Schlagwort-Archive: Horizontbögen

Prof. Wolfhard Schlosser hat erkannt, dass die randlichen Objekte der Himmelsscheibe von Nebra die Pendelbereiche der Sonne darstellen. Die sechs extremen Sonnenorte der vier Jahreseckpunkte werden aber auch durch Tierkreissterne vor den Enden der Horizontbögen symbolisiert.

Tierkreissterne nicht direkt vor den Enden der Horizontbögen

In der Abbildung sehen wir, dass auf der Himmelsscheibe die Tierkreissterne nicht exakt vor den Enden der Horizontbögen platziert wurden.

Die Namen der hellen Tierkreissterne, die auf der Himmelsscheibe abgebildet sind. Die Sterne vor den Horizontbögen.

Das hat zwei Hauptgründe:

  1. Wie erwähnt stehen zu den Solstitien und Äquinoktien die Sterne nur in der Nähe der vier markanten Punkte der Ekliptik. Dadurch können die Auf-und Untergangsorte der Sonne von denen der benachbarten Sterne abweichen.
  2. Zudem arbeiten die Computersternenkarten mit einer flachen Horizonteben. Es existiert rundum keine Erhebung, während der Beobachter solche Bedingungen nur am Meer vorfindet. Allerdings befinden sich am Horizontkreis stets Unregelmäßigkeiten, die durch die dreidimensionalen Landschaftsformen, wie Berge und Täler, entstehen. Eine Erhöhung des Reliefs würde die Orte der Sichtbarwerdung oder des Erlöschens weiter südlich verschieben. Bei einer Vertiefung verhält es sich andersherum.

Aus diesen Gründen kann die Position der in der Computerarte an den vier Jahreseckpunkten dargestellten Sterne nicht mit den goldenen Applikationen der Himmelsscheibe übereinstimmen.

Man muss den Herstellungsort der Himmelsscheibe und die dort vorherrschenden Höhenunterschiede am Horizontkreis kennen! Erst dann kann man die Positionen der Tierkreissterne am Horizont mit der Anordnung der Sternenplättchen vor den Horizontbögen vergleichen.

Aber trotz der unbekannten Geländeformationen am Ursprungsort wird es sich mit sehr großer Wahrscheinlichkeit um jene Sterne handeln.

Die Lichtbrechung in unserer Lufthülle versetzt horizontnahe Auf- und Untergänge der Sonne nach Norden

Ein weiterer Grund warum die Sterne nicht vor Enden der Horizontbögen angebracht wurden

Prof. Wolfhard Schlosser hat erkannt, dass die randlichen Objekte der Himmelsscheibe von Nebra die Pendelbereiche der Sonne darstellen. Die sechs extremen Sonnenorte der vier Jahreseckpunkte werden aber auch durch Tierkreissterne vor den Enden der Horizontbögen symbolisiert.

Wolfhard Schlosser hat festgestellt, „dass der Mittelpunkt der Scheibe die Horizontbögen etwas asymmetrisch erscheinen lässt. Und zwar so, dass der goldfreie Sektor in Richtung Sonnenbarke [nach Süden; der Winkel von M nach A und B] 5-6 Grad  größer ist als in entgegengesetzter Richtung. Dies ist auch zu erwarten, wenn vom Beobachtungsort aus der obere Sonnenrand am Horizont und nicht der untere als Sonnenauf- oder -untergang verstanden wurde.

Wäre die Sonne punktförmig und hätte die Erde keine Atmosphäre, so lägen die Punkte A-D (= die Enden der beiden Horizontbögen) exakt symmetrisch zur Scheibenmitte. Die Lichtbrechung in unserer Lufthülle – die dem bronzezeitlichen Menschen sicher unbekannt war , aber in allen Beobachtungen enthalten sein muss – versetzt jeden dieser vier Punkte um etwa ein Grad nach Norden, der obere Sonnenrand um ein weiteres halbes Grad“ (Schlosser, 20081Schlosser, Wolfhard. Die Himmelsscheibe von Nebra – Astronomische Untersuchungen. Der geschmiedete Himmel. Herausgeber Harald Meller. Seite 45-46).

Die astronomische Refraktion

„Bei Sonnenuntergang ist der obere Rand der Sonne auch dann noch sichtbar, wenn sie bereits komplett unterhalb des Horizonts steht – ein Ergebnis der astronomischen Refraktion. Entscheidend für die Refraktion, die Brechung des Lichts, ist der Übergang eines Lichtstrahls von einem Medium zu einem anderen. Das Medium ist der Stoff, das Material, durch den sich der Strahl fortbewegt – zum Beispiel Luft, Wasser, Glas oder ein Vakuum. Jedes dieser Medien …” (time and date).

Für die Untersuchung der Tierkreissterne spielt die Lichtbrechung der Erdatmosphäre dagegen keine große Rolle, da die Sterne eher punktförmig wirken.

Schlussfolgerungen von Wolfhard Schlosser müssen nicht unbedingt richtig sein

Schlosser geht von einem mathematischen Horizont aus, einer künstlichen Horizontebene, die wie das Meer spielgelglatt ist. Diese Ebene steht im rechten Winkel zur Lotrichtung. Aber von einem Beobachtungsort auf dem unebenen Festland öffnet sich in der Regel ein Horizontkreis mit Erhebungen oder von einem Berg aus gesehen auch mit Senken.

Außerdem berücksichtig Schlosser nicht, dass der fehlende Horizontbogen auffällig länger war, als der noch existierende. Warum geht er auf dieses Detail nicht ein? Schließlich könnte der Längenunterschied insbesondere auf das unterschiedliche Geländerelief am Horizontkreis zurückzuführen sein.

