Mountains, im Westen von Wales, etwa 240km von Stonehenge entfernt. Sie könnten in der Anlage Mondeigenschaften symbolisieren, da der Mond, wie alle Menschen in Südengland sicherlich wussten, einen sichtbaren Einfluss auf das Wasser, die Gezeiten, hat. Den grünlichen Altarstein holten die Erbauer von der Küste bei Milford Haven in Pembrokeshire (Südwales), was wiederum einen direkten Bezug vom Meer zum Mond herstellt.
Wärme, Licht und Wasser, symbolisch Sonne und Mond, sind die Grundlage für alles Leben auf der Erde.

Ein reines Sonnenjahr konnte an den 30 Sarsensteinen in ganzen Tagen eines aufgerundeten Monats gezählt werden. Da hier kein Stein auf der Hauptachse steht und auch keine Anfangsöffnung vorhanden ist, zählte man fortlaufend 12 x 30 Sonnentage und ergänzte diese 360 Tage mit den 5 Trilithenpaaren, um das Sonnenjahr zu vollenden. Auf den Altarstein, der mittig vor beiden Hufeisen, auf der Achse und fast im Zentrum der Anlage stand, fiel zur Sommersonnenwende direkt das Licht der aufgehenden Sonne und vielleicht war dies der Jahresanfang.

Ein reines Mondjahr begann an der breiteren Öffnung in Blausteinkreis, die etwa mittig gegenüber den beiden hufeisenförmigen Steinformationen liegt. Da der 30. Blaustein auffälligerweise direkt hinter dem höchsten »Trilithentor« und mit dem Altarstein auf der Hauptachse steht, wodurch er scheinbar halbiert wird, mussten hier eher die 59 Zwischenräume gezählt worden sein. Jeden Tag wurde ein Markierungsstein eine Öffnung weitergesetzt. Nach 6x 59 oder 354 Tagen begann ein neues Mondjahr, das sich jährlich um 11 Tage versetzt durch die Jahreszeiten verschob. Da in diesem Kalender nur der 1. Vollmond am Jahresanfang in Szene gesetzt werden konnte, könnten auch die Tage der Mondwenden und die Mittelstellung über dem Altarstein als Festtage in Frage kommen. Dies wären dann in einem Jahr ebenfalls fünf Feiertage.

Für ein gebundenes Mondjahr oder Lunisolarjahr gab es mindestens zwei Möglichkeiten:
Entweder fing man an der breiteren Öffnung des Blausteinkreises an, zählte die »Mondsteine« im Kreis, 6x 60, und vereinte das Mondjahr mit dem Sonnenjahr durch die Hinzunahme der 5 »Sonnen-Trilithen«.
Es war aber auch möglich wie zuvor sechsmal die 59 Zwischenräume der Blausteine zu verwenden, zu denen dann die einzelnen 10 »roten« Sonnensteine des großen Hufeisens ergänzt wurden und vollendete das Jahr mit dem »grünen« Altarstein. Diese Kalenderzählung passt recht gut zur Himmelscheibe von Nebra, wo das Jahr mit der Wintersonnenwende oder nach den folgenden 11 zusätzlichen Tagen begann. Bei der Einführung dieses Lunisolarkalenders könnten die jeweils 5 Feiertage des gebundenen Mond- und Sonnenjahres zuzüglich eines gemeinsamen Tages zu Festtagen erklärt worden sein.

Alle Kalendersysteme mussten an den Tag-und-Nacht-Gleichen auf ihre Genauigkeit überprüft werden und alle 4 Jahre war ein zusätzlicher Schalttag nötig. Diese Sonnenstellungen könnten beispielsweise laut Gerald Stanley Hawkins anhand der Ortungslinien über den Positionssteinen 93 und F, oder 94 und B, erfolgt sein. [5]

Somit war vielleicht für zwei verschiedene Glaubensrichtungen im Volk, für die Sonnen- und Mondanhänger, ein gemeinsamer heiliger Ort geschaffen worden, an dem der Jahreslauf den jeweiligen »Religionen« entsprechend gezählt und die Tage zwischen beiden Kalendersystemen zusammen gefeiert werden konnten.


