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Verwendeten die Ureinwohner Steinwerkzeuge zur Bodenbearbeitung?

Ein auffälliger Basaltstein aus der Gipfelregion Roque de los Muchachos

Im Jahr 2010 fand ich in der Nähe vom Roque de los Muchachos (Garafía, La Palma) direkt auf einem Wanderweg einen ungewöhnlichen grauen Basaltstein, der mich an ein Steinbeil erinnerte. Doch es sind hauptsächlich nur an einer der breiten Längsseiten des Steins kleine Einritzungen zu sehen. Daher scheint es plausibel, dass dieses eher grobe und stumpfe Werkzeug in irgendeiner Form mit einem Stiel verbunden war. Ferner verjüngen sich die Seitenflächen, die an den zerkratzten Rand anschließen, nach oben und ihre Oberflächen erscheinen fast flach, wie grob geschliffen. Vielleicht wurde dieser Stein ausgewählt, weil sich eine dreieckige Form besser in ein Stück Holz einstecken ließ? Die Befestigung müsste dann aber im oder am Stiel in Querrichtung erfolgt sein. Bei einer Verwendung als Schaber, Kratzer oder Hacke für Arbeiten im steinigen Erdreich würde ein derartiges Utensil immer fester in den Schaft getrieben.
Als wir das mutmaßliche Steinwerkzeug sowie zwei kleinere, feiner geschliffene Basaltsteine am Abflugtag in Santa Cruz dem Archäologen Dr. Jorge Pais übergaben, wollte er den genauen Fundort wissen und ihn mit uns besuchen.

Ein Basaltstein, dessen natürliche Form scheinbar optimiert wurde, um ihn als Werkzeug zu verwenden.
Abb. 1: Ein mutmaßliches Steinwerkzeug der Urbevölkerung aus hartem Basalt.

Ein Basaltwerkzeug aus der Talmulde Hoyo-Peña del Diablo

Bei einem der nächsten Inselaufenthalte fand ich auf dem Weg kurz vor der Hoyo-Peña del Diablo (El Paso, La Palma) ein weiteres ‘Steinbeil’ aus Grauem Basalt. Jedoch scheint dieses besser geschliffen zu sein als mein erstes Fundstück. Die schmalen Seiten des Steins sind wieder nahezu eben, während die beiden großen Flächen zugleich gewölbt sind und am breiteren Ende aufeinander zulaufen. Oberhalb der Schlagseite, an der eine Ecke vorsteht und die andere abgeplatzt ist, befinden sich lange gradlinige Einritzungen, was dafür spricht, dass der Nutzer dieses Werkzeug kraftvoll mit den Schmalseiten auf sich zugezogen hat. Denn um solch tiefe Einkerbungen zu erzeugen, benötigt man viel Schwung, was in diesem Fall für eine parallele Befestigung der Längsseiten an einem Stiel sprechen könnte. Aber, diese Verbindung scheint sich gelöst zu haben, weil schräge Kerben von der vorstehenden Ecke wegführen, während andere in ihre Richtung zeigen. Demnach müsste das Steinwerkzeug danach andersherum in den Stiel gesteckt worden sein. Wäre dies nicht der Fall würden die Ritzungen von der vorstehenden Ecke aus einerseits schräg links und anderseits schräg rechts verlaufen.
Auf jeden Fall handelt es sich nicht um ein Steinbeil oder um eine Axt zur Holzbearbeitung. Wenn der Basaltstein mit einem kurzen Stiel verbunden wäre, würde das Arbeitsgerät nur einer Hand geführt werden. Hingegen ermöglicht ein längerer Stiel kräftige Hiebe mit beiden Händen. Aufgrund der tiefen Kratzer könnte es sich vielleicht um eine schmale Hacke handeln, mit der man in festen oder steinigen Böden Furchen zur Feldbestellung erzeugte.
Obwohl dieses mutmaßliche Steinwerkzeug besser geschliffen ist und die Gebrauchsspuren eindeutiger sind, wollte Dr. Pais es nicht diesmal nicht haben. Daraufhin bat ich später eine mir vertraute Person das Objekt dem Museo Insular in Santa Cruz auszuhändigen.