Zudem es könnte sein, dass die Horizontbögen gar keinen Bezug zum Mittelpunkt der Himmelsscheibe haben. Da die Bronzescheibe ja kalt geschmiedet wurde, konnte der Schmied schwerlich eine exakte Kreisform erzielen. – Wurde der Mittelpunkt nicht eher wie in der Realität vom Standort des Beobachters in Bezug zu bestimmten Sternen definiert? In dem Fall könnte ein Kreuzungspunkt durch bestimmte Sterne definiert worden sein.

Stimmen die Himmelsrichtungen, die Wolfhard Schlosser festgelegt hat, für alle dargestellten Bildelemente? Könnte es nicht sein, dass man für unterschiedliche Aspekte andere Definitionen verwendete?

Fazit

Die Enden der Horizontbögen haben einen Bezug zur Sonne.

Die Tierkreissterne vor den Enden der Horizontbögen unterliegen an erste Stelle ihren eigenen Gesetzen. Und erst an zweiter Stelle werden sie mit der Sonnenbahn in Bezug gebracht.

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    Schlosser, Wolfhard. Die Himmelsscheibe von Nebra – Astronomische Untersuchungen. Der geschmiedete Himmel. Herausgeber Harald Meller. Seite 45-46

Die scheinbare Bahn der Sonne wird Ekliptik genannt

Unser Sonnensystem ähnelt einer flachen Scheibe, in der die zentrale Sonne von den Planeten und unzähligen kleineren Himmelskörpern umkreist wird. Darin stellen wir uns die gleichbleibende wahre Bahn der Erde um die Sonne als einen imaginären Kreis vor, der Ekliptik genannt wird. Aber von der Erde aus gesehen erscheint die Ekliptik als veränderliche, scheinbare Bahn der Sonne, die in der Mitte des Tierkreises verläuft.

Beobachtet man die Sonne vor dem Hintergrund des Sternenhimmels, so variieren die sonnennahen Sterne nahezu täglich. Denn die Sonne wandert jeden Tag im Tierkreis circa ein Grad weiter nach Osten.
Dabei geht sie ein halbes Jahr lang immer südlicher am Horizontkreis auf und unter. Das bedeutet, dass unser Tagesgestirn jetzt zunehmend niedrigere Umlaufbahnen von benachbarten Sternen teilt. Die Tage kürzer werden.
Doch von der Wintersonnenwende bis zur Sommersonnenwende gewinnt sie wieder an Höhe. Nun erscheint sie mit anderen Sternen, deren Aufgangsorte sich am Horizont in nördlicher Richtung aneinanderreihen.

Allerdings werden all diese nur punktförmig erscheinenden Gestirne tagsüber vom helleren Sonnenlicht überstrahlt.

Also kann man den veränderlichen Lauf der Sonne nur anhand der hellen Sterne verfolgen, die ihr in der Morgen– oder Abenddämmerung vorausgingen oder folgten. Selbstverständlich handelt es sich in dem Fall um Sterne der Tierkreissternbilder. Schließlich wurde der Zodiakus ja überhaupt erst definiert, um die Bewegungen der wandelnden Gestirne zu beschreiben.

Auf der Himmelsscheibe symbolisieren zwei Randbögen die scheinbare Bahn der Sonne

Die Tagesbögen der scheinbaren Bahn der Sonne an den Tagen der Solstitien und Äquinoktien.
Die Himmelsrichtungen stimmen mit der Interpretation von W. Schlosser überein. Die Tagesbögen wurden einer Zeichnung der University of Oregon, dem 52. Breitengrad entsprechend, entnommen. Aber weil ein Horizontbogen länger ist, laufen die Linien nicht parallel.

Laut Wolfhard Schlosser (20081Schlosser, Wolfhard. Die Himmelsscheibe von Nebra – Astronomische Untersuchungen. Der geschmiedete Himmel. Herausgeber Harald Meller. Seite 44) definieren zwei später ergänzte Horizontbögen, die Pendelbereiche der Sonnenauf- und Untergänge am Horizontkreis.
Dank dieser Erkenntnis können wir wie W. Schlosser schlussfolgern, dass die oberen und unteren Enden der goldenen Horizontbögen die Sonnenwenden anzeigen. Heutzutage treten diese kalendarischen Ereignisse um den 21. Juni beziehungsweise 21. Dezember ein.

Folglich befinden sich ungefähr in der Mitte der Bögen der Ost- und Westpunkt des Horizontkreises mit den Tag-und-Nacht-Gleichen. Dieser Termin entspricht etwa dem 21. März und dem 23. September.

Die Solstitien und Äquinoktien sind vier ganz besondere Ekliptikpunkte, die im Jahreslauf auch kalendarische Funktionen erfüllen.

Am Morgen der Wintersonnenwende geht die Sonne im Südosten auf, wenn die Ekliptik, die Mittellinie des Tierkreises, von Südost nach Nordwest verläuft. Um die Mittagszeit erreicht sie ihre niedrigste und zentrale Stellung zwischen dem Ost- und Westpunkt. Und abends, wenn unser Tagesgestirn im Südwesten untergeht, erstreckt sie sich Südwest nach Nordosten.
Aber da es sich um die imaginäre Mittellinie des Tierkreises handelt, ist sie natürlich nie zu sehen. Und die Sterne werden vom gleißenden Sonnenlicht überstrahlt.

