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Die acht Zirkumpolarsterne

1. Phase Blickrichtung NordenAuf der Himmelsscheibe von Nebra liegt der unsichtbare Nordpol genau über dem Nordpunkt und seine Höhe ist durch den Mittelpunkt der Kreisbahn des äußersten, knapp über dem Horizont kreisenden, Zirkumpolarsternes (8) definiert. Von diesem Mittelpunkt aus, ziehen wir auch durch alle anderen sieben Zirkumpolarsterne Kreislinien.
Vergleichen wir nun die Abstände der (im maßstabgerechtem Poster der Himmelsscheibe) eingezeichneten Kreisbahnen, mit den im Computerprogramm >Stellarium< für 1950 v. Chr. angegebenen Höhenangaben der Sterne überm Horizont (Altitude), stellen wir fest, dass die Abstände ziemlich ähnlich sind. Nummerieren wir die acht Sterne entsprechend ihrer Entfernung vom Himmelspol, liegen die geraden Zahlen links und die Ungeraden rechts des Meridians.

alle ZirkumpolarsterneIn der Computer-Himmelskarte sehen wir, dass die Lage der Sterne niemals mit den Positionen der Sterne der Himmelsscheibe übereinstimmt. Aber die markierten Sterne überschreiten den Meridian jeweils in Paaren zeitlich nahe nacheinander, und zwar: 1 Kocab / Kl. Wagen + 4 Polaris / Kleiner Wagen, 3 Alkaid / Gr. Wagen + 2 η- Drache, 5 Etamin / Drache + 6 Alderamin / Kepheus, 7 Alphekka / nördliche Krone + 8 Vega / Leier.
Von den 4 Sternenpaaren überqueren zuerst die >ungeraden< Sterne 1, 3, 5 + 7 den Meridian; danach ihre Partnersterne 2, 4, 6 + 8, wie auf der Himmelsscheibe.

Folgende Reihenfolge und eventuell Höhenwinkel (Altitude) der Sterne sollte man gekannt haben, wenn man in der Frühbronzezeit vom 51. Breitengrad in den Süden reiste: Vega 2°; Alphekka 6°; Alderamin 11°; Etamin 17°; Polaris 29°; Alkaid 32°; η- Drache 33°; Kocab 44°; Nordpol 51°. Die Höhe des Nordpols über dem Horizont entspricht dem jeweiligen Breitengrad.
Ein Reisender brauchte sich nur die Höhe des jeweils untersten hellen Zirkumpolarsterns für seinen Heimatort zu merken. Denn dieser gehörte, wenn er nach Süden reiste, bald darauf nicht mehr zu den Zirkumpolarsternen.

Mehr dazu: Acht wichtige Zirkumpolarsterne

Die Sonnen- und Mondwenden und die Horizontbögen

 Die beiden randlichen Objekte der Himmelsscheibe von Nebra, von denen nur eines erhalten ist, deuten wir als sogenannte Horizontbögen, sie zeigen die Pendelbereiche der Sonne. Hält man die Scheibe horizontal, so bezeichnet der rechte Bogen den Bereich, innerhalb dessen die Sonne während eines Jahres aufgeht: am oberen Rand am 21. Juni und am unteren Rand am 21. Dezember. Entsprechendes gilt für die linke Seite, die Seite der Sonnenuntergänge.“ [1]
2. Phase MondwendenDurch die Horizontbögen lassen sich laut Prof. Wolfhard Schlosser exakte Himmelsrichtungen festlegen, die alle unsere bisher ermittelt Richtungen vertauschen. Norden mit Süden und Osten mit Westen. Denn nun sind die Bewegungen des Taghimmels ergänzt worden. Wenn die Sonne am Tage überm Himmelsrand steht, ist die Nacht mit den Sternen in der anderen Himmelshälfte. Deshalb wird für die neuen Symbole des Taghimmels die Bronzescheibe um 180° gedreht. Die Goldelemente des Nachthimmels sind nun wegzudenken, denn jetzt zählt nur die Sonnenbeobachtung im Pendelbereich der Auf- und Untergänge, die anhand der Horizontbögen hervorragend die bisherigen Bildinformationen ergänzen.

Harald Gränzer hat folgende Beobachtung gemacht: „Die beiden Horizontbögen der Himmelsscheibe von Nebra werden jeweils an ihren beiden Enden durch deutlich lineare Abschlüsse begrenzt. Diese linearen Begrenzungen weisen alle deutlich in eine einzige Richtung. Die einzige Ausnahme bildet der nördliche Abschluss des östlichen Bogens, der in drei linearen Begrenzungen abschließt.“ [2]
Auch wenn die Linien durch die kurzen Bogenenden der beiden Horizontbögen sich leicht variabel ziehen lassen, lässt sich nicht leugnen, dass sie alle in der Hauptrichtung auf die Kreisscheibe zeigen. Dies könnte eine Hilfestellung sein, damit wir in den Randbögen auch die Sonne erkennen.
Norbert Gasch hat dazu eine bessere Idee: „Jetzt zeigt sich, dass sich diese Randbögen auch anders interpretieren lassen, und zwar als Mondwenden. … Geht man indessen davon aus, dass die auffällige runde Markierung, allgemein als Sonne verstanden, das Zentrum der Betrachtung darstellt, wodurch man sich durch die Führung der oberen und unteren radialen Kanten der beiden Bögen auch veranlasst sehen kann, so ergeben sich zwei Winkel, die 109 und 66 Grad weit sind. Die mathematische Berechnung führt im Mittel zu einer geographischen Breite von 53,5 Grad, die refraktions- und parallaxenbereinigt etwa 52,6 Grad Nord ergibt.“ [3]

Berechnungen der geographischen Breite können nur ein ungefähres Ergebnis liefern, da die Höhe des Horizontrandes mit eingerechnet werden muss. Doch bisher wissen wir nicht, wo die Himmelsscheibe von Nebra tatsächlich gefertigt wurde, auf welcher Höhe daher der Beobachtungsort selber liegt und ob nicht  vielleicht durch Berge oder Gebirgszüge einzelne Gestirne am Horizontrand weiter südlich auf- und untergehen.

