Steinkreise: era, tagoror, rosa de vientos, …

Dresch- oder Versammlungsplätze, Windrosen, Kalender- oder Kultplätze?

Auf den Kanarischen Inseln gibt es sehr viele Steinkreise. Jedoch sind diese nicht, wie beispielsweise auf den Britischen Inseln oder in der Bretagne, aus einzelnen stehenden, großen Steinen oder Menhiren errichtet. Stattdessen wurden meistens natürlich vorkommende niedrige Steine zu einem geschlossenen Kreis aneinandergelegt oder auch eingegraben. Zudem wurde die Innenfläche häufig waagrecht angelegt und gepflastert.
Die meisten dieser Steinkreise wurden im letzten Jahrhundert noch als Dreschplätze genutzt. Doch einige könnten auch eine andere Funktion gehabt haben.

Auf La Gomera gibt es einen besonders auffälligen Tafelberg, La Fortaleza de Chipude, der von den Ureinwohnern Argodey oder ‘Heiliger Berg‘ genannt wurde. Auf dem Felsplateau und in dessen Umfeld befinden sich zahlreiche archäologische Fundstätten.
In der Nähe vom Aufstiegsort existiert eine sogenannte era, ein Dreschplatz, auf dem Kühe im Kreis geführt wurden, um das Korn aus dem Getreide zu ‘trampeln‘. Er ist am besten zu sehen, nachdem man die Felsen von La Fortaleza erklommen hat. Ein Muster in der Steinpflasterung unterteilt den Kreis in acht Segmente.
Da man durch die Hanglage nur einen beschränkten Weitblick hat, könnte dieses Muster als Windrose genutzt worden sein, um das Wetter vorher zu sagen.

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Im Norden von Teneriffa, oberhalb von San Juan del Reparo fanden wir einen Steinkreis mit ebenfalls einer größeren Steinplatte als Mittelpunkt, von der aber sehr viele Linien strahlenförmig ausgehen. Durch den Bewuchs konnten wir nur für zwei markante Geraden ziemlich exakt 90° Ost und 180° Süd ermitteln.
Im Nachbarort El Tanque, im Ortsteil Barrio Nuevo, gibt es eine Gruppe von fünf ‘Eras del Volcán‘, deren Steinböden ebenfalls strahlenförmig gepflastert wurden.

Ähnliche strahlenförmige Muster sind auch in der Windrose aus der Zeit von Enrique de Navigante auf Teneriffa zu sehen.
Linkes Foto von: http://nuevageografiacanaria.blogspot.de/2015/11/apuntes-sobre-la-conquista-de-las-islas.html.

Auf La Palma konnte wegen des Wassersegens reichlich Getreide angebaut werden und daher waren ebenfalls viele Dreschplätze nötig. Einige befinden sich erstaunlicherweise auch abseits oder weit oberhalb der Felder. Das innere dieser Steinkreise ist häufig unter einer dicken Humusschicht oder Kiefernnadeln begraben.

Die Era de Las Narcises in Tijarafe wurde in einen Abhang gegraben, weshalb eine Stützmauer notwendig war, um eine halbwegs ebene Fläche zu erhalten. Merkwürdig ist, dass in der scheinbar ungeordnet aufgeschichteten Mauer, etwa in der Mitte eine fast senkrechte Fuge erscheint.
In der Nähe des Platzes sind einige Ruinen von Hütten und eine kleine Höhle zu finden. Und dort oben verläuft, über einen schmalen windigen Grat, entlang der Steilwand des tiefen Barrancos de Jieque, ein Weg, von dem man auch zum Rand der Caldera de Taburiente gelangen kann.
Um nachzuschauen, ob der Boden auch strahlenförmig gepflastert ist oder ein Mittelpunkt markiert wurde, müsste man die 20 cm dicke Nadelschicht entfernen. Doch auch wenn keine Hilfslinien zu sehen sind, fallen hier drei markante Öffnungen im Steinkreis auf. Als hier noch keine Kiefern wuchsen, konnte man vielleicht vom Mittelpunkt aus den Südpunkt anpeilen oder von der Mitte der Steinmauer, durch die beiden anderen Öffnungen die Sonnenuntergangsorte zur Wintersonnenwende und den Westpunkt.
Neben den Visieröffnungen sind jeweils Steine mit einer größeren flachen Oberfläche eingebaut worden, die auch als Sitze geeignet sind. Könnte es sich bei dem Era de Las Narcises eher um einen Versammlungsplatz mit Kalenderfunktion handeln, als um einen Dreschplatz? Vereinen manche Steinkreise eventuell mehrere Nutzungsmöglichkeiten?