Vom Bewegungsablauf der Ekliptik nehmen wir nur den Auf- und Untergangsort der Sonne sowie ihren Höchststand über dem Südpunkt wahr. Aber in der Dämmerung und des nachts leuchten beiderseits der Ekliptik die Sterne des Zodiakus.

Weiterlesen: Die Himmelsscheibe symbolisiert auch die Extremstellungen des Tierkreises


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    Schlosser, Wolfhard. Die Himmelsscheibe von Nebra – Astronomische Untersuchungen. Der geschmiedete Himmel. Herausgeber Harald Meller. Seite 44

Die Himmelsscheibe symbolisiert auch die Extremstellungen des Tierkreises

Es wurden auf der Himmelsscheibe vermutlich zuerst die Extremstellungen der Sonne anhand heller Sterne des Tierkreises dargestellt.
Es wurden auf der Himmelsscheibe vermutlich zuerst die Extremstellungen der Sonne anhand heller Sterne des Tierkreises dargestellt.

Stellen wir uns gedanklich in die Mitte der Bronzescheibe, so scheint ihr Rand den Horizontkreis am Standort des Beobachters zu symbolisieren. Die sechs in der Zeichnung orange markierten Sterne könnten ungefähr die Enden der Extremstellungen des Tierkreises anzeigen.

Der Zodiakus erreicht:
* eine Hochstellung, vom Ostpunkt bis zum Westpunkt
* eine westliche Extremstellung von Südost nach Nordwest
* eine Flachstellung, wiederum vom Ostpunkt zum Westpunkt
* eine östliche Extremstellung von Südwest nach Nordost

Er wird aus zwölf Sternbildern gebildet. Je sechs Tierkreissternbilder erreichen im Laufe eines halben Jahres nacheinander immer höhere Umlaufbahnen. Danach folgen die sechs anderen auf immer niedrigeren Bahnen. Diese veränderlichen Höhen spiegeln den scheinbaren Jahreslauf der Sonne, vom  niedrigsten zum höchsten Tagesbogen und zurück.

Da die Erde die Sonne in 24 Stunden umrundet, ereignen sich in diesem Zeitraum auch alle vier Extremstellungen des Tierkreises. Aber im Laufe einer Nacht sind immer nur sechs Tierkreissternbilder gleichzeitig am Firmament sichtbar. Ständig erhebt sich am östlichen Horizont ein neues, während im Westen ein anderes untergeht. Das bedeutet, dass der Zodiakus als eine in Wellen verlaufende Erscheinung wahrgenommen wird. Die Positionen der Tierkreissternbilder verschieben sich permanent, was besonders am Horizont auffällt. Nach jeweils 6 Stunden passiert der Tierkreis, nur für einen kurzen Augenblick, seine nächste Extremstellung.

Aber die Sterne in Horizontnähe sind nur sichtbar, wenn die Sonne unter dem Horizont in einer ausreichenden Tiefe steht. Daher können Tierkreissterne erst eine Weile nach dem Sonnenuntergang auf die nächste Extremstellung der Ekliptik hinweisen.

Beispielsweise erreichte in der Nacht nach Wintersonnenwende zuerst SPICA den Ostpunkt auf einer Höhe von rund 13 Grad. Zeitgleich erlosch HAMAL im Dunst der Erdatmosphäre über dem Westpunkt. Da in deren Nähe keine anderen hellen Tierkreissterne entlang der Ekliptik existieren, konnte die eigentliche Hochstellung nicht wahrgenommen werden. Sie erfolgte rund eine Stunde später.

Die Sonnenauf- und Untergangsorte der vier Jahreseckpunkte werden durch diese Sternensymbole markiert

Alle vier Extremstellungen des Tierkreises erfolgen in 24 Stunden

Sehen wir uns nun exemplarisch die Situation zur Wintersonnenwende an. An jenem Tag lief die Sonne auf ihrer niedrigsten Umlaufbahn von Südost nach Südwest. Ihr Tagesbogen begann, als die Ekliptik die westliche Schrägstellung erreichte. Mittags trat die Flachstellung und abends östliche Schrägstellung ein. Es war der kürzeste Tag des Jahres.

Aber die Sterne blieben in den Dämmerungszeiten immer eine gewisse Zeit unsichtbar, da das Sonnenlicht sie überstrahlte. Je nach ihrer Leuchtkraft mussten sie ein paar Grad über und zusätzlich die Sonne weit unter dem Horizont stehen. Aus diesen Gründen konnte nach Sonnenuntergang erst die folgende Extremstellung der Ekliptik anhand von zwei Sternen erkannt werden.
In der Frühbronzezeit erfolgte dies, bis auf eine Ausnahme, nachdem bestimmte helle Zirkumpolarsterne den Meridian passiert hatten. – Diese nördlichen Sterne sind auch auf der Himmelsscheibe von Nebra dargestellt.

Tierkreissterne können oft die Extremstellungen des Tierkreises und der Sonne markieren, aber nur sehr selten die Ekliptik

Jedoch zeigt die folgende Karte, dass die durch je zwei Sterne symbolisierten Ekliptikverläufe nicht mit den Extremstellungen völlig übereinstimmten. Das absolute Extrem stand noch bevor oder war schon vorbei. Denn die Teilstrecken der Ekliptik zwischen SO und NW, NO und SW sowie O und W sind durch die extremen Horizontorte der Sonne eindeutig begrenzt.

