In Stonehenge konnte man vom Mittelpunkt aus über den Fersen- oder Heelstein den Sonnenaufgang am Tag der Sommersonnenwende sehen. Und in derselben Richtung konnte man, laut Dr. G. S. Hawkins, über den Steinen aus der ersten Steinbauphase, die vermutlich einmal in den Löchern D und F standen, bei Mondaufgang die großen und kleinen nördlichen Mondwenden beobachten. Diese absoluten Extremstellungen treten alle 9,3 Jahre auf.
Da die Mondbahn um 5° gegen die Sonnenbahn geneigt ist, liegen sich die Schnittpunkte beider Bahnen in den sogenannten Mondknoten gegenüber. Der Mond durchläuft diese Knoten bei einem Umlauf von 27,3 Tagen, aufsteigend oder absteigend. „Doch sie verschieben ihre Lage in diesem siderischen Monat um etwa 1 1/2° entgegen dem Tierkreis, also von Osten nach Westen. Daher ist der sogenannte drakonische Umlauf des Mondes noch kürzer als ein siderischer Mondumlauf. In einem Jahr verschieben sich die Mondknoten um rund 19° und in 18,6 Jahren (oder 18 Jahren 7 Monaten 9 Tagen) haben die Mondbahnen die 360° der Ekliptik mit dem Tierkreis einmal rundum fortlaufend geschnitten. Vier ausgeprägte Stellungen der Mondbahn gegenüber der Ekliptik treten ein, wenn die Mondknoten mit den Jahreseckpunkten der Sonne, den Äquinoktial- oder Sonnenwendpunkten, zusammenfallen.“[1]
„Beobachtete ein Astronom nun vom Mittelpunkt aus die Mondwenden über den Steinen D und F, wird er über Jahre hinweg mehrmals Mondfinsternisse erlebt haben.
Diese Zeichnung nach Dr. G. S. Hawkins zeigt exemplarisch wie in Stonehenge Mond- und Sonnenfinsternisse, für einen Zeitraum von etwa 300 Jahren, über dem Fersenstein oder Heelstone zur Sommersonnenwende und den Steinen D + F zur großen und kleinen Mondwende, scheinbar stehen blieben. Es könnten natürlich zu anderen Zeiten genauso die Sonnenfinsternisse über den Steinen D + F eintreten und die Mondfinsternisse über dem Heelstone oder jeweils dazwischen, aber immer auffällig beieinander. Die Finsternisse standen oft einige Jahre lang in der Nähe der Markierungssteine scheinbar still, bis sie sich doch ganz langsam zwischen den Steinen verschoben. Die Erbauer von Stonehenge könnten durch jahrelange Aufzeichnungen einen Zahlenwert ermittelt haben mit dem sie die Finsternisse ungefähr vorhersagen konnten.”[2]
Mondfinsternisse treten nur ein, wenn sich Vollmond und Sonne in den Mondknoten gegenüber stehen und Sonnenfinsternisse nur, wenn der Neumond vor der Sonne in demselben Mondknoten steht. Die räumliche Verschiebung liegt an der Wanderung der Mondknoten auf der die Ekliptik in 18,6 oder 2x 9,3 Jahren.
Wollten die Himmelsbeobachter die Mondwenden, die zeitlich auch mit dem Erscheinen von Finsternissen verbunden sind, in ganzzahligen Jahren mitzählen, kam die Zahlenfolge 9-9-10 dem Wert von 9,3 Jahren am nächsten.
Nach Hawkins Theorie wurde in Stonehenge schon um 2550 v. Chr. an den 56 Aubrey-Löchern mit Markierungssteinen die Zahlenfolge 9-9-10-9-9-10 festgehalten, um mögliche Finsternisse zwischen den Steinen D und F zu verfolgen.
Auch die Himmelsscheibe von Nebra könnte, zusätzlich zum Zählkalender, das Wissen um die Ermittlung von ungefähren Finsterniszeiträumen beinhalten. Denn in die beiden Horizontbögen sind jeweils 9 Löcher und am leeren >Randviertel< der Bronzescheibe 10 Löcher gestanzt worden.
Damit war auch hier eine fortlaufende Zählung 9, 10, 9, 9, 10, 9, 9, 10, … sichtbar gegeben.
Vermutlich wollte der Verantwortliche für diese Randlochungen, durch die Anzahl und Anordnung der Löcher in Zahlengruppen, wieder möglichst viele seiner astronomischen Erkenntnisse zeigen.
[1] “Rhythmen der Sterne”, Joachim Schultz, 1963
[2] “Der Himmel über dem Menschen der Steinzeit”, Rolf Müller, 1989. Zeichnung und Text: Finsternisse in Stonehenge über den Steinen D + F
Weiterlesen: Die Himmelsscheibe von Nebra –> Das Kalendersystem der Pharaonen