Jede Sternenkarte benötigt Angaben zu Himmelsrichtungen
Damit aus der Bronzescheibe mit den goldenen Symbolen eine frühbronzezeitliche Sternenkarte wurde, mussten zuerst die Himmelsrichtungen festgelegt werden. Erst danach konnten die Sterne so angeordnet werden, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit folgende Aussage zutrifft: Die Himmelsscheibe offenbart die Himmelsmechanik der Frühbronzezeit.
Die 1. Herstellungsphase der Himmelsscheibe von Nebra
„Die Himmelsscheibe wurde aus einem Bronzefladen mit 2,5% Zinnanteil kalt geschmiedet um ein weiches Material zu erhalten, in das der Schmied kleine Wälle meißeln konnte, die danach über den Rand der vorgesehenen Goldblechauflagen zurückgetrieben wurden. Es wurden in dieser ersten Phase ein Vollkreis, eine Sichel und 32 kreisrunde Sternensymbole aus derselben silberreichen Goldzusammensetzung angebracht” (Wunderlich, 20051Wunderlich, Christian Heinrich (2005). Vom Bronzebarren zum Exponat- Technische Anmerkungen zu den Funden von Nebra. Der geschmiedete Himmel. Herausgeber Harald Meller.).
Die materialkundlichen Untersuchungen belegen, dass die Himmelsscheibe vor ihrer Deponierung um 1.600 v.Chr. mehrfach umgestaltet wurde.
Eine Sternenkarte ist immer nur eine Momentaufnahme einer Detailansicht
„Durch die Drehbewegung der Erde scheinen viele Sterne im Osten auf und im Westen unter zu gehen. Tag und Nacht entstehen. Der Anblick des Sternenhimmels verändert sich langsam je nach Zeitpunkt, Minute sowie Jahreszeit und Standort auf dem Breitengrad. Am selben Ort und zur selben Stunde tauchen am Himmel Sterne auf, die noch einige Monate zuvor entweder überhaupt nicht, oder erst sehr spät, zu sehen waren. Einige Konstellationen lassen sich nur zu bestimmten Jahreszeiten beobachten, daher spricht man auch vom Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winterhimmel. Das liegt daran, dass die Erde die Sonne in einem Jahr umrundet und sich die scheinbaren Drehbewegungen des Fixsternenhimmels dann erst wiederholen.
Daher war es sicherlich auch schon früher notwendig, die Bewegungen der Gestirne in irgendeiner Form im Jahreslauf zu notieren. Dafür waren keine Schriftzeichen notwendig. Kombinationen von verschiedenen Symbolen oder Zeichen, verbunden mit mündlichen Erläuterungen, reichen durchaus aus, um astronomische Erscheinungen zu beschreiben.
Natürlich ist es auch heute nicht möglich eine Sternenkarte zu zeichnen, die für jede Stunde der Nacht und jede Jahreszeit ihre Gültigkeit hat. Denn, für jede Minute, jede Jahreszeit und jeden Breitengrad ließen sich tausende verschiedene Karten zeichnen. Wir haben verschiedenste Sternenkarten, meistens sphärische Projektionen, die immer nur genau den Ausschnitt des Himmels für eine Minute eines bestimmten Tages zu einer Jahreszeit und für einen definierten Ort zeigen. Außerdem gibt es noch eine zylindrische Projektion des Sternenhimmels, mit der alle sichtbaren Sterne dargestellt werden können”2 Zum Teil aus: Das große Buch der Astronomie. Kaiser Verlag..
Der dreidimensionale Himmel lässt sich in einer Sternenkarte zeichnerisch nur zweidimensional darstellen
Aus diesem Grund gibt es auch heutzutage keine Sternenkarte, bei der die Strecken-, Flächen- und Winkeldarstellungen zum wirklichen Erscheinungsbild passen.
Beobachtet man einzelne Sternbilder und Konstellationen in der Natur, so sind die Figuren in Blickrichtung Süden am einprägsamsten. Dort erreichen sie ihren Höchststand über dem Südpunkt. Zuvor sind sie gen Osten und danach gen Westen geneigt, weshalb man sie in diesen Stellungen nicht unbedingt sofort wiedererkennt.
Sollte außerdem eine Konstellation noch nicht oder nicht mehr komplett am Firmament leuchten, so ist es hilfreich auch angrenzende Formationen zu kennen. Denn erst wenn einem die hellsten Sterne mit ihren Positionen zueinander vertraut sind, erkennt man die Sternbilder auch problemlos in Horizontnähe.
Möchte man bestimmte Konstellationen zur Erinnerung aufzeichnen, sollte man also warten bis diese den südlichen Meridian passieren. Sodann vermisst man die scheinbaren Winkel und Entfernungen zwischen den hellsten Sternen. Dafür können beispielsweise unterschiedlich langen Hölzchen flexibel miteinander verbunden werden.
Eine ganz einfache Angelegenheit, die auf jeden Fall schon den Erschaffern der Himmelsscheibe von Nebra in Mitteldeutschland zuzutrauen ist. Nur erfolgten die ersten Zeichnungen vielleicht auf einem Material, welches die Zeit nicht überstanden hat und zerfiel.
In Blickrichtung Norden hingegen sehen wir hauptsächlich Zirkumpolarsterne, die nie untergehen. Diese umrunden den Nordpol auf kompletten Kreisbahnen, weshalb sie neben ihrer höchsten Stellung vor allem in ihrer unteren Kulmination über dem Nordpunkt besonders markant auffallen.
Die Haupthimmelsrichtungen für die Beobachtung von Gestirnen
Was die Himmelsrichtungen betrifft, so könnten diese in einer frühen Himmelskarte der Sicht eines Beobachters in Blickrichtung zum Horizontkreis entsprechen. Schließlich mussten die Menschen zuerst die Himmelsrichtungen anhand der Gestirne ermitteln, um sich in der Landschaft zu orientieren. Mit zunehmender Erfahrung reichte es vermutlich aus, wenn man wusste wo beispielsweise die Nordrichtung ist, schließlich lassen sich die anderen Richtungen davon ableiten.
Unsere einfachen Landkarten sind in der Regel rechteckig, um sie aneinanderlegen zu können. Und dabei handelt es sich immer um eine Aufsicht auf die Erdoberfläche.
Aber der sichtbare Sternenhimmel erhebt sich vom Horizontkreis aus in die Höhe. Zugleich verschiebt er sich permanent. Daher bietet sich für einen Sternenkarte eine Kreisform an, zumal wir die Bewegungen der Gestirne aufgrund der Erdumdrehung als scheinbare Bogenläufe wahrnehmen. Möchte man nun aber nur einen Ausschnitt des Sternenhimmels zeichnerisch darstellen, denkt man zuerst an ein Kreissegment mit einer der vier Haupthimmelsrichtungen als Zentrum.
Allen Himmelskarten ist gemein, dass sie nur für eine Uhrzeit, eine Jahreszeit und einen bestimmten Breitengrad gefertigt wurden.
In unseren modernen astronomischen Karten ist jedoch, im Vergleich zu den Landkarten, der Osten mit dem Westen vertauscht. Daher ist die Sternenkarte so zu drehen, dass sich die unserer Blickrichtung entsprechende Himmelsrichtung am unteren Rand befindet. Zudem müssen wir sie danach über unseren Kopf halten. Denn nur so nehmen wir den Sternenhimmel wie in der zeichnerischen Darstellung wahr. – Oder wir legen uns in lauen Sommernächten auf den Rücken, denn dann können wir die Augen, wie auf der Karte, über das ganze Firmament wandern lassen.
Würden wir diese Himmelskarten nicht gemäß der Anleitung verwenden, wären die Sternbilder auf dem Kopf oder auf der Seite liegend abgebildet. Sie würden nicht unserer Wahrnehmung der Gestirne am Himmelszelt entsprechen.
Wie die Himmelsrichtungen auf der Himmelsscheibe von Nebra definiert wurden, das erschließt sich aus den nachfolgenden Schilderungen von ganz alleine.
Horizontale und vertikale Himmelsdarstellungen
Sofort beim ersten Anblick der Himmelsscheibe von Nebra erkennt jeder, dass es sich um eine Darstellung des Himmels handeln muss. Nachfolgend wird beschrieben, dass der Horizont einerseits als Vollkreis und andererseits als Bezugsebene für die südliche und nördliche Blickrichtung wahrgenommen wurde. Diese Hypothesen werden später in der Interpretation verständlich und für jeden nachvollziehbar komplett belegt.
1.) >Horizontale< Beobachtungen am Horizontkreis
Stehen wir in einer weiten Landschaft, dann nehmen wir die Erdoberfläche um uns herum als einen liegenden Kreis wahr, der scheinbar am Horizont endet.
Ebenso könnten wir uns gedanklich in die Mitte der Himmelsscheibe von Nebra stellen. Von dort richten wir unseren Blick zum Rand der Scheibe, zum imaginären Horizontkreis. An diesem können wir zu unterschiedlichen Zeiten den Auf- und Untergang der Gestirne beobachten.
Da die Plejaden am südlichen Firmament ihren Höchststand erreichen, müssten die Himmelsrichtungen am Horizontkreis wie in unseren Landkarten angeordnet sein.
Folglich befände sich der südliche Rand der Bronzescheibe oberhalb der Plejaden.
In dieser Abbildung stellen wir uns die Himmelsscheibe als eine >Aufsicht< auf die Himmelshalbkugel mit der darunter liegenden Erde vor. Diesmal interessieren uns nur die goldenen Sterne am Rand der Bronzescheibe, den wir jetzt als Horizontrand definieren. Vom zentralen Beobachtungspunkt aus gesehen, könnten sie tatsächlich ihre Auf- und Untergangspositionen präsentieren. Diese Hypothese wird in der Zeichnung durch die dünnen hellgrünen Linien verdeutlicht.
2.) >Vertikale< Beobachtungen – Blick nach Süden
Auf der Himmelsscheibe von Nebra ist auch die dritte Dimension, der Bogenlauf der Gestirne in die Höhe erfasst worden. Den Horizont stellen wir uns nun als eine Ebene vor, die sich vor unseren Füßen in Blickrichtung Süden erstreckt.
Denn aufgrund der Positionierung der PLEJADEN, die zum Tierkreissternbild Stier gehören, lässt sich Süden diesmal mittig zwischen Osten und Westen definieren. Je höher ein Stern oberhalb des Südpunktes den Meridian passiert, umso nördlicher ist jener höchste Punkt seiner Umlaufbahn zugleich.
Stellen wir uns wieder vor, dass wir im Mittelpunkt der Bronzescheibe stehen. Aber diesmal verfolgen wir die Höhe der Gestirne in Bezug zur Horizontebene. Wir schauen sozusagen in eine >vertikal stehende Hälfte der Himmelsscheibe<. Diese zeigt laut dieser neuen Interpretation nun das südliche Himmelsgewölbe.
Im östlichen Viertel der Bronzescheibe könnten Sterne auf bestimmten Höhen ihrer scheinbaren Umlaufbahn dargestellt worden sein. Denn alle auf- und untergehenden Fixsterne ziehen in Parallelkreisen um den Südpunkt und erreichen im Meridian ihren Höchststand.
Demzufolge müssten im westlichen Viertel Gestirne abgebildet sein, die in der zweiten Nachthälfte bis zu ihrem Untergang zu sehen waren. Dort befindet sich auf der Bronzescheibe die einzige engere Gruppierung goldener Sternenplättchen, die als Plejaden gedeutet wurden. Die gewählte Position dieser Konstellation neben dem Meridian könnte eine räumliche als auch zeitliche Bedeutung haben.
3.) Blick nach Norden mit dem Horizont als Bezugsebene
Drehen wir uns um 180 Grad liegt der imaginäre Nordpunkt vor unseren Füßen. Im Grunde stehen alle Sterne in dieser Himmelshälfte mit zunehmender Entfernung von der Horizontebene, in Bezugs zum gesamten sichtbaren Sternenhimmel, immer nördlicher.
In dieser Richtung sehen wir vor allem die Zirkumpolarsterne, die nie untergehen. Diese umrunden immer in parallelen Vollkreisen einen damals sternenlosen und daher unsichtbaren Mittelpunkt der Himmelshalbkugel, den Himmelsnordpol. Dabei erreichen sie jedesmal eine untere und eine obere Kulmination; ihren Tiefst- und Höchststand im Meridian.
Fazit: Auf der frühbronzezeitlichen Sternenkarte sind unterschiedliche Bewegungsmuster von Gestirnen dargestellt
- Zur Unterscheidung und Bestimmung der Gestirne eignen sich am besten deren Auf- und Untergangsort am Horizontkreis.
- Alle unterläufigen Fixsterne erscheinen am östlichen Horizont. Nach der Hälfte ihres sichtbaren Bogenlaufs queren sie den Meridian über dem Südpunkt. An dieser imaginären Linie wird ihr Lauf symmetrisch gespiegelt. Es erfolgt die Abwärtsbewegung ihrer Parallelbahnen, die am westlichen Horizontkreis endet.
- Das jeweilige Sternenbild ist in seiner südlichen oder nördlichen Kulmination am einprägsamsten.
- Die Zirkumpolarsterne hingegen tauchen nie unter den Horizont. Sie beschreiben parallele Vollkreisbahnen um den Himmelsnordpol.
- Somit fallen am südlichen und nördlichen Himmelsgewölbe zwei unterschiedliche Bewegungsmuster auf.
- Wenn man von Sternen die Höhe zu einem Bezugspunkt auf der Erdoberfläche ermitteln möchte, bieten sich vor allem der Süd- oder Nordpunkt an.
- Offensichtlich kommen den Blickrichtungen Süden und Norden, zwecks Positionsbestimmung und Höhenvermessung einiger Gestirne, besondere Bedeutungen zu.
Zwei große Sternenkonstellationen – Himmelsscheibe offenbart Himmelsmechanik
Blickrichtung Süden
Bei den noch fehlenden und hier rot markierten Sternen des südlichen Himmelsgewölbes handelt es sich um zwei ganz große Sternenkonstellationen. Hier fehlt uns noch die Zuordnung der, mit einem roten Kreis markierten, Sterne.
Als erstes fallen dort sieben eng beieinanderstehende Sterne auf, die ziemlich genau der Sternenkonstellation des Wintersechsecks entsprechen und der Stern in der Mitte könnte einen Äußeren Planeten symbolisieren.
Nehmen wir aufgrund des Wintersechsecks nun die Ost-West-Linie der Himmelsscheibe als Erdhorizont an. Auf ihr steht der Beobachter, vor seinen Füßen liegt der Südpunkt und er schaut in das vertikal halbierte, südliche Himmelsgewölbe.
Wenn man sich nun das ganze Himmelszelt vorstellt, dann befindet sich jeder Stern, der höher über der Horizontebene steht schon weiter nördlich. Das ist wichtig zu beachten, denn in der anderen Hälfte der Himmelsscheibe sind acht helle Zirkumpolarsterne abgebildet. Aber zwei Sterne erschienen zeitgleich mit der Sechseck-Konstellation im und neben dem Nordpunkt! Vor allem durch den niedrigsten Zirkumpolarstern, der gerade den Meridian im Nordpunkt querte, konnte man einen Zeitpunkt für die Stellung des Sechsecks ziemlich genau definieren. Hätte man die diese beiden nördlichen Sterne bei den Zirkumpolarstere in der anderen Hälfte der Bronzescheibe angebracht, wäre es für einen Astronomen unmöglich durch Schlussfolgerungen die Bedeutung der Zirkumpolarsterne zu ermitteln. Und weil die zwei ja gemeinsam mit dem Sechseck eine zeitliche Einheit bildeten, platzierten die Schöpfer der Himmelsscheibe die beiden nördlichen Sterne oberhalb des Sternenhaufens.
Die Sechseck-Konstellation und zwei zusätzliche Sterne
Zur Erinnerung: Sternbilder bleiben in ihrer Form und in ihrem Abstand zueinander immer >fix<. Auf einer Computerkarte wirken sie leicht verzerrt, da ein dreidimensionales Ereignis zweidimensional dargestellt wird. In einer stereographischen Karte stimmen die Winkel, aber nicht die Abstände, die zum Rand hin größer werden.
Zum Wintersechseck gehören: Capella / Fuhrmann, Pollux / Zwillinge, Aldebaran / Stier, Procyon / Kleiner Hund, Rigel / Orion und Sirius / Großer Hund, der die südliche Spitze bildet. Zeitgleich stand Vega / Leier genau im Nordpunkt und etwas weiter westlich war direkt am Horizont Deneb / Schwan zu erkennen. Diese beiden Sterne sah man jedoch nur, wenn man sich umdrehte und den Blick nach Norden wandte. Sie bildeten mit dem Sechseck eine, durch den Nordpunkt zeitlich exakt festgelegte, Nord-Süd-Konstellation.
Wenn wir nun die Himmelsscheibe betrachten, erkennen wir, dass die Konstellation der Sterne übereinstimmen könnte. Lediglich die Lage von Vega und Deneb am zuvor definierten südlichen Horizontrand irritiert. Wie wir jetzt feststellen können sind sie vermutlich dort angebracht worden, weil sonst ihre Zugehörigkeit zum Sechseck nicht zu erkennen gewesen wäre und sie am nördlichen Rand zudem die Bestimmung der acht Sterne im Norden verhindert hätten.
Eine riesige Dreieck-Konstellation und ein weiterer Stern im Osten
Nun fehlen uns auf der Himmelsscheibe in Blickrichtung Süden noch ein Dreieck und ein Stern im Westen kurz vor seinem Untergang.
In dieser Computerkarte ist ein entsprechendes, recht großes Dreieck aus besonders hellen Sternen zu sehen, das tatsächlich auch etwas größer als das Wintersechseck ist. Es besteht aus dem Stern Altair / Adler, der nahe dem Ostpunkt steht und dem fast im Zenit stehenden Arcturus / Bärenhüter, auch Bootes genannt sowie dem niedrig im Südosten leuchtenden Antares / Skorpion.
Diese Formation erstreckt sich vom Osten bis zum fast höchsten Punkt auf dem Meridian, dem Zenit. In dieser winkeltreuen Karte ist die Dreieckskonstellation allerdings in der Größe, besonders zum Rand hin, etwas verfälscht zu sehen. Doch Form und Stellung passen sehr gut zum Dreieck der Himmelsscheibe.
Am westlichen Horizont leuchtet gegenüber vom Dreieck ein heller Stern. Es handelt sich um den Stern Procyon / Kleiner Hund. Falls dieser Stern auf der Himmelsscheibe dargestellt ist, würde er eigentlich in die Nähe des Westpunktes gehören, doch dort wäre seine Bedeutung nicht erkannt worden, da diese Position nach der bisherigen Interpretation schon von den Sternen der Extremstellung des Tierkreises, in seinen Hoch- und Flachstellungen, belegt ist. Daher ist er, ebenso wie das Dreieck, etwas weiter oben auf der Bronzescheibe wo mehr Freiraum war, abgebildet worden.
Wir sehen hier eine Ost-West-Konstellation, die kaum größer sein konnte und aus diesem Grund nur für einen kurzen Moment zu beobachten war, nämlich vom Aufgang des Sterns Altair bis zum Untergang des Procyon.
Zwischen diesen beiden Konstellationen, deren Positionen auf der Himmelsscheibe durch ergänzende Sterne exakt definiert wurden, vergehen genau 6 Stunden
Betrachten wir nun beide Computerkarten zum südlichen Bereich der Himmelsscheibe fällt auf, dass jede Konstellation in einem Himmelsviertel dominiert. Aber zusammen mit dem westlichen bzw. nördlichen Stern beherrschen sie jeweils eine Himmelshälfte und insgesamt das ganze Himmelsrund.
In keiner Nacht konnte man zuerst das komplette Dreieck im Osten und anschließend das Sechseck beobachten. Doch andersherum war dies in den langen Winternächten möglich.
In der ersten Himmelskarte sehen wir den Stern Procyon nahe am Meridian und in der zweiten Karte ist er gerade noch am westlichen Himmelsrand zu erkennen. Für diesen Bogenlauf braucht Procyon in einer Nacht auf die Minute genau 6 Stunden. (2x Procyon!)
Die Deklination von Procyon lag um 1950 v.Chr. bei 5,9° und von Altair bei 7,3°.
Die Deklination der Plejaden betrug 5,6° und in ihrer Nähe lag damals der Frühlingspunkt!
Somit gingen alle drei etwas nördlich vom Ost- und Westpunkt auf und unter und ihre Bahnen verliefen in direkter Nähe parallel zum unsichtbaren Himmelsäquator. Sie konnten also sehr gut den ungefähren Verlauf des Himmelsäquators anzeigen.
Die Mittellinie des Sternenhimmels
Der komplette Bogenlauf des Sterns Procyon, von Osten nach Westen, zeigte für den nächtlichen Sternenhimmel etwa die Halbierung der Himmelskugel an. Zugleich aber auch die Mittellinie des Sternenhimmels sowie eine mittlere Zeitgrenze. Und verfolgte man Procyons Lauf über den Himmel >malte< er etwa dieselbe Linie wie der mittlere Tagesbogen der Sonne an den Tag-und-Nacht-Gleichen. Der Großkreis des Himmelsäquators scheint demnach bekannt gewesen zu sein.
Somit ist der Himmelsäquator die vierte besondere und unsichtbare >Bogen-Linie< am Himmel, die dem Schöpfer der Himmelsscheibe bekannt gewesen sein könnte. Doch die Linien, die sich durch die vier Extremstellungen der Ekliptik ergeben und um die die Sonne, der Mond und die Planeten vor dem Tierkreishintergrund wandern, war sicherlich die spannendste.
Da an der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche vor allem die Sonnenauf – und Untergänge beobachtet wurden, war vermutlich auch bekannt, dass die Sonne an diesem Tag etwa unterhalb der Plejaden, im Tierkreisbild >Stier<, stand. Allerdings konnte man die Plejaden nicht sehen, da sie der strahlenden Sonne zu nahestanden. (Die lichtschwachen Plejaden sind laut Prof. Wolfhard Schlosser erst sichtbar, wenn diese 5° über und die Sonne 15° unter dem Horizont steht. Also Wochen vor der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche.)
Doch wenn die damaligen Sternenkundigen die Reihenfolge der hellsten und auffälligsten Sterne entlang des Großkreises des Himmelsäquators kannten (und eventuell auch etwa deren Abstände vermessen haben), könnten sie anhand dieser Sterne den Stern ermittelt haben, der an diesem Tag in direkter Sonnennähe stehen musste.
Somit könnte auch der Frühlingspunkt als Kreuzungspunkt der beiden Großkreise (Ekliptik und Himmelsäquator) bekannt gewesen sein.
Gibt es eine schönere Deutungsmöglichkeit für die goldenen Sterne auf der Himmelsscheibe, als diese, die den gesamten Himmel in all seinen unterschiedlichen Bewegungsabläufen darstellt?
Heliakischer Auf- und Untergang von Altair und Procyon
Im Jahreslauf eines jeden Fixsterns gibt es vier besondere Auf- und Untergänge.
Diese Bewegungen der Gestirne am Horizont wurden in vielen Ländern nachweislich schon sehr lange beobachtet. Schließlich konnte man an ihnen Jahreszeiten oder Ereignisse festmachen. Man brauchte zu einem gewünschten Termin nur einen der vielen helleren Sterne zu einer seiner ersten oder letzten Sichtbarkeitszeiten finden und schon war das Ereignis zeitlich auf den Tag genau festgehalten.
1.) Heliakischer Aufgang (griech. = zur Sonne gehörig; Morgenerst, Frühaufgang, Morgenaufgang).
Erstmalige Sichtbarkeit beim Aufgang eines Gestirns in der Morgendämmerung nach längerer Unsichtbarkeit, weil die Sonne ihm sehr nahestand und ihn überstrahlte. Er ist nur wenige Minuten sichtbar, da der Himmelshintergrund zu hell wird. Sternenaufgang im Osten vor Sonnenaufgang im Osten; morgens.
2.) Akronychischer Aufgang (griech. = Anfang der Nacht; Abenderst, Spätaufgang, Abendaufgang).
Letzter sichtbarer Aufgang eines Sterns in der Abenddämmerung.
3.) Kosmischer Untergang (Morgenerst, Frühuntergang, Morgenuntergang).
Erster sichtbarer Untergang eines Gestirns in der Morgendämmerung. Sternenuntergang im Westen vor Sonnenaufgang im Osten; morgens.
4.) Heliakischer Untergang (griech. = zur Sonne gehörig; Abendletzt, Spätuntergang, Abenduntergang).
Letztmalige Sichtbarkeit vor dem Untergang eines Gestirns, in der Abenddämmerung vor langer Unsichtbarkeit, wegen zu großer Sonnennähe. Sternenuntergang im Westen nach Sonnenuntergang im Westen; abends.
Ein siderisches (Sternen-) Jahr dauert immer von einem heliakischen Aufgang zum nächsten und es ist fast genauso lang wie ein tropisches Sonnenjahr, das jeweils mit dem Sonnenstand im sogenannten Frühlingspunkt, den Schnittpunkt der Erdumlaufbahn oder der scheinbaren Sonnenbahn mit dem Himmelsäquator beginnt. Beide benötigen für einen scheinbaren Umlauf ungefähr 365,24 Tage, wobei das Sternenjahr etwa 20 Minuten länger ist.
Da die Erdachse leicht taumelt verschiebt sich der für jeden Breitengrad spezifisch sichtbare Bereich des Sternenhimmel
Aufgrund des Präzessionseffekts verschiebt sich ein heliakischer Aufgang zeitliche durch die Jahreszeiten und Jahre und auch die Lage und Höhe eines Sternes am Horizontrand verändert sich. Die Sonne hingegen bleibt in ihrer Stellung am Horizontrand über Jahrtausende nahezu unverändert, allerdings wandert auch sie zeitlich rückwärts durch den Tierkreis.
Damit ein Sternenauf- oder Untergang in den helleren Dämmerungszeiten überhaupt in Horizontnähe gesehen werden kann, muss ein bestimmter vertikaler Abstand zwischen der Sonne und dem Stern sein. Die Sonne muss dazu 7° – 10° unter und ein heller Stern 3° über dem Horizont stehen. Der genaue Wert hängt von der Helligkeit des Sternes und der jahreszeitlichen Dämmerungsdauer ab.
Diese Skizze3Ernst Künzel. Himmelsgloben und Sternenkarten, S. 44 zeigt, wie tief die Sonne unter dem Horizont stehen muss, damit ihr Licht nicht den hellsten Stern Sirius überstrahlt (Sirius +3°; Sonne -7° / -10°).
Die lichtschwachen Plejaden werden hingegen laut Prof. Wolfhard Schlosser erst sichtbar, wenn diese 5° über und die Sonne 15° unter dem Horizont steht.
In der Frühbronzezeit trat Procyons heliakischer Untergang ungefähr zeitgleich mit Altairs akronychischem Aufgang ein
Um 1.950 v.Chr. konnte in Mitteldeutschland von geeigneten Standorten aus vermutlich das seltene Ereignis von etwa zeitgleichen Sternenauf- und Untergängen beobachtet werden:
Wenn Procyon gegen Ende April / Anfang Mai (1. Mai = meteorologischer Sommeranfang) heliakisch unterging, war ungefähr zeitgleich Altair im akronychischen Aufgang zu sehen. Und andersherum fand Anfang – Mitte November der kosmische Untergang von Procyon ungefähr zeitgleich mit dem heliakischen Aufgang von Altair statt.
In der zeitlichen Mitte zwischen den vier Jahreseckpunkten der Sonne liegen vier Daten oder (Mond-?) Feste, die für ackerbauliche Termine sicherlich von Interesse waren. So könnten Procyon und Altair die Feste Beltaine und Samhain angekündigt haben.
Heutzutage können die letzten Nachtfröste Mitte Mai und den ersten Frost um den 1. November (meteorologischer Winteranfang) eintreten. Da das Klima in der Frühbronzezeit insgesamt und im Thüringer Becken besonders, noch milder war als in der Umgebung, könnte es sein, dass dort die letzten Frostnächte schon früher und die ersten Fröste später vorkamen.
Wenn Anfang Mai Procyon zum letzten Mal im Westen sichtbar war, heliakisch unterging, begann der meteorologische Sommer und wenn an einem Novembermorgen Altair heliakisch aufging, begann der meteorologische Winter.
Burkhard Steinrücken
Dr. Burkhard Steinrücken hat in seiner Arbeit “Die Phasen der hellsten Sterne in der Bronzezeit” nun genauere Untersuchungen veröffentlicht. Allerdings beziehen sich seine Untersuchung auf 1.800 v.Chr. und auf den 52. Breitengrad. Natürlich sind seine Untersuchungen mit professioneller Software sehr viel genauer: http://sternwarte-recklinghausen.de/astronomie/forschungsprojekt-vorzeitliche-astronomie/#A06.
Meine Erkenntnisse, für 1.950 v.Chr. und den 51. Breitengrad, scheinen demnach annähernd richtig zu sein. Es bleibt spannend wie die exakten Sternenphasen für diese Zeit und Region ausfallen.
Allerdings war der akronychische Aufgang (Abenderst) von Altair nicht auf nur wenige Tage zu begrenzen. Dieser Sternenaufgang konnte vom 31. bis 54. Tag, innerhalb einer Zeitspanne von bis zu 23 Tagen, nach der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche beobachtet werden. Alle heliakischen Sternenphasen weisen in der Bronzezeit aber sehr viel kürzere Abschnitte auf.
Eine neue interessante Beobachtung ist, dass der heliakische Untergang von Altair 1.800 v.Chr. zudem terminlich fast exakt auf den astronomischen Winteranfang (heutzutage 21. Dez.) fiel.
Acht wichtige Zirkumpolarsterne – Himmelsscheibe offenbart Himmelsmechanik
Blickrichtung Norden
Nun fehlt in der Hälfte der Himmelsscheibe, die gegenüber der Sechseck-Konstellation liegt, noch die Bedeutung für die in dieser Zeichnung hellblau markierten Sterne. Sie sind auf der Bronzescheibe ziemlich gleichmäßig strukturiert angebracht worden. Dieses Muster passt zum Abstand zwischen einigen Zirkumpolarsternen, wenn sie sich in Vollkreisen um einen damals unsichtbaren Himmelsnordpol drehen. Denn damals stand in der Frühbronzezeit aufgrund der Taumelbewegung der Erdachse kein Stern in seiner Nähe.
Um den unsichtbaren Nordpol auf der Bronzescheibe zu ermitteln, besorgen wir uns am besten das maßstabgerechte Poster mit dem Foto der Himmelsscheibe in Originalgröße. Dort suchen wir mit dem Zirkel auf der Nord-Süd-Achse den Mittelpunkt des Kreises, der den Horizont und den entferntesten der acht Sterne schneidet. Da alle Sterne in Parallelbögen den Himmelspol umkreisen, ziehen wir von diesem Mittelpunkt aus auch durch alle anderen sieben Zirkumpolarsterne Kreise. Nummerieren wir die acht Sterne entsprechend ihrer Entfernung vom Himmelspol, liegen die geraden Zahlen links und die ungeraden rechts des Meridians. Vergleichen wir nun die Abstände der im Poster eingezeichneten Kreisbahnen mit der im Computerprogramm >Stellarium< angegebenen Höhenwinkel einiger besonders heller Sterne überm Nordpunkt, stellen wir fest, dass diese Werte im Verhältnis ziemlich gut übereinstimmen.
Eine Computerkarte zeigt die hellsten Zirkumpolarsterne und deren Abstände zum den Nordpol um 1950 v.Chr.
Der Nordpol war in der Frühbronzezeit tatsächlich ein sternenloses Zentrum.
Von den hellsten Zirkumpolarsternen sind in dieser Himmelskarte acht rot markiert und ebenfalls entsprechend ihrer Entfernung zum Nordpol durchnummeriert. Wie wir sehen stimmt die Lage der Sterne in diesem Moment nicht, aber auch sonst niemals, mit den Positionen der Sterne der Himmelsscheibe überein. Aber die markierten Sterne überschreiten den Meridian jeweils in Paaren zeitlich nahe nacheinander, und zwar: 1 Kocab / Kleiner Wagen + 4 Polaris / Kleiner Wagen; 3 Alkaid / Großer Wagen + 2 η-Drache / Drache; 5 Etamin / Drache + 6 Alderamin / Kepheus; 7 Alphekka / nördliche Krone + 8 Vega / Leier.
Von den 4 Sternenpaaren überqueren zuerst die >ungeraden< Sterne 1, 3, 5 + 7 den Meridian, danach ihre Partnersterne 2, 4, 6 + 8, wie auf der Himmelsscheibe.
Sie haben folgende Abfolge; 3, 7, 2, 8, 5, 1, 6, 4 und zwischen diesen 8 Sternendurchgängen vergehen fast 12 Stunden.
An der Höhe bestimmter Zirkumpolarsterne lässt sich der Breitengrad ermitteln
Da in der Bronzezeit der Handel aufblühte, war es wichtig sich auf den Reisen am Himmel zu orientieren. Der jeweilige Breitengrad entspricht zwar der Höhe des Nordpols über dem Horizont, aber weil damals in der direkten Nähe des Nordpols kein heller Stern leuchtete, war er sehr schwierig zu ermitteln. Daher könnten sich Reisende die Höhe des untersten hellen Zirkumpolarsterns für seinen Heimatort gemerkt haben. Denn dieser gehörte, wenn er nach Süden reiste, bald darauf nicht mehr zu den Zirkumpolarsternen.
Diese Reihenfolge und eventuell Höhenwinkel (Altitude) der Sterne sollte man vermutlich gekannt haben, wenn man in der Frühbronzezeit vom 51. Breitengrad in den Süden reiste: Vega 2,7°; Alphekka 6,2°; Alderamin 10,9°; Etamin 17,3°; Polaris 29,2°; Alkaid 31,8°; η- Drache 33,1°; Kocab 43,6°; Nordpol 51,2°.
Die beiden relativ lichtschwachen Sterne des Drachens, Etamin und η- Drache, könnten zusammen mit dem knapp über dem Nordpunkt stehenden Stern Vega auch zur ungefähren Anpeilung des Nordpols verwendet worden sein.
Das nördliche Himmelsgewölbe
Zeitgleiche Kulminationen von Zirkumpolarsternen können auch zur exakten Ermittlung des wahren Nordens genutzt werden
Kate Spence
„Dr. Kate Spence, University of Cambridge, hat eine überraschend einfache Theorie vorgeschlagen, die -wenn sie stimmt- das genaue Jahr der Grundsteinlegung der Cheopspyramide (plus-minus fünf Jahre!) liefern würde. Den Schlüssel liefert ihr die bislang ebenfalls rätselhafte Ausrichtung der Pyramiden. Schon lange wundern sich die Archäologen darüber, wie exakt die pharaonischen Baumeister es verstanden, die Riesenbauten entlang der Nord-Süd-Achse auszurichten. So weicht die Westkante der Cheopspyramide weniger als ein Zwanzigstel Grad (0,05°) von der Richtung zum Nordpol ab.
Seltsamerweise variiert die Genauigkeit exakt mit der Torkelbewegung der Erdachse, der rund 26.000-jährigen Präzessionsbewegung. Kate Spence vermutet, dass die Ägypter nicht nur einen Stern beobachteten, sondern zugleich zwei: Die Sterne Kocab / Kleiner Bär (obere Kulmination etwa 38°) und Mizar / Großer Bär (2. Deichselstern; obere Kulmination etwa 40,5°) lagen damals ungefähr auf einer Linie mit dem nördlichen Himmelspol – Norden war also dort, wo die Verlängerung ihrer Verbindungslinie in einer Nacht senkrecht auf den Horizont traf. –
Doch nur im Jahre 2.467 vor Christus lag der Himmelspol genau auf der Linie beider Sterne. Davor wird die Abweichung in Westrichtung immer größer und danach verfehlten die Baumeister mit dieser Methode die exakte Nordausrichtung. Mit zeitlich wachsendem Abstand wird dieser Fehler in Ostrichtung immer größer. Aus der Abweichung der Cheopspyramide vom Meridian kann man daher berechnen, wann genau sie eingenordet wurde. Kate Spence gibt zu, dass die von ihr vorgeschlagene Nordungsmethode nur etwa 300 Jahre lang Verwendung fand”4Artikel in der ZEIT.www.zeit.de/2000/47/Cheops%27_Kompass/seite-3.
Diese zwei Zirkumpolarsterne standen zeitgleich übereinander und zeigten zum Nordpol
Von den acht Zirkumpolarsternen, die wir für der Himmelsscheibe von Nebra ermittelt haben, querte folgendes Sternenpaar fast gleichzeitig den Meridian: 6 Alderamin und 1 Kocab stehen in ihren unteren Konjunktionen, 10,8° und 43,6° über dem Horizont. Sie sind von den acht Zirkumpolarsternen am besten geeignet, um die Nordrichtung zu ermitteln, auch weil Polaris am nächsten um den Nordpol kreist.
– Da der Höhenwinkel fast 44° beträgt, muss das Lot so hoch wie möglich aufgehängt werden. Es gilt: Je größer der Abstand zwischen Lot und Peilstange, hinter der der Beobachter steht, desto genauer die Nordmessung. Beide Sterne stehen allerdings erst minimal westlich des Meridians exakt übereinander.
– Zudem war Alderamin in seiner oberen Kulmination am besten geeignet um den Zenit anzuzeigen. Er wäre somit als Heimatstern für die Region sehr geeignet gewesen. Denn mit zunehmender Entfernung, nach Süden oder Norden, eignet sich irgendwann ein anderer Stern besser als Zenit- oder Heimatstern.
Robert Bauval
Der Ägyptologe Robert G. Bauval5Bauval, Robert. www.robertbauval.co.uk The starclock of URSA MAJOR AN URSA MINOR veröffentlichte zu dieser Theorie: Er habe schon vor Kate Spence die Idee gehabt, dass der Kleine und Große Wagen zum Bau der Großen Pyramiden genutzt wurden. Für ihn waren sie außerdem noch die Zeiger einer Sternenuhr. Denn zeitgleich mit Kocab und Mizar, ging etwa 26° südlich vom Ostpunkt, der Stern Rigel aus dem Orion auf und diese große Konstellation sei eine Sternenuhr. Die Ägypter konnten an dem nördlichen Sternenzeiger erkennen, wann der Stern Zeta Orionis >geboren< wurde.
An dieser Stelle fällt auf, dass auf der Himmelsscheibe von Nebra der versetzte Stern im Ostpunkt und der goldene Stern, für den wir Polaris ermitteln konnten, die beiden einzigen größeren Sternenscheiben sind. Dies könnte ein versteckter Hinweis sein. Denn wenn Polaris die obere, südliche Kulmination erreichte war zeitgleich, diesmal genau im Osten, wieder einmal Procyon aus dem Wintersechseck zu sehen (siehe nachfolgende 4. Sternenkarte).
Das Himmelskreuz – Weltenesche, Weltensäule, Yggdrasil
Wenn bei diesem Sternenzeiger Vega 8 direkt im Nordpunkt steht, schlängelte sich das hier rosa eingezeichnete Sternbild Drache, mit den Sternen 5 + 2, um den unsichtbaren Meridian, der aus dem Nordpunkt entsprang. Der >Kastenstern< Dubhe aus dem Großen Wagen stand zeitgleich oberhalb des Nordpols ebenfalls etwa auf derselben Himmelsachse. Dieser lange Sternenzeiger bildete mit dem anderen Sternenzeiger aus Polaris 4 und Alkaid 3, der sechs Stunden davor und danach im Meridian stand, etwa einen rechten Winkel. Und in ihrem Kreuzungspunkt befand sich der Nordpol!
Dies ist das Uhren- und das Himmelskreuz!
Diese Konstellation aus 6 Sternen erinnert an ein Kreuz, das in manchen jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Steinzeichnungen zu finden ist sowie an Darstellungen der altnordischen Weltenesche Yggdrasil oder der germanischen Weltensäule Irminsul.
Eine komplette Sternenuhr – Himmelsscheibe offenbart Himmelsmechanik
Auf der Himmelsscheibe von Nebra sind der versetzte Stern im Ostpunkt und der goldene Stern, für den wir Polaris ermitteln konnten, die beiden einzigen größeren Sternenscheiben.
Denn, wenn in der Himmelskarte 4 Polaris / Kleiner Wagen in der oberen, südlichen Kulmination stand, bildete er mit 3 Alkaid / Gr. Wagen einen Sternenzeiger und genau im Osten war zeitgleich wieder einmal Procyon zu sehen (siehe nachfolgende 4. Himmelskarte)!
Von den ermittelten Zirkumpolarsternen bilden zudem drei weitere Sterne 2 η- Drache, 5 Etamin / Drache und 8 Vega / Leier annähernd einen Sternenzeiger über dem Nordpol.
Verfolgen wir den zeitlichen Ablauf dieser beiden Sternenzeiger vergingen zwischen den vier Stellungen jeweils genau 6 Stunden oder 4x 1/4 der Himmelsansicht, die je nach Region sichtbar waren! Und sie waren zeitgleich mit unser Sechseck- oder Dreieck-Konstellation zu sehen!
Der Schöpfer der Himmelsscheibe hatte den Mechanismus einer kompletten Sternenuhr entdeckt, die einen Tag theoretisch in vier gleiche Teile teilen konnte. Allerdings überstrahlte das Sonnenlicht je nach Tageslänge zwei oder auch drei Sternenzeiger, so dass manchmal nur ¼ Himmelsdrehung beobachtet werden konnte.
Stern überm Nordpunkt, Azimut | zeitgleiche Konstellation in Blickrichtung Süden | Westen / Osten | ||
1.Abb. | Vega, untere Kulmination | Sechseck-Konstellation westlich des Merdians | 6 Stunden später | |
2. Abb. | Polaris 0,7° + Alkaid 1° | Gr. Dreieck im Osten gerade komplett aufgegangen | Procyon etwa im Westen | 6 Stunden später |
3. Abb. | Vega, obere Kulmination | Gr. Dreieck- Konstellation westlich des Meridians | 6 Stunden später | |
4. Abb. | Alkaid 360° + Polaris 357° | Sechseck im Osten, Procyon gerade aufgegangen, Sirius fehlt noch | Procyon im Osten, 90° | 6 Stunden später |
Besondere Auffälligkeiten
Es ist kaum zu glauben, dass sich für acht der Zirkumpolarsterne, die durch die Abstände der Kreislinien ermittelt wurden, eine solche Menge an Übereinstimmungen finden ließ, die möglicherweise zu den in dieser Interpretation zugeordneten Sternen der Himmelsscheibe von Nebra passen könnten. Wer hätte das gedacht. Dies kann kein Zufall sein!
Alle vier Haupthimmelsrichtungen der Himmelsscheibe, die in dieser Interpretation ermittelt wurden, stimmen ziemlich exakt mit den wahren Himmelsrichtungen überein! Sie wurden nicht anhand der Sterne in ihren Auf- oder Untergangsorten ermittelt, sondern anhand einzelner Sternpositionen im Zusammenhang größerer Sternkonstellation. Wenn der nördliche Sternenzeiger aus Polaris und Alkaid mit Procyon im Ostpunkt einen rechten Winkel bildete, ließen sich die Himmelsrichtungen Westen und Süden sehr genau ergänzen. – Ein Mittelpunkt der Himmelsscheibe liegt somit tatsächlich im Schnittpunkt der Linie zwischen den beiden goldenen Sternen im Ost- und Westpunkt und der Nord-Süd-Linie, die durch den Stern Vega verläuft.
Welche Bedeutung der Stern Alphekka / Nördliche Krone hatte, bleibt noch spekulativ, vermutlich diente er den Reisenden als Heimatstern um den richtigen Breitengrad anzuzeigen, da er in Horizontnähe den Nordpunkt quert. Schließlich gehörte er zu dem auffällig schalenförmigen Sternbild Nördliche Krone, dass in Horizontnähe vorbeizog.
Dem Stern Procyon haben wir in dieser Theorie 3x verschiedene goldene Sternensymbole zugeordnet
Und obwohl wir jedem Symbol zuvor schon einen bestimmten Stern zugeteilt hatten, scheint es möglich zu sein, dass zwei der kleinen goldenen Vollkreise zusätzlich noch den Stern Procyon symbolisieren könnten. Procyon ist einmal kurz nach seinem Aufgang im Osten (größeres Goldplättchen als Teil der Sternenuhr), einmal kurz nach seiner Kulmination neben dem Meridian und einmal kurz vor seinem Untergang im Westen zu sehen. Demnach ist eine Mehrfachbelegung gegeben und das ist dann auch für andere Elemente nicht auszuschließen!
Die Position des Nordpols auf der Himmelsscheibe kann ebenfalls auf drei unterschiedlichen Wegen ermittelt werden
Alle Sternensymbole lassen sich offensichtlich ganz konkret zuordnen – Himmelsscheibe offenbart Himmelsmechanik
Der Reiz dieser Scheibe lag für den Erfinder vermutlich vor allem darin, sein komplettes Wissen der Himmelsbewegungen, so eindeutig wie möglich, bildlich darzustellen. Dabei sollten vielleicht nur einige wenige Sternenkundige seiner Zeit, falls sie die Scheibe längere Zeit betrachten durften oder diese in ihren Besitz bekamen, den Inhalt entschlüsseln können.
Doch um das Wissen der Scheibe zu vermitteln, waren sicherlich auch mündliche Erklärungen nötig und daher müssten die hellsten Sterne auch Namen gehabt haben. Der Schöpfer der Himmelsscheibe war in Mitteldeutschland also der erste nachweisliche Astronom (griech. astron = Stern; nemein = benennen).
Und so würden die goldenen Sterne der Himmelsscheibe von Nebra heute heißen:
Die Babylonier überliefern uns auf Keilschrifttafeln, dass sie um 2.500 v.Chr. schon ausgezeichnete Astronomen waren
„2.750 v.Chr. herrschte König Gilgamesch über Uruk, die erste Großstadt der Geschichte, mit 25.000 Einwohnern. Der Herrscher der Stadt war zugleich ihr oberster Priester, der das Leben aller durch einen Kalender regelte. Dem einfachen Volk genügte vorerst der Mond als Zeitweiser, und wenn es an der Zeit war, den Göttern zu danken oder sie um neue Wohltaten zu bitten, sagten es ihnen die Priester. Sie beschäftigten sich besonders mit dem Geschehen am Himmel und wussten bereits um 2.500 v. Chr., dass Sonne, Mond und Planeten auf geschlossenen Bahnen durch den Tierkreis ziehen. Die vier Jahreseckpunkte konnten sie sowohl mit dem Schattenstab, dem Gnomon, als auch aus der Stellung der Gestirne bestimmen. Ihr geheimes Wissen notierten sie auf tausenden Keilschrifttafeln, die unter anderem einen Katalog von 66 Gestirnen und eine Omensammlung mit etwa 7000 Vorzeichen enthalten”6Lenz, Hans (2005). Kalender. Universalgeschichte der Zeit..
Außerdem wurde von ihnen zuerst der Frühlingspunkt im Sternbild Widder beschrieben. Seitdem ist 0° Widder der Frühlingspunkt und auch heute noch der Widderpunkt im sogenannten tropischen Tierkreis der Astrologen.
Weiterlesen: Die 7er Sternengruppe der Himmelsscheibe – Plejaden oder Wintersechseck
- 1Wunderlich, Christian Heinrich (2005). Vom Bronzebarren zum Exponat- Technische Anmerkungen zu den Funden von Nebra. Der geschmiedete Himmel. Herausgeber Harald Meller.
- 2Zum Teil aus: Das große Buch der Astronomie. Kaiser Verlag.
- 3Ernst Künzel. Himmelsgloben und Sternenkarten, S. 44
- 4Artikel in der ZEIT.www.zeit.de/2000/47/Cheops%27_Kompass/seite-3
- 5Bauval, Robert. www.robertbauval.co.uk The starclock of URSA MAJOR AN URSA MINOR
- 6Lenz, Hans (2005). Kalender. Universalgeschichte der Zeit.