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Die Himmelsscheibe symbolisiert auch die Extremstellungen des Tierkreises

Es wurden auf der Himmelsscheibe vermutlich zuerst die Extremstellungen der Sonne anhand heller Sterne des Tierkreises dargestellt.
Es wurden auf der Himmelsscheibe vermutlich zuerst die Extremstellungen der Sonne anhand heller Sterne des Tierkreises dargestellt.

Stellen wir uns gedanklich in die Mitte der Bronzescheibe, so scheint ihr Rand den Horizontkreis am Standort des Beobachters zu symbolisieren. Die sechs in der Zeichnung orange markierten Sterne könnten ungefähr die Enden der Extremstellungen des Tierkreises anzeigen.

Der Zodiakus erreicht:
* eine Hochstellung, vom Ostpunkt bis zum Westpunkt
* eine westliche Extremstellung von Südost nach Nordwest
* eine Flachstellung, wiederum vom Ostpunkt zum Westpunkt
* eine östliche Extremstellung von Südwest nach Nordost

Er wird aus zwölf Sternbildern gebildet. Je sechs Tierkreissternbilder erreichen im Laufe eines halben Jahres nacheinander immer höhere Umlaufbahnen. Danach folgen die sechs anderen auf immer niedrigeren Bahnen. Diese veränderlichen Höhen spiegeln den scheinbaren Jahreslauf der Sonne, vom  niedrigsten zum höchsten Tagesbogen und zurück.

Da die Erde die Sonne in 24 Stunden umrundet, ereignen sich in diesem Zeitraum auch alle vier Extremstellungen des Tierkreises. Aber im Laufe einer Nacht sind immer nur sechs Tierkreissternbilder gleichzeitig am Firmament sichtbar. Ständig erhebt sich am östlichen Horizont ein neues, während im Westen ein anderes untergeht. Das bedeutet, dass der Zodiakus als eine in Wellen verlaufende Erscheinung wahrgenommen wird. Die Positionen der Tierkreissternbilder verschieben sich permanent, was besonders am Horizont auffällt. Nach jeweils 6 Stunden passiert der Tierkreis, nur für einen kurzen Augenblick, seine nächste Extremstellung.

Aber die Sterne in Horizontnähe sind nur sichtbar, wenn die Sonne unter dem Horizont in einer ausreichenden Tiefe steht. Daher können Tierkreissterne erst eine Weile nach dem Sonnenuntergang auf die nächste Extremstellung der Ekliptik hinweisen.

Beispielsweise erreichte in der Nacht nach Wintersonnenwende zuerst SPICA den Ostpunkt auf einer Höhe von rund 13 Grad. Zeitgleich erlosch HAMAL im Dunst der Erdatmosphäre über dem Westpunkt. Da in deren Nähe keine anderen hellen Tierkreissterne entlang der Ekliptik existieren, konnte die eigentliche Hochstellung nicht wahrgenommen werden. Sie erfolgte rund eine Stunde später.

Die Sonnenauf- und Untergangsorte der vier Jahreseckpunkte werden durch diese Sternensymbole markiert

Alle vier Extremstellungen des Tierkreises erfolgen in 24 Stunden

Sehen wir uns nun exemplarisch die Situation zur Wintersonnenwende an. An jenem Tag lief die Sonne auf ihrer niedrigsten Umlaufbahn von Südost nach Südwest. Ihr Tagesbogen begann, als die Ekliptik die westliche Schrägstellung erreichte. Mittags trat die Flachstellung und abends östliche Schrägstellung ein. Es war der kürzeste Tag des Jahres.

Aber die Sterne blieben in den Dämmerungszeiten immer eine gewisse Zeit unsichtbar, da das Sonnenlicht sie überstrahlte. Je nach ihrer Leuchtkraft mussten sie ein paar Grad über und zusätzlich die Sonne weit unter dem Horizont stehen. Aus diesen Gründen konnte nach Sonnenuntergang erst die folgende Extremstellung der Ekliptik anhand von zwei Sternen erkannt werden.
In der Frühbronzezeit erfolgte dies, bis auf eine Ausnahme, nachdem bestimmte helle Zirkumpolarsterne den Meridian passiert hatten. – Diese nördlichen Sterne sind auch auf der Himmelsscheibe von Nebra dargestellt.

Tierkreissterne können oft die Extremstellungen des Tierkreises und der Sonne markieren, aber nur sehr selten die Ekliptik

Jedoch zeigt die folgende Karte, dass die durch je zwei Sterne symbolisierten Ekliptikverläufe nicht mit den Extremstellungen völlig übereinstimmten. Das absolute Extrem stand noch bevor oder war schon vorbei. Denn die Teilstrecken der Ekliptik zwischen SO und NW, NO und SW sowie O und W sind durch die extremen Horizontorte der Sonne eindeutig begrenzt.