Aber die Sterne befinden sich nicht genau an den Enden dieser Teilstrecken. Sie stehen in der Regel weiter östlich oder westlich davon sowie zusätzlich nördlich oder südlich der Ekliptik.
Aber damals zählte wohl nur die visuelle Erscheinung, welche Sterne möglichst genau die markanten Horizontpositionen der Sonne markierten. Dass dies zeitlich nicht mit der nächsten Extremstellung zusammenfiel war offensichtlich unwichtig und konnte ja auch nicht gemessen werden. Es ging den Schöpfern der Himmelsscheibe darum, das Wissen um die Bewegung des Tierkreises darzustellen.

Extremstellungen der Sonne und annähernd die zeitlich nächste Extremstellung des Tierkreises.
Da die Erde die Sonne in 24 Stunden umrundet, ereignen sich in diesem Zeitraum auch alle vier Extremstellungen des Tierkreises. Aber die Sterne in Horizontnähe können erst sichtbar werden, wenn die Sonne schon eine Weile unter dem Horizont verschwunden ist. Daher können die Tierkreissterne nach Sonnenuntergang natürlich nur die nächste Extremstellung der Ekliptik anzeigen. Diese Situation ist auch auf der Himmelscheibe von Nebra dargestellt.

In dieser Abbildung habe ich verschiedene Sternenkarten kombiniert. Die Basiskarte zeigt die Tierkreissterne SPICA und HAMAL, die am Tag der Wintersonnenwende nach Sonnenuntergang der Sonne vorausgingen oder folgten. Sie wurden in der Karte gelb-orange hervorgehoben sowie auch die sechs Sterne, die an den der drei anderen Jahreseckpunkten erschienen. Jeweils ein Sternenpaar ist in der Karte durch eine rote Linie verbunden, die die Ekliptik anzeigt. Diese Sterne symbolisieren die scheinbare Bahn der Sonne und / oder die Extremstellungen des Tierkreises.

Achtung: In einer heutigen Sternenkarte befindet sich Osten rechts und Westen links! Obwohl ich dies genau weiß, vergesse ich es leider immer wieder mal, da ich viel mit Landkarten arbeite.

So heißen die Sterne vor den Horizontbögen der Himmelsscheibe, die nach Sonnenuntergang an den Extremstellungen der Ekliptik erschienen

Die Namen der hellen Tierkreissterne, die auf der Himmelsscheibe abgebildet sind.

Zur Wintersonnenwende ging die Sonne im Südwesten unter und markierte in dem Moment exakt die östliche Schrägstellung der Ekliptik.
Nach rund 8 Stunden verkündeten zwei helle Tierkreissterne das nächste Extrem, die Hochstellung. Es erschienen zeitgleich die Sterne SPICA über dem Ostpunkt sowie HAMAL am Westpunkt.

In der Nacht des Sommersolstitiums wandert die Sonne auf ihrer höchsten Bahn von Nordost nach Nordwest. Aber zum Zeitpunkt ihres Untergangs trat die westliche Schrägstellung ein.
Circa 4 Stunden danach zeigte sich erneut HAMAL, aber diesmal im Ostpunkt. Rund 20 Minuten später erlosch ZUBENELGENUBI beim Westpunkt, kurz vor der Flach- oder Tiefstellung.

Da diese drei Sterne an denselben Visierpunkten zu beobachten waren, scheinen sie auf der Himmelsscheibe nur durch zwei Sternensymbole mittig vor den Horizontbögen dargestellt zu sein.

Zur Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche verschwand unser Tagesgestirn genau im Westen, zur Hochstellung der Ekliptik.
Nach etwa 8 Stunden erfolgte die westliche Extremstellung. Zuerst wurde der NUNKI im Südosten sichtbar und etwa 3 Minuten später CASTOR auf 310° im Nordwesten.
(POLLUX erschien ebenfalls auf 310°, aber erst um 00:07 Uhr. Dafür war er nur 3° über dem Horizont sichtbar, weshalb sich sein Standort besser anpeilen ließ. Eigentlich waren in der Frühbronzezeit CASTOR und POLLIX dazu geeignet das nordwestliche Ende der Extremstellung zu kennzeichnen.)

Zum Herbst-Äquinoktium als die Sonne wieder am Westpunkt abtauchte, war die Tiefstellung erreicht.
Ungefähr 3 Stunden später symbolisierte DENEB ALGEDI, etwas zu südlich, das südwestliche Ende der östlichen Schrägstellung. REGULUS ging erst rund 1 ½ Stunden später im Nordosten auf. Weitere helle Tierkreissterne waren in dem Zeitraum nicht in NO zu sehen.

Von der östlichen Schrägstellung über die Hochstellung bis zur westlichen Schrägstellung vergehen jeweils rund 8 Stunden. Aber von letzerer Formation bis zur Flachstellung und zurück zur östlichen Schrägstellung dauert es nur je 4 Stunden.

Weiterlesen: Tierkreissterne nicht direkt vor den Enden der Horizontbögen


Wie man die Tierkreissterne der Himmelsscheibe ermittelt

Um die Tierkreissterne der Himmelsscheibe zu ermitteln, müssen wir den Rhythmus des Zodiakus und seine täglich variierenden Erscheinungsformen verstehen.

Der Tierkreis im Laufe eines Tages

Wenn wir jede Nacht den Verlauf des Zodiakus verfolgen, sehen wir wie sich nach einigen Tagen das westlichste von sechs Tierkreissternbildern ganz langsam verabschiedet. Dafür taucht ein anderes im Osten auf.
Erst nach einem Jahr werden alle zwölf Sternbilder des Zodiakus den Kreislauf vollendet haben und wieder zu ihrer Ausgangsposition zurückgekehrt sein.

