Prof. Wolfhard Schlosser hat erkannt, dass die randlichen Objekte der Himmelsscheibe von Nebra die Pendelbereiche der Sonne darstellen. Die sechs extremen Sonnenorte der vier Jahreseckpunkte werden aber auch durch Tierkreissterne vor den Enden der Horizontbögen symbolisiert.

Tierkreissterne nicht direkt vor den Enden der Horizontbögen

In der Abbildung sehen wir, dass auf der Himmelsscheibe die Tierkreissterne nicht exakt vor den Enden der Horizontbögen platziert wurden.

Die Namen der hellen Tierkreissterne, die auf der Himmelsscheibe abgebildet sind. Die Sterne vor den Horizontbögen.

Das hat zwei Hauptgründe:

  1. Wie erwähnt stehen zu den Solstitien und Äquinoktien die Sterne nur in der Nähe der vier markanten Punkte der Ekliptik. Dadurch können die Auf-und Untergangsorte der Sonne von denen der benachbarten Sterne abweichen.
  2. Zudem arbeiten die Computersternenkarten mit einer flachen Horizonteben. Es existiert rundum keine Erhebung, während der Beobachter solche Bedingungen nur am Meer vorfindet. Allerdings befinden sich am Horizontkreis stets Unregelmäßigkeiten, die durch die dreidimensionalen Landschaftsformen, wie Berge und Täler, entstehen. Eine Erhöhung des Reliefs würde die Orte der Sichtbarwerdung oder des Erlöschens weiter südlich verschieben. Bei einer Vertiefung verhält es sich andersherum.

Aus diesen Gründen kann die Position der in der Computerarte an den vier Jahreseckpunkten dargestellten Sterne nicht mit den goldenen Applikationen der Himmelsscheibe übereinstimmen.

Man muss den Herstellungsort der Himmelsscheibe und die dort vorherrschenden Höhenunterschiede am Horizontkreis kennen! Erst dann kann man die Positionen der Tierkreissterne am Horizont mit der Anordnung der Sternenplättchen vor den Horizontbögen vergleichen.

Aber trotz der unbekannten Geländeformationen am Ursprungsort wird es sich mit sehr großer Wahrscheinlichkeit um jene Sterne handeln.

Die Lichtbrechung in unserer Lufthülle versetzt horizontnahe Auf- und Untergänge der Sonne nach Norden

Ein weiterer Grund warum die Sterne nicht vor Enden der Horizontbögen angebracht wurden

Prof. Wolfhard Schlosser hat erkannt, dass die randlichen Objekte der Himmelsscheibe von Nebra die Pendelbereiche der Sonne darstellen. Die sechs extremen Sonnenorte der vier Jahreseckpunkte werden aber auch durch Tierkreissterne vor den Enden der Horizontbögen symbolisiert.

Wolfhard Schlosser hat festgestellt, „dass der Mittelpunkt der Scheibe die Horizontbögen etwas asymmetrisch erscheinen lässt. Und zwar so, dass der goldfreie Sektor in Richtung Sonnenbarke [nach Süden; der Winkel von M nach A und B] 5-6 Grad  größer ist als in entgegengesetzter Richtung. Dies ist auch zu erwarten, wenn vom Beobachtungsort aus der obere Sonnenrand am Horizont und nicht der untere als Sonnenauf- oder -untergang verstanden wurde.

Wäre die Sonne punktförmig und hätte die Erde keine Atmosphäre, so lägen die Punkte A-D (= die Enden der beiden Horizontbögen) exakt symmetrisch zur Scheibenmitte. Die Lichtbrechung in unserer Lufthülle – die dem bronzezeitlichen Menschen sicher unbekannt war , aber in allen Beobachtungen enthalten sein muss – versetzt jeden dieser vier Punkte um etwa ein Grad nach Norden, der obere Sonnenrand um ein weiteres halbes Grad“ (Schlosser, 20081Schlosser, Wolfhard. Die Himmelsscheibe von Nebra – Astronomische Untersuchungen. Der geschmiedete Himmel. Herausgeber Harald Meller. Seite 45-46).

Die astronomische Refraktion

„Bei Sonnenuntergang ist der obere Rand der Sonne auch dann noch sichtbar, wenn sie bereits komplett unterhalb des Horizonts steht – ein Ergebnis der astronomischen Refraktion. Entscheidend für die Refraktion, die Brechung des Lichts, ist der Übergang eines Lichtstrahls von einem Medium zu einem anderen. Das Medium ist der Stoff, das Material, durch den sich der Strahl fortbewegt – zum Beispiel Luft, Wasser, Glas oder ein Vakuum. Jedes dieser Medien …” (time and date).

Für die Untersuchung der Tierkreissterne spielt die Lichtbrechung der Erdatmosphäre dagegen keine große Rolle, da die Sterne eher punktförmig wirken.

Schlussfolgerungen von Wolfhard Schlosser müssen nicht unbedingt richtig sein

Schlosser geht von einem mathematischen Horizont aus, einer künstlichen Horizontebene, die wie das Meer spielgelglatt ist. Diese Ebene steht im rechten Winkel zur Lotrichtung. Aber von einem Beobachtungsort auf dem unebenen Festland öffnet sich in der Regel ein Horizontkreis mit Erhebungen oder von einem Berg aus gesehen auch mit Senken.

Außerdem berücksichtig Schlosser nicht, dass der fehlende Horizontbogen auffällig länger war, als der noch existierende. Warum geht er auf dieses Detail nicht ein? Schließlich könnte der Längenunterschied insbesondere auf das unterschiedliche Geländerelief am Horizontkreis zurückzuführen sein.

Zudem es könnte sein, dass die Horizontbögen gar keinen Bezug zum Mittelpunkt der Himmelsscheibe haben. Da die Bronzescheibe ja kalt geschmiedet wurde, konnte der Schmied schwerlich eine exakte Kreisform erzielen. – Wurde der Mittelpunkt nicht eher wie in der Realität vom Standort des Beobachters in Bezug zu bestimmten Sternen definiert? In dem Fall könnte ein Kreuzungspunkt durch bestimmte Sterne definiert worden sein.

Stimmen die Himmelsrichtungen, die Wolfhard Schlosser festgelegt hat, für alle dargestellten Bildelemente? Könnte es nicht sein, dass man für unterschiedliche Aspekte andere Definitionen verwendete?

Fazit

Die Enden der Horizontbögen haben einen Bezug zur Sonne.

Die Tierkreissterne vor den Enden der Horizontbögen unterliegen an erste Stelle ihren eigenen Gesetzen. Und erst an zweiter Stelle werden sie mit der Sonnenbahn in Bezug gebracht.

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    Schlosser, Wolfhard. Die Himmelsscheibe von Nebra – Astronomische Untersuchungen. Der geschmiedete Himmel. Herausgeber Harald Meller. Seite 45-46