Dieser Basatlstein scheint bearbeitet worden zu sein.
Abb. 2: Dieses Werkzeug wirkt wie ein Steilbeil, aber die Gebrauchsspuren lassen eine andere Verwendung vermuten.

Vor diesen palmerischen Fundstücken habe ich in Deutschland schon jungsteinzeitliche Steinbeile gefunden, die ich mit Fotos und Fundortbeschreibungen den zuständigen Archäologen meldete. Doch weil ähnliche Steinwerkzeuge aus den Gebieten schon vorhanden waren, durfte ich beide behalten. Allerdings unter der Bitte in Zukunft dafür zu sorgen, dass sie wertgeschätzt werden oder ansonsten mit dem Fundbericht bei einem Museum eingereicht würden.

Wie Basalt entsteht

Da La Palma vulkanischen Ursprungs ist, verwundert es nicht, dass überall auf der Insel verschiedenartige Basaltarten vorkommen. Denn sobald Magma in Form eines Lavastroms aus Eruptivgestein die Erdoberfläche erreicht, nimmt sie die Form eines erstarrenden Flusses an. Je nach Mineralkombinationen, Gasgehalt und Fließgeschwindigkeit bilden sich unterschiedliche Typen heraus. Wenn die Masse langsam abkühlt, führt dies zur Bildung von grobkörnigeren Kristallen. Aber erstarrt sie dagegen schnell, so entwickeln sich für das Auge meistens ausschließlich unsichtbar kleine Mineraleinschlüsse. Das ist der Grund warum Basalt aus einem feinkörnigen, scheinbar homogenen Materialgefüge besteht. Außerdem kommt der Stein nur in unterschiedlichen Grautönen und Schwarz vor.
Doch auch die Formgebung des Gesteins wird durch die Temperatureinwirkung beeinflusst. Sofern das Material heiß und in einem dünnflüssigen Zustand zutage tritt, entstehen auch wegen der schnelleren Fließgeschwindigkeit verhältnismäßig glatte Formen und Stränge. Hingegen formt eine kältere und steifere Masse zerklüftete und oft sehr scharfkantige Gebilde. Diese beiden wichtigsten Typen werden Pāhoehoe-Lava (auch Strick-, Seil- oder Wulstlava) und Aa-Lava genannt. Wenn sich jedoch der Abkühlungsprozess verzögert, zieht sich die kalte Oberfläche der Lava stark zusammen. Infolge der geringen Spannung entstehen viele lokale Kontraktionszentren, wodurch die Oberfläche zerspringt und sich die Risse durch die gesamte Dicke der Lava fortsetzen. Die dazu ebenfalls durch Abkühlung rechtwinklig verlaufenden Sprünge teilen die Säulen in Abschnitte. So bilden sich, meistens vertikal zur Fließrichtung der Lavamasse, kurze Platten und oft mehrere Meter lange, vier-, fünf- und sechseckige Basaltsäulen. Mithin findet man den Stein auch in dreieckigen Formen, was allerdings recht selten ist. Die Härte von Basalt liegt je nach Sorte zwischen 7-8 Mohs (1-10 Härtegrade; die sich danach richten mit welchem nächst härteren Mineral sich das jeweilige Gestein einritzen lässt).

Vermutlich ist die trianguläre Form der beiden Basaltwerkzeuge natürlichen Ursprungs und sie wurde nur optimiert. Kommen in den jeweiligen Regionen vermehrt weitere dreieckige Basaltsteine vor? Mit welchem anderen Stein konnten diese natürlichen Formen aus Grauem Basalt nachbearbeitet worden sein? Und existieren auf La Palma archäologische Spuren von Werkstätten für Basaltwerkzeuge?

Auf Teneriffa wurden mittels Basalt-Werkzeugen aus porösem Lavagestein Mühlsteine gefertigt

Ein Team von fünf Wissenschaftlern publizierte 2017 einen Bericht über Steinbrüche der Ureinwohner in einer Hochgebirgsregion auf Teneriffa. Dort erfahren wir, dass die zwei Berge, die Ziel ihres Studiums waren, sich mit großer Distanz zueinander in Las Cañadas del Teide befinden, innerhalb der Grenzen des aktuellen Nationalparks. Der Montaña Cruz de Tea liegt am westlichen Ende, während der Berg von Los Corrales sich in der zentralen Region befindet. Es ist den Forschern ein Anliegen den außerordentlichen Erhaltungszustand der zwei Steinbrüche zu betonen, da Spuren der Herstellungsprozesse auf der Oberfläche unversehrt erhalten sind.

Mit diesem Basaltstein wurde scheinbar aus einem Vulkanstein mit Vakuumporen ein Mahlstein gefertigt.
Fragment eines restaurierten Mühlsteins im Kontext der oberflächlichen Siedlungsstruktur, das südlich von einem Steinbruch auf der Montaña Cruz de Tea lokalisiert wurde. Neben ihm wurde ein Arbeitsgerät aus Basalt in Form einer Spitzhacke vorgefunden (Arnay de la Rosa et al., 2017).

In beiden Fällen existiert eine reichhaltige Menge an roca vacuolar, das üblicherweise als ˈbasaltoˈmolinero bekannt ist. „Obwohl,“ so die Gelehrten, „es sich streng genommen nicht um Basalt handelt.“ Dieses Gestein kommt in Form loser Blöcke vor, in weiten Landstrichen auf beiden Bergen. Die Blöcke haben unterschiedliche Dimensionen sowie vacuolas, [luftleere Hohlräume, die durch das Entweichen von Gasen entstanden sind], in veränderlicher Dichte und Größe.
Aber sie sind in jedem Fall für die Herstellung von Mühlen geeignet. Cruz de Tea als auch Los Corrales haben einen Bezug zu zahlreichen archäologischen Vorkommen, die mit der Okkupation durch Guanchen verbunden sind (Arnay de la Rosa et al., 20171Arnay de la Rosa, Matilde, García Ávila, Carlos, Marrero Salas, Efrain, Abreu Hernández, Ithaisa, González Reimers, Emilio (2017). Canteras taller en Las Cañadas del Teide. Estudios preliminares sobre la producción de elementos de molturación guanche XXII. Coloquio de Historia Canario-Americana, Las Palmas de Gran Canaria. España, (2017), XXII-133, pp. 1-15.).

Link zum kompletten Artikel: Canteras taller en las Cañadas del Teide

Eine Hacke oder Steinaxt ist erst durch einen Stiel wirklich effektiv

Nachfolgend exemplarisch vier Beispiele, leider nur aus Deutschland und der Schweiz, wie palmerische Steinbeile mit einem Griff verbunden gewesen sein könnte.

Die Steinwerkzeuge in den ersten drei Abbildungen sind parallel zum Griff geschäftet.2Abb. 4: Schweizerisches Landesmuseum Zürich (1999). Axtschaft aus Eschenholz von Egolzwil 3 im Kanton Luzern. Deutschland in der Steinzeit – Jäger, Fischer und Bauern zwischen Nordseeküste und Alpenraum. Ernst Probst. Orbis Verlag, München. Seite 1-620; 474.   Abb. 5 + 6: Wendler, Fritz (1999). Roden eines Siedlungsplatzes im Wald mit Schuhleistenkeil zur Zeit der Linienbandkeramischen Kultur. Und: Abbau von Feuerstein am Lousberg in Aachen in Nordrhein-Westfalen zur Zeit der Michelsberger Kultur. Fritz Wendler, Weyarn. Deutschland in der Steinzeit– Jäger, Fischer und Bauern zwischen Nordseeküste und Alpenraum. Ernst Probst. Orbis Verlag, München. Seite 1-620; 252, 321.