Wir stellen auch fest, dass sich der Standort des Beobachters auf der Himmelsscheibe geändert hat! Zuvor haben wir gedanklich im Mittelpunkt der Nord-Süd- und Ost-West-Achse gestanden. Zur Beobachtung der Mondwenden haben wir nun die Erde mit dem Horizontkreis um uns herum verlassen und sind in den Mittelpunkt der goldenen Kreisscheibe >gewandert<. Diese goldene Kreisscheibe symbolisierte zuvor die Sonne und / oder den Vollmond. Doch die Winkel der Mondwenden zeigen, wie die Horizontbögen, annähernd denselben Breitengrad der Erde! Symbolisiert die Kreisscheibe demnach nun auch die Erde?

Da für die beiden großen Kreiselemente verschiedene Interpretationsmöglichkeiten zutreffen, die sich gegenseitig widersprechen, scheinen nun auch die Randbögen eine doppelte Bedeutung zu haben.


[1] Harald Meller (2005), “Der geschmiedete Himmel” – Wolfhard Schlosser: Die Himmelsscheibe von Nebra – Astronomische Untersuchungen
[2]
Harald Gränzer, Das goldene Tor der Ekliptik,  www.analogika.info/nebra/interpret.html
[3]
Norbert Gasch,
Eine vollständige Interpretation, www.astronomie.de/bibliothek/artikel-und-beitraege/himmelsscheibe-von-nebra/eine-astronomische-interpretation/

Mehr dazu: Die beiden Randbögen

Höhenwinkel von der aus Erde vermessen

Höhenwinkel mit TierkreisbandÜber uns, direkt über dem Kopf des Beobachters, befindet sich der Zenit.
Die Höhe des Nordpols über dem Horizont entspricht dem jeweiligen Breitengrad der Erde. (Der Fürst von Leubingen, der vermutliche Schöpfer der Himmelsscheibe, lebte auf dem 51. Breitengrad.)
Der Himmelsäquator steht zum Nordpol im 90°-Winkel.
B
eiderseits des Äquators erstreckt sich bis mindestens 23,5° das breite Band des Tierkreises (gelber Bereich). Einzelne helle Sterne der Tierkreisbilder reichen aber noch darüber hinaus.

Die wichtigsten astronomischen WinkelIn einer Abbildung der Himmelsscheibe von Nebra kennzeichnen wir die, uns inzwischen bekannte Stelle des Nordpols und ziehen von dort eine Verbindungslinie zum Mittelpunkt der goldenen Kreisscheibe. Dann tragen wir 51° vom Nordpol nach rechts ab und zeichnen die Horizontlinie, die Erdoberfläche. Auf der anderen Seite des Himmelspols befindet sich auf 39° der Zenit, der exakt mit einem Ende einer linearen Begrenzung des Horizontbogens zusammenfällt! Daran schließen sich drei 30°-Winkel an, deren Verbindungslinien einen Bezug zur Sichel aufweisen. Dies könnte auch der Grund sein, warum die Sichel so sehr viel größer gefertigt wurde als die Kreisscheibe. Denn vom Mittelpunkt der Kreisscheibe zu den Sichelspitzen sollten eindeutig drei 30°-Winkel zu erschließen sein.

Knicken wir nun die Abbildung der Himmelsscheibe an der Horizontlinie und falten den dunklen unsichtbaren Nachtbogen der Sonne nach hinten weg, erhalten wir ein halbiertes Himmelsgewölbe. Wir blicken sozusagen nach Westen. Nun falten wir die Abbildung noch einmal an der Zenitlinie (die nicht die Mittellinie des Halbkreises ist!) und erhalten einen perfekten 90°-Winkel.

– Man war anscheinend dahintergekommen, dass, wenn man die Linien vom Beobachtungsort zu den 90° Markierungen auf einem Kreisrand einzeichnete, und diese Kreisschnittpunkte verband, 4 gleich große Dreiecke erhielt. Alle Linien dieser Dreiecke waren gleich lang und alle Winkel betrugen 90°, die wiederum in 3x 30° unterteilt wurden.

– Der Viertelkreis mit den 30°- Segmenten erinnert an einen Quadranten, der zur Höhenmessung der Gestirne über dem Horizont genutzt wurde.

The Nebra Sky Disk contains also angles, from the zenith to the horizon, that reminds us of a quadrant.

[1] Abb. Pendelquadrant.

– Betrachten wir die Winkel der Mondwenden dann ist die goldene Kreisscheibe als Symbol für die Erde in einer Draufsicht und für die Höhenwinkel in einer Seitenansicht zu sehen. Somit gibt es zwei Ansichten desselben Symbols und die Erde ist vermutlich als dreidimensionale Kugel erkannt worden, wie wir sie schon bei der Mondfinsternis wahrgenommen haben!

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[1] Abb. Pendelquadrant. Gerstenberg Verlag (2003). Astronomie- Die Geheimnisse des Universums; aus der Reihe: sehen – staunen- wissen.

Mehr dazu: Die Kreisscheibe symbolisiert auch die Erde