Folgende Steinkreise könnten beispielsweise auch eine astronomische Bedeutung haben:

 Eigentlich sind Sitzplätze in Form von mehreren flachen oder liegenden Steinen im Außenrand eines Steinkreises ein Merkmal für einen sogenannten tagoror; einen einigermaßen ebenen, runden Platz mit einer Steineinfassung, auf dem sich aus der jeweiligen Region der Stammesführer mit dem Rat der Ureinwohner versammelte.

Hier einige Beispiele, wie Autoren einen tagoror beschrieben haben:

  • ESPINOSA, Alonso de ([1594] / 1952). Historia de Nuestra Señora de Candelaria. Autores secundarios: Elias Serra Ráfols, Buenaventura Bonnety Néstor Álamo. Goya Ediciones. Págs. 1-216; 54.
  • ABREU GALINDO, Fray Juan de ([1602] / 1977). Historia de la conquista de las siete islas de Canaria. Goya Ediciones. Santa Cruz de Tenerife. Págs. 1-367; 300.
  •   VIERA Y CLAVIJO, José de ([1772–1773] / 1950). Historia de Canarias. Noticias de la historia general de las Islas Canarias. Goya-Ediciones. Santa Cruz de Tenerife, 1950. Tomo I. Págs. 1–445; 196.

Bei dem Steinkreis auf dem Geländerücken El Lomito in Juan Adalid / Garafía finden wir waagrechte Steinplatten, die vermutlich als Sitzflächen genutzt wurden. Obwohl dieser gepflasterte Platz als era / Dreschplatz bezeichnet wird, könnte er einen sehr viel älteren Ursprung haben (siehe: La Zarcita / El Lomito de Juan Adalid).

En el interior de la elipse de piedras está una especie de tagoror con asientos.
Im Inneren des ovalen Steinkreises, befindet sich an dessen unterem Ende, ein weiterer vertiefter Steinkreis mit Sitzbänken.

Auch am Pico de Bejenado / El Paso befindet sich ein tagoror. Doch diesen hat der Archäologe Dr. Jorge Pais ausführlich beschreiben: https://www.eldiario.es/lapalmaahora/lapalmaopina/Benehauno-Jorge-Pais_6_630696931.html .

Auf dem letzten Foto sehen wir schließlich einen Steinkreis auf dem Berg Montaña de Tamarahoya / El Paso, den der Archäologe Dr. Pais Pais ebenfalls als tagoror bezeichnet. Der dicke Stein im Vordergrund könnte, ebenso wie die beiden auf der anderen Seite, deren komplette Oberfläche abgeflacht und gemuldet ist (Opfersteine?), bestimmte Himmelsrichtungen markieren. Das gleich gilt für die angrenzende Hausruine. – Leider hatten wir bei dieser Wanderung keinen Kompass dabei.

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Kann man auf einigen dieser gepflasterten Steinkreise Brandspuren nachweisen? Könnten einige vielleicht auch als einigermaßen ungefährliche Feuerplätze genutzt worden sein, um per Feuer- oder Rauchzeichen eine Nachricht zu verbreiten? Bestand zwischen dem ein oder anderen der Plätze früher Sichtkontakt?


Wo genau befand sich der tagoror beim Wohnhaus des IAC und hatte er auch astronomische Auffälligkeiten (Iruene 2012: Aguanes, página 47, El Baladero del Salón Colorado)?

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