[1] Julian Richards: Stonehenge. English Heritage. 2005
[2] Richard J. Harrison. Stonehenge in the Early Bronze Age. In: Harald Meller / Francois Bertemes (Hrsg.), Der Griff nach den Sternen – Wie Europas Eliten zu Macht und Reichtum kamen. Internationales Symposium in Halle (Saale), 16.-21. Februar 2005. Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle, Band 5/1/2010: S. 973-987.
[3] aus dem Film: Stonehenge – Sternenkult der Steinzeit, NDR 2003
[4] ergänzte Zeichnung aus “Stonehenge und benachbarte Denkmäler”, R.J.C. Atkinson, 1987, English Heritage
[5] Rolf Müller. Der Himmel über den Menschen der Steinzeit. Abbildung S. 54

Mehr dazu: Stonehenge und Sonnen- und Mondkalender

 

 

Stonehenge: Die Hufeisen und der goldene Sonnenbogen

Die tagesgenaue Wiederkehr im Sonnen- und Mondlauf, mit derselben Erscheinung und an derselben Stelle, wurde in Stonehenge durch zwei Hufeisenformationen feierlich in Szene gesetzt.

Stonehenge Sarsentrilithen mit VisierachsenDie 5 hufeisenförmig angeordneten und unterschiedlich hohen »Trilithentore« stellen, wie die drei geritzten Bögen des goldenen Sonnenbogens auf der Himmelsscheibe von Nebra, den Jahreslauf der Sonne dar: von den niedrigen Tagesbögen im Winter, über die mittleren Bögen um die Äquinoktien, bis zu den hohen Sommerbögen mit der Sommersonnenwende und zurück; oder den Winter, den Frühling, den Sommer, den Herbst, wieder den Winter und dazwischen liegt mitten im Sommer, vom Fersenstein aus in Blickrichtung Sonnenuntergang zur Wintersonnenwende, der Jahresanfang, der Beginn des neuen Sonnenjahres und des Lunisolarjahres.

Die 19 Blausteine des Hufeisens zeigen die Jahre an, die es dauert bis das Licht des Vollmondes bei seinem Aufgang zur Wintersonnenwende wieder genau auf den Altarstein scheint, 9-9→1. Denn der Mond verändert täglich seine Lichtgestalt und dabei wandert er zugleich von Westen nach Osten durch den Tierkreis, wobei er täglich in der Nähe eines anderen Sterns steht. Daher ist ein Vollmond erst nach 19 Jahren und etwa 2 Stunden wieder tagesgenau in derselben Gestalt neben demselben Stern zu sehen oder an derselben Stelle des Tierkreises. Diesen Mondzyklus nennt man Metonischen Zyklus, da er um 450 v. Chr. von dem Athener Meton errechnet wurde.

Lionel Sims hat auf ein weiteres spektakuläres Ereignis hingewiesen, dass nur vom Fersenstein aus beobachtet werden konnte. Etwa alle 19 Jahre strahlte für jeweils 6 Monate vor und nach der Kleinen Mondwende, also ein ganzes Jahr lang, einmal pro Monat das Licht des untergehenden Mondes durch das obere der beiden Fenster, die sich vom Fersenstein aus gesehen scheinbar im hohe »Trilithentor« öffnen. [1]

Zudem könnten die 19 Steine dieser Formation auch eine Zahlenfolge aus 9 und 10 für die Beobachtung der Mondwenden mit ihren Finsterniserscheinungen enthalten.


[1] Aus dem Film: Stonehenge – Sternenkult der Steinzeit, NDR 2003.

Mehr dazu: Der Jahreslauf der Sonne – Die Hufeisen und der Sonnenbogen