Steinbeil in einem massiven Holzgriff befestigt. Originalfund aus der Jundsteinzeit.
Abb. 4: Ein geschäftetes Steinbeil, etwa um 4500 bis 4000 v.Chr. (Schweizerisches Landesmuseum Zürich, 1999).
Zeichnung von Fritz Wendler; Rodung mit einer Steinaxt.
Abb. 5: Baumfällung mit einer Steinaxt um 4900 bis 4500 v.Chr. (Wendler, 1999).
Zeichnung von Fritz Wendler; Abbau von Feuerstein am Lousberg in Aachen.
Abb. 6: Steinarbeiten mit kurz- und langstielig geschäfteten Werkzeugen, etwa um 4500 bis 4000 v.Chr. (Wendler, 1999).
Ein Steinbeil, das mittels einer aufwendigen Technik quer zum Stiel befestigt wurde.
Abb. 7: Bei dieser Dechsel, etwa von 3300 bis 2800 v.Chr., wurde durch die Verbindung bzw. die Schäftung das Steilbeil in Querrichtung zum Stiel fixiert (Württembergisches Landesmuseum Stuttgart, 1999).

Das Foto zeigt ein kleines Steinbeil, welches quer zum Stiel angebracht wurde und in Bayern und der Schweiz Dechsel genannt wird. Mit einem solchen Werkzeug könnten Holzspäne abgeschlagen worden sein, um einen Stamm zu glätten oder auszuhöhlen. Zudem ist es sogar möglich damit Bäume zu fällen. Das bewies 2011 ein experimentalarchäologischer Feldversuch anlässlich der alljährlich stattfindenden ˈErgersheimer Experimenteˈ.
„Der Baumfällversuch erfolgte mit einem rekonstruierten, als Dechsel (Querbeil) geschäfteten, Schuhleistenkeilen aus Aktinolith-Hornblendeschiefer nach Linearbandkeramischen Funden der Zeit um 5600 bis 5000 vor Chr. Ziel des Experiments war die Analyse von Abnutzungsspuren an den Beilklingen sowie der Bearbeitungsspuren an den Fällkerben des Baumes und den Holzwerkstücken im Vergleich zu entsprechenden archäologischen Funden“ (Wikipedia, 20113Wikipedia, 2011. Stichwort: Dechsel. Abgerufen am 7. Januar 2022, von https://de.wikipedia.org/wiki/Dechsel#/media/Datei:ExpArchTreeFelling.jpg).

Link zu dem Artikel über jenen Feldversuch: Rengert Elburg und Wulf Hein: Steinbeile im Einsatz – Bäumefällen wie vor 7000 Jahren


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    Arnay de la Rosa, Matilde, García Ávila, Carlos, Marrero Salas, Efrain, Abreu Hernández, Ithaisa, González Reimers, Emilio (2017). Canteras taller en Las Cañadas del Teide. Estudios preliminares sobre la producción de elementos de molturación guanche XXII. Coloquio de Historia Canario-Americana, Las Palmas de Gran Canaria. España, (2017), XXII-133, pp. 1-15.
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    Abb. 4: Schweizerisches Landesmuseum Zürich (1999). Axtschaft aus Eschenholz von Egolzwil 3 im Kanton Luzern. Deutschland in der Steinzeit – Jäger, Fischer und Bauern zwischen Nordseeküste und Alpenraum. Ernst Probst. Orbis Verlag, München. Seite 1-620; 474.   Abb. 5 + 6: Wendler, Fritz (1999). Roden eines Siedlungsplatzes im Wald mit Schuhleistenkeil zur Zeit der Linienbandkeramischen Kultur. Und: Abbau von Feuerstein am Lousberg in Aachen in Nordrhein-Westfalen zur Zeit der Michelsberger Kultur. Fritz Wendler, Weyarn. Deutschland in der Steinzeit– Jäger, Fischer und Bauern zwischen Nordseeküste und Alpenraum. Ernst Probst. Orbis Verlag, München. Seite 1-620; 252, 321.
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    Wikipedia, 2011. Stichwort: Dechsel. Abgerufen am 7. Januar 2022, von https://de.wikipedia.org/wiki/Dechsel#/media/Datei:ExpArchTreeFelling.jpg