Aber die Sterne befinden sich nicht genau an den Enden dieser Teilstrecken. Sie stehen in der Regel weiter östlich oder westlich davon sowie zusätzlich nördlich oder südlich der Ekliptik.
Aber damals zählte wohl nur die visuelle Erscheinung, welche Sterne möglichst genau die markanten Horizontpositionen der Sonne markierten. Dass dies zeitlich nicht mit der nächsten Extremstellung zusammenfiel war offensichtlich unwichtig und konnte ja auch nicht gemessen werden. Es ging den Schöpfern der Himmelsscheibe darum, das Wissen um die Bewegung des Tierkreises darzustellen.

Extremstellungen der Sonne und annähernd die zeitlich nächste Extremstellung des Tierkreises.
Da die Erde die Sonne in 24 Stunden umrundet, ereignen sich in diesem Zeitraum auch alle vier Extremstellungen des Tierkreises. Aber die Sterne in Horizontnähe können erst sichtbar werden, wenn die Sonne schon eine Weile unter dem Horizont verschwunden ist. Daher können die Tierkreissterne nach Sonnenuntergang natürlich nur die nächste Extremstellung der Ekliptik anzeigen. Diese Situation ist auch auf der Himmelscheibe von Nebra dargestellt.

In dieser Abbildung habe ich verschiedene Sternenkarten kombiniert. Die Basiskarte zeigt die Tierkreissterne SPICA und HAMAL, die am Tag der Wintersonnenwende nach Sonnenuntergang der Sonne vorausgingen oder folgten. Sie wurden in der Karte gelb-orange hervorgehoben sowie auch die sechs Sterne, die an den der drei anderen Jahreseckpunkten erschienen. Jeweils ein Sternenpaar ist in der Karte durch eine rote Linie verbunden, die die Ekliptik anzeigt. Diese Sterne symbolisieren die scheinbare Bahn der Sonne und / oder die Extremstellungen des Tierkreises.

Achtung: In einer heutigen Sternenkarte befindet sich Osten rechts und Westen links! Obwohl ich dies genau weiß, vergesse ich es leider immer wieder mal, da ich viel mit Landkarten arbeite.

So heißen die Sterne vor den Horizontbögen der Himmelsscheibe, die nach Sonnenuntergang an den Extremstellungen der Ekliptik erschienen

Die Namen der hellen Tierkreissterne, die auf der Himmelsscheibe abgebildet sind.

Zur Wintersonnenwende ging die Sonne im Südwesten unter und markierte in dem Moment exakt die östliche Schrägstellung der Ekliptik.
Nach rund 8 Stunden verkündeten zwei helle Tierkreissterne das nächste Extrem, die Hochstellung. Es erschienen zeitgleich die Sterne SPICA über dem Ostpunkt sowie HAMAL am Westpunkt.

In der Nacht des Sommersolstitiums wandert die Sonne auf ihrer höchsten Bahn von Nordost nach Nordwest. Aber zum Zeitpunkt ihres Untergangs trat die westliche Schrägstellung ein.
Circa 4 Stunden danach zeigte sich erneut HAMAL, aber diesmal im Ostpunkt. Rund 20 Minuten später erlosch ZUBENELGENUBI beim Westpunkt, kurz vor der Flach- oder Tiefstellung.

Da diese drei Sterne an denselben Visierpunkten zu beobachten waren, scheinen sie auf der Himmelsscheibe nur durch zwei Sternensymbole mittig vor den Horizontbögen dargestellt zu sein.

Zur Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche verschwand unser Tagesgestirn genau im Westen, zur Hochstellung der Ekliptik.
Nach etwa 8 Stunden erfolgte die westliche Extremstellung. Zuerst wurde der NUNKI im Südosten sichtbar und etwa 3 Minuten später CASTOR auf 310° im Nordwesten.
(POLLUX erschien ebenfalls auf 310°, aber erst um 00:07 Uhr. Dafür war er nur 3° über dem Horizont sichtbar, weshalb sich sein Standort besser anpeilen ließ. Eigentlich waren in der Frühbronzezeit CASTOR und POLLIX dazu geeignet das nordwestliche Ende der Extremstellung zu kennzeichnen.)

Zum Herbst-Äquinoktium als die Sonne wieder am Westpunkt abtauchte, war die Tiefstellung erreicht.
Ungefähr 3 Stunden später symbolisierte DENEB ALGEDI, etwas zu südlich, das südwestliche Ende der östlichen Schrägstellung. REGULUS ging erst rund 1 ½ Stunden später im Nordosten auf. Weitere helle Tierkreissterne waren in dem Zeitraum nicht in NO zu sehen.

Von der östlichen Schrägstellung über die Hochstellung bis zur westlichen Schrägstellung vergehen jeweils rund 8 Stunden. Aber von letzerer Formation bis zur Flachstellung und zurück zur östlichen Schrägstellung dauert es nur je 4 Stunden.

Weiterlesen: Tierkreissterne nicht direkt vor den Enden der Horizontbögen