Dies hört sich ganz einfach an. Doch die Tierkreisbilder bewegen sich auf unterschiedlich großen Umlaufbahnen. Dadurch entsteht ein ganz spezifisches Bewegungsmuster. Und zwar verschiebt sich jeweils ein Viertel der sichtbaren Länge des Tierkreisgürtels über dem Horizont.

Im Laufe eines Tages gibt es vier Extremstellungen: Eine Hochstellung mit dem Südpunkt als Zentrum, eine westliche Schrägstellung, eine zentrale Tiefstellung und eine östliche Schrägstellung. Diese Extremstellungen ereignen sich jeden Tag rund 4 Minuten später.

Der Verlauf des Zodiakus jeweils zu Beginn eines Vierteljahres

Nun könnten wir theoretisch sehen, dass im Auf- und Untergangsort der Sonne eine dieser Extremstellungen begann. Allerdings ließ sich dies früher nur durch Astronomen im Rückblick ermitteln, da das helle Sonnenlicht in dem Moment noch die horizontnahen Tierkreissterne überstrahlte.

Die Tierkreissterne der Himmelsscheibe in Bezug zu modernen Sternenkarten

Tierkreissterne der Himmelsscheibe. Vor den Horizontbögen, die auch die Sonnenwenden und Tag-und-Nacht-Gleichen symbolisieren, befinden sich Sterne des Tierkreises.
Auffälligerweise befinden sich ungefähr vor den Enden und in der Mitte der Horizontbögen der Himmelsscheibe Sternensymbole.

Aus den zuvor beschriebenen Gründen ist es nicht so einfach den goldenen Sternensymbolen vor den Enden und in der Mitte der Horizontbögen entsprechende Sterne des Tierkreises zuzuordnen.

Hinzukommt, dass die Himmelsrichtungen in der frühbronzezeitlichen Darstellung des Sternenhimmels von unseren Sternenkarten abweichen. Dadurch können bei einem Vergleich leicht Flüchtigkeitsfehler unterlaufen. Denn, bekanntermaßen stellen moderne Karten immer die Himmelsrichtungen Osten und Westen gespiegelt dar. Und außerdem müssen sie zur südlichen oder nördlichen Blickrichtung ausgerichtet werden.

So wird der komplexe Umschwung des Tierkreises verständlich

Um den Symbolen vor den Horizontbögen der Himmelsscheibe bestimmte helle Tierkreissterne zuzuordnen, gilt es die Bahnen, die Reihenfolge sowie die zeitlichen Erscheinungen der Tierkreissternbilder kennenzulernen.

Daher beschäftigen wir uns zum leichteren Verständnis zuerst mit den täglichen Kreisbögen der Fixsterne. Danach untersuchen wir bestimmte Eigenschaften der Sonne. Denn ihre täglich leicht veränderte Position vor dem Hintergrund des Sternenhimmels bildet die Mittellinie des Tierkreises. Und im Anschluss befassen wir uns dann mit den Tierkreissternbildern und dem komplizierteren Rhythmus des Zodiakus

Folgende Himmelserscheinungen werden erläutert um die Tierkreissterne der Himmelsscheibe zu deuten:

Tierkreissterne-der-Himmelsscheibe.jpg
Der Pfad der Ekliptik um die Sonne und durch den Tierkreis. Tau’olunga (2006). Wiki Commons.

Die 4 Extremstellungen des Tierkreises

Die scheinbare Bahn der Sonne oder die Ekliptik verläuft in der Mitte des >Tierkreisbandes<. Sie verschiebt sich täglich zur selben Zeit betrachtet um vier Minuten, wodurch man im Laufe eines Sonnenjahres an den vier >Jahreseckpunkten< auch ihre vier Extremstellungen beobachten kann.  

Es wurden auf der Himmelsscheibe vermutlich zuerst die Extremstellungen der Sonne anhand heller Sterne des Tierkreises dargestellt.
Auf der Himmelsscheibe von Nebra wurde vermutlich Extremstellungen der Sonne zuerst die anhand heller Sterne des Tierkreises dargestellt.

Diese Extremstellungen konnten, besser als an der Sonne (weil in vielen klaren Nächten und nicht nur an wenigen Tagen), anhand jeweils eines hellen, ungefähr zeitgleich sichtbaren Sternenpaares aus zwei Tierkreisbildern erkannt werden (hier durch orangene Linien verbunden).  Ein Stern zeigte im Osten den Anfang und ein anderer das westliche Ende der Ekliptik an.

Um 1950 v.Chr. konnte in Mitteldeutschland in den Nächten um die Solstitien, in der Nähe der Visurpunkte der Sonnenauf- und Untergänge am Horizont, entweder die östlich oder westliche Schrägstellung der Ekliptik, durch jeweils ein zeitgleich sichtbares südliches und nördliches Sternenpaar beobachtet werden. In der Frühbronzezeit standen sich am Horizontkreis diagonal gespiegelt gegenüber: Deneb Algedi / Steinbock + Regulus / Löwe sowie Pollux / Zwillinge + Nunki / Schütze.

An den Äquinoktien standen nachts zeitgleich je zwei helle Tierkreissterne nahe der Ekliptik ziemlich genau über den Ost- und Westpunkten. Diese waren nur einen kurzen Moment lang an horizontal gespiegelten Horizontpunkten zu sehen. Damals zeigten folgende Sterne die Hoch- oder Flachstellung der Ekliptik an: Spica / Jungfrau + Hamal /Widder sowie Hamal / Widder + Zubenelgenubi /Waage.

Somit symbolisieren diese Sternenpaare alle Extremstellungen des Tierkreises, die aber auch in anderen Nächten zu sehen waren.

Mehr dazu: Sterne in der Nähe der Ekliptik

 

 

Die Sonnen- und Mondwenden und die Horizontbögen

 Die beiden randlichen Objekte der Himmelsscheibe von Nebra, von denen nur eines erhalten ist, deuten wir als sogenannte Horizontbögen, sie zeigen die Pendelbereiche der Sonne. Hält man die Scheibe horizontal, so bezeichnet der rechte Bogen den Bereich, innerhalb dessen die Sonne während eines Jahres aufgeht: am oberen Rand am 21. Juni und am unteren Rand am 21. Dezember. Entsprechendes gilt für die linke Seite, die Seite der Sonnenuntergänge.“ [1]
2. Phase MondwendenDurch die Horizontbögen lassen sich laut Prof. Wolfhard Schlosser exakte Himmelsrichtungen festlegen, die alle unsere bisher ermittelt Richtungen vertauschen. Norden mit Süden und Osten mit Westen. Denn nun sind die Bewegungen des Taghimmels ergänzt worden. Wenn die Sonne am Tage überm Himmelsrand steht, ist die Nacht mit den Sternen in der anderen Himmelshälfte. Deshalb wird für die neuen Symbole des Taghimmels die Bronzescheibe um 180° gedreht. Die Goldelemente des Nachthimmels sind nun wegzudenken, denn jetzt zählt nur die Sonnenbeobachtung im Pendelbereich der Auf- und Untergänge, die anhand der Horizontbögen hervorragend die bisherigen Bildinformationen ergänzen.

Harald Gränzer hat folgende Beobachtung gemacht: „Die beiden Horizontbögen der Himmelsscheibe von Nebra werden jeweils an ihren beiden Enden durch deutlich lineare Abschlüsse begrenzt. Diese linearen Begrenzungen weisen alle deutlich in eine einzige Richtung. Die einzige Ausnahme bildet der nördliche Abschluss des östlichen Bogens, der in drei linearen Begrenzungen abschließt.“ [2]
Auch wenn die Linien durch die kurzen Bogenenden der beiden Horizontbögen sich leicht variabel ziehen lassen, lässt sich nicht leugnen, dass sie alle in der Hauptrichtung auf die Kreisscheibe zeigen. Dies könnte eine Hilfestellung sein, damit wir in den Randbögen auch die Sonne erkennen.
Norbert Gasch hat dazu eine bessere Idee: „Jetzt zeigt sich, dass sich diese Randbögen auch anders interpretieren lassen, und zwar als Mondwenden. … Geht man indessen davon aus, dass die auffällige runde Markierung, allgemein als Sonne verstanden, das Zentrum der Betrachtung darstellt, wodurch man sich durch die Führung der oberen und unteren radialen Kanten der beiden Bögen auch veranlasst sehen kann, so ergeben sich zwei Winkel, die 109 und 66 Grad weit sind. Die mathematische Berechnung führt im Mittel zu einer geographischen Breite von 53,5 Grad, die refraktions- und parallaxenbereinigt etwa 52,6 Grad Nord ergibt.“ [3]

Berechnungen der geographischen Breite können nur ein ungefähres Ergebnis liefern, da die Höhe des Horizontrandes mit eingerechnet werden muss. Doch bisher wissen wir nicht, wo die Himmelsscheibe von Nebra tatsächlich gefertigt wurde, auf welcher Höhe daher der Beobachtungsort selber liegt und ob nicht  vielleicht durch Berge oder Gebirgszüge einzelne Gestirne am Horizontrand weiter südlich auf- und untergehen.

Wir stellen auch fest, dass sich der Standort des Beobachters auf der Himmelsscheibe geändert hat! Zuvor haben wir gedanklich im Mittelpunkt der Nord-Süd- und Ost-West-Achse gestanden. Zur Beobachtung der Mondwenden haben wir nun die Erde mit dem Horizontkreis um uns herum verlassen und sind in den Mittelpunkt der goldenen Kreisscheibe >gewandert<. Diese goldene Kreisscheibe symbolisierte zuvor die Sonne und / oder den Vollmond. Doch die Winkel der Mondwenden zeigen, wie die Horizontbögen, annähernd denselben Breitengrad der Erde! Symbolisiert die Kreisscheibe demnach nun auch die Erde?

Da für die beiden großen Kreiselemente verschiedene Interpretationsmöglichkeiten zutreffen, die sich gegenseitig widersprechen, scheinen nun auch die Randbögen eine doppelte Bedeutung zu haben.


[1] Harald Meller (2005), “Der geschmiedete Himmel” – Wolfhard Schlosser: Die Himmelsscheibe von Nebra – Astronomische Untersuchungen
[2]
Harald Gränzer, Das goldene Tor der Ekliptik,  www.analogika.info/nebra/interpret.html
[3]
Norbert Gasch,
Eine vollständige Interpretation, www.astronomie.de/bibliothek/artikel-und-beitraege/himmelsscheibe-von-nebra/eine-astronomische-interpretation/

Mehr dazu: Die beiden Randbögen

Der Sonnenbogen im Jahreslauf

„In der 3. Herstellungsphase der Himmelsscheibe wurde ein goldener Bogen ergänzt, an dessen Längsseiten kurze Kerbstriche eingeschlagen wurden, die die Sonnenstrahlen symbolisieren könnten. -Nur die Sonne kann sichtbare Strahlen und Wärme hervorbringen.

Betrachten wir diesen Sonnenbogen in Bezug zur ganzen Himmelsscheibe, dann steht der Beobachter wieder in der Mitte der Himmelsscheibe, die diesmal die Erde wäre und um ihn herum ist der Horizontkreis.
Der östliche Horizontbogen entspricht dem Sonnenaufgang, der Sonnenbogen dem Höchststand, die Kontur des fehlenden Horizontbogens dem Sonnenuntergang und der Rand ohne goldene Elemente, der Seite, an der niemals die Sonne zu sehen ist (der Nachtbogen der Sonne).
Denselben vier Randbereichen können wir auch ein ganzes Sonnenjahr mit unterschiedlich hohen Tagesbögen der Sonne zuweisen: Frühling, Sommer, Herbst und Winter.

Der Jahreslauf der SonneDer Sonnenbogen selbst könnte den Jahreslauf der Sonne, mit den unterschiedlichen Tageslängen und Umlaufhöhen symbolisieren:
In das Goldblech wurden zwei parallel laufende Linien eingeritzt, wodurch drei Bögen entstanden. Vom unteren Rand bis zur ersten Linie könnte der schmale Bogen die niedrigen und kurzen Sonnentagesbögen des Winters zeigen. Der mittlere Bogen würde dann die länger oder kürzer werdenden Tage, bis oder von den Äquinoktien, andeuten und der breiteste Bogen, die langen Sommertagesbögen, die in der Mitte dieses Randviertels zur Sommersonnenwende im Juni ihren absoluten Höhepunkt finden. Die Bögen und Linien werden von innen nach außen nicht nur immer länger, sondern auch immer dicker. – Ordnen wir den elf Löchern über dem Sonnenbogen nun jeweils einen Monat zu, erreicht der Sonnenbogen etwa Mitte Juni seinen Höchststand.

3. Herstellungsphase: Die versteckten Hinweise des Sonnenbogens

Der goldene Sonnenbogen enthält auch einige versteckte Hinweise und Beziehungen. So schneidet die Verbindungslinie zwischen seinen Enden den Meridian in unserem unsichtbaren Nordpol! Dies der 3. unabhängige Hinweis auf den Nordpol !
Zudem zeigt ein lineares Ende des Sonnenbogens wieder auf die Mitte der goldenen Kreisscheibe, während das andere Ende, so vermutet Harald Gränzer, auf den eigenen Mittelpunkt seines Außenkreises weisen könnte. Dieser Kreis und der Schattenradius der Sichel haben exakt den gleichen Durchmesser und die Verbindungslinie zwischen den Mittelpunkten bildet, mit der Geraden des Sonnenbogens, einen rechten Winkel.

Aufgrund dieser Auffälligkeit entwickelte Dr. Burkhard Steinrücken >Die dynamische Interpretation der Himmelsscheibe von Nebra<:
„Die mathematische Analyse der Form und Lage der Bildsymbole auf der Himmelsscheibe lässt auf eine erstaunliche Vielfalt von Symmetrien und geometrischen Prinzipien bei ihrer Gestaltung schließen. Durch Anpassung von Kreisen und Ellipsen nach der Methode der kleinsten Abstandsquadrate an den Scheibenrand, die Segmente und die runden Bildsymbole, erhält man ein Geflecht sich berührender und durchdringender Kreise und Ellipsen. … Die mathematische Struktur dieses Ringsystems legt nahe, die Scheibe als Sinnbild für einen Mechanismus aus rollenden Kreisen zu interpretieren, der die räumlichen und zeitlichen Aspekte des Sonnenjahres und die Sichtbarkeit der Plejaden in den verschiedenen Jahreszeiten auf der geographischen Breite der Fundgegend in einer faszinierenden geometrischen Formensprache korrekt darstellt.  …
Der Mechanismus stellt das Sonnenjahr und seine Teilung in Einheiten gleicher Länge dar.
[1]


[1] Burkhard Steinrücken (2010), Die Dynamische Interpretation der Himmelsscheibe von Nebra. In: Harald Meller: Der Griff nach den Sternen – Internationales Symposium in Halle (Saale) 16. – 21. Februar 2005. Seite 935 – 945.

Mehr dazu: Der Sonnenbogen

Ein Zählkalender

In der 4. Herstellungsphase wurde die Bronzescheibe am Rand, mit allen dort angebrachten Goldbögen, in etwa gleichen Abständen durchlocht. Diese Löcher könnten aber auch für Markierungen, durch Fäden, Draht oder Zeichen am Rand, genutzt worden sein, um die Tage und Mondmonate eines Sonne-Mond-Jahrs zu zählen. Sie sind durch die Horizontbögen in 9, 11, 9, 10 Einheiten eingeteilt.

Da die Wintersonnenwende schon vor der Bronzezeit in der Kreisgrabenanlage von Goseck / Sachsen-Anhalt beobachtet wurde und ein Kalenderbeginn, durch die vorherigen Erkenntnisse zum Sonnenbogen  einfacher am Anfang eines >Lochabschnitts< der Himmelsscheibe beginnt, legen wir für den nachfolgenden Zählkalender den Kalenderbeginn, wie heutzutage, auf den 1. Januar, 11 Tage nach der Wintersonnenwende.
Die Löcher am Rand der Himmelsscheibe könnten als Zählkalender genutzt worden sein.
Am ersten Tag stecken wir eine rote Nadel in das erste Loch unten am noch vorhandenen Horizontbogen. Jeden Tag wandert die Nadel ein Loch weiter hinauf. Nach diesen 9 Tagen folgen die 11 Tage um den Sonnenbogen und wieder 9 Tage den fehlenden Horizontbogen hinunter. Da aber ein Monat 29,5 Tage hat, müssen wir zusätzlich zur Nadel vom 29. Tag mit einer blauen Nadel, am bisher ungenutzten unteren Rand mit den 10 Löchern, den fehlenden halben Tag festhalten. Für einen ganzen Mondmonat stecken wir nun eine grüne >Monatsnadel< in das erste Monatsloch, links nach dem oberen Ende des goldenen Horizontbogens.
Jeden 2. Monat werden, nach 29,5 Tagen, die zwei blauen Nadeln der halben Tage entfernt und als zusätzlicher Tag gezählt. Der 2., 4., 6., 8. und 10. Monat hat also 30 Tage, wodurch die Lichterscheinungen des Mondes immer gleich bleiben. Es ist also auch möglich Vollmond, Halbmond oder Neumond im ersten Monat mit einer eigenen Markierung zu versehen, da sie für ein Sonnenjahr gültig bleiben.
Auf diese Weise setzen wir die Nadeln weiter bis die Monatsnadel im elften Loch steckt und 6x 29 + 5x 30 Tage, also 324 Tage, vergangen sind. Unser 21. November wäre damit der Beginn des 12., des dunkelsten, Monats.
Da aber für den zwölften Monat kein Loch mehr in der Nähe des Sonnenbogens vorgesehen ist, muss er aus 30 Tagen zuzüglich der 11 fehlenden Tage zum Sonnenjahr gezählt werden. Für diese 41 Tage bieten sich zwei Steckmöglichkeiten an. Entweder zählen wir die Monatstage zuzüglich des 30. Tags, wie gewohnt und ergänzen die 11 Monatslöcher als Tage. Oder wir folgen dem westlichen Ende des äußeren Kreisbogens des Sonnenbogens, über die dunkle Scheibe, zum unteren Ende des westlichen Horizontbogens. Dort zählen wir zuerst die 10 dunkelsten Tage am unteren Rand der Bronzescheibe in Richtung Sonnenaufgang, wandern 9 Tage lang den Morgendämmerungsbogen hinauf und beenden den Monat mit den 11 Tagen oberhalb des Sonnenbogens. Der letzte Tag der Mondmonate entspricht bei dieser Zählweise der Wintersonnenwende, von dem aus die 11 zusätzlichen Tage zum Sonnenjahr noch einmal beim Sonnenbogen gezählt werden. An diesen Tagen könnte die Vollendung des Jahres und der Sieg der Sonne über die Dunkelheit gefeiert worden sein. Vielleicht wurden diese Feiern durch Opfergaben begleitet, in Dankbarkeit für das letzte und mit Bitten für das neue Sonnenjahr. Nach den Feiertagen wurden die Tage wieder länger. Die Sonne hatte über die Dunkelheit gesiegt! Die 11 zusätzlichen Tage können dem alten oder dem neuen Jahr zugerechnet worden sein. Entweder begann das neue Jahr zur  Wintersonnenwende oder am >1. Januar<.

Folgende babylonische Schaltregel ist für den mitteleuropäischen Sternenhimmel der Bronzezeit anerkannt:
Rahlf Hansen (Planetarium Hamburg) vermutet, dass mit der Himmelsscheibe eine Verknüpfung von Mond- und Sonnenkalender mit Hilfe eines Schaltsymbols erfolgt: „ … Ein Sonnenjahr dauert 365,2422 Tage und ein Mondjahr ist 11 Tage kürzer als das Sonnenjahr. Um zu verhindern, dass das Jahr durch die Jahreszeiten >wandert<, schaltete man aber keine Tage, sondern Monate ein. In frühen Zeiten erfolgte diese Schaltung wenn der Kalender zu weit aus dem Takt war. Die Schaltregel mit der dicken Mondsichel bei den Plejaden war damals ein schönes Schaltsignal. Es wurde also nicht nach einer festen numerischen Regel geschaltet, sondern nach >Sicht<.
Die Himmelsscheibe zeigt eine Darstellung des Mondes bei den Plejaden. Der Mond steht im Frühjahr bei Neulicht als sehr schmale Sichel bei den Plejaden. Durch die Differenz von Sonnen- und Mondjahr wird bei Zählung der Monate die Sichel im Laufe der Jahre im März bei den Plejaden immer dicker. Auf der Scheibe findet sich eine Darstellung dieser >zu dicken< Mondsichel bei den Plejaden. Dies ist ein Zeichen, dass ein Monat hinzuzufügen ist. Statt, wie wir es gewohnt sind, in vier Jahren einen Schalttag einzufügen, wurde so ca. alle drei Jahre ein ganzer Schaltmonat eingefügt.“ [1]


[1] Rahlf Hansen, Die astronomische Deutung der Himmelsscheibe, www.planetarium-hamburg.de/sterne/nebra/

Mehr dazu: Die Löcher   und   Sonnen- und Mondkalender

 

Stonehenge: Die Mondwenden mit Finsternisvorhersagen

In Stonehenge konnte man, laut Dr. G. S. Hawkins, vom Mittelpunkt aus über den Steinen, die vermutlich einmal in den Löchern D und F standen, bei Mondaufgang die großen und kleinen nördlichen Mondwenden beobachten. Diese absoluten Extremstellungen treten alle 9,3 Jahre auf.

Mondwenden und Finsterniserscheinungen über dem Heelstone„Beobachtete ein Astronom nun vom Mittelpunkt aus die Mondwenden über den Steinen