Die Kreisscheibe symbolisiert auch die Erde

Wenn die goldene Kreisscheibe die Erde symbolisiert und wir die Lage des Nordpols auf der Bronzescheibe kennen, welche Höhenwinkel könnten auf der Himmelsscheibe noch durch Linienbezüge gekennzeichnet worden sein?

Höhenwinkel mit Tierkreisband

Über uns, direkt über dem Kopf des Beobachters, befindet sich der Zenit.
In Blickrichtung Norden befindet sich der Nordpol. Seine Höhe entspricht dem jeweiligen Breitengrad der Erde und da der Fürst von Leubingen auf dem 51. Breitengrad lebte definieren wir die Höhe des Nordpoles für die folgende Betrachtung auf 51°.
In Blickrichtung Süden steht im rechten Winkel zum Nordpol, also nach weiteren 51°, der Himmelsäquator. Um den Himmeläquator pendelt aufgrund der 23,5°-Neigung der Erdachse, die sich in den 4000 Jahren nur minimal verändert hat, die Ekliptik. Da die “geneigte” Erde in einem Jahr die Sonne umrundet, pendelt die Sonne scheinbar vor dem breiten Band der Tierkreisbilder (gelber Bereich) um den Äquator. Einzelne helle Sterne der Tierkreisbild stehen (wie Procyon und die Plejaden) in dessen direkter Nähe, während andere auch noch unterhalb oder oberhalb von 23,5° zu sehen sind.

Nun ist spannend herauszufinden, ob auch Winkel vom imaginären Nordpol aus, durch die  Positionierung einzelner Elemente angezeigt werden. Die Lage des Nordpols auf der Himmelscheibe hatten wir durch das Zentrum der Parallelkreise der Zirkumpolarsterne ermittelt und er ist auch durch den Schnittpunkt der Verbindungslinie zwischen den Enden des Sonnenbogens mit dem Meridian aufzufinden.

Die wichtigsten astronomischen Winkel

In einer Abbildung der Himmelsscheibe von Nebra kennzeichnen wir jene Stelle des Nordpols und ziehen von dort eine Verbindungslinie zum Mittelpunkt der goldenen Kreisscheibe. Dann tragen wir 51° vom Nordpol nach rechts ab und zeichnen die neue Horizontlinie, die Erdoberfläche. Knicken wir nun die Abbildung an der gezeichneten Horizontlinie und falten den dunklen Teil mit dem unsichtbaren Nachtbogen der Sonne nach hinten weg, sehen wir den Schnitt durch ein etwas zu großes halbiertes Himmelsgewölbe. Wir blicken sozusagen nach Westen.
Auf der anderen Seite des Himmelspols befindet sich auf 39° der Zenit, der exakt mit einem Ende einer linearen Begrenzung des Horizontbogens zusammenfällt! Falten wir die Abbildung noch einmal an dieser Zenitlinie (die nicht die Mittellinie des Halbkreises ist), und wir erhalten einen ziemlich perfekten Viertelkreis!
An die Zenitlinie schließen sich ein 60°-Winkel und ein 30°-Winkel an, die durch Verbindungslinien zu den Sichelspitzen begrenzt werden: Die obere Sichelspitze und ein Horizontbogenende weisen zum Zenit, die Linie zur Mitte der Sichel und die untere Sichelspitze kennzeichnen je 30°.
Dies könnte auch der Grund sein, warum die Sichel so sehr viel größer gefertigt wurde als die Kreisscheibe. Zugleich sollte die Sichel vermutlich die Sterne und den Horizontbogen nicht berühren.

Vermessung einzelner Gestirne über dem Horizont
Der Pendelquadrant zur Höhenmessung. [1]

Mit seinen 30°-Segmenten erinnert das Himmelsviertel an einen Quadranten, der zur Vermessung der Höhe der Gestirne über dem Horizont gedient haben könnte.

Man könnte erkannt haben, dass, wenn man beispielsweise die Linien vom Beobachtungsstandortort zu den 90° Markierungen auf einem Kreisrand am Boden einzeichnete, und diese Kreisschnittpunkte verband, man vier gleich große Dreiecke erhielt. Alle Linien dieser Dreiecke waren gleich lang und alle Winkel betrugen 90°. Auf jeden Fall scheint ein gewisses geometrisches Grundwissen schon vorhanden gewesen zu sein.

 

– Der >fehlende< Horizontbogen könnte, wenn er tatsächlich in der 2. Phase tauschiert wurde, in dieser 3. Herstellungsphase absichtlich entfernt worden sein. Denn in dieser Interpretation mit den Höhenwinkeln könnte die leere Umrandung hervorragend den Nachtbogen der Sonne darstellen, der unter der neuen, einer zweiten, imaginären Horizontlinie verläuft. Täglich dreht sich die Erde um sich selbst, weshalb immer nur eine Hälfte zur Sonne gewandt ist, während die andere im Dunkeln liegt.
– Es kann aber auch sein, dass der Bogen erst in der 4. Herstellungsphase entfernt wurde, als die Löcher am Rand der Bronzescheibe eingeschlagen wurden. Denn durch die beiden Horizöntbögen werden die Löcher am Rand der Himmelsscheibe in folgende Gruppen eingeteilt: 9-11-9-10 oder Teile davon: 9,11,9; 11-9-10; 9-10- 9; 9,9,10.; … und mit nur einem Bogen war es vermutlich leichter sich eine bestimmt Ausrichtung der Himmelsscheibe zu merken, um sich mit den verschiedenen Zählmethoden nicht zu vertun, da sie von links oder rechts beginnend ein anderes Ergebnis liefern.

– Oder der Bogen war aus einem vergänglichen Material oder nie vorhanden gewesen.

[1] Abbildung Pendelquadrant. Astronomie – Die Geheimnisse des Universums; aus der Reihe: sehen – staunen- wissen. Gerstenberg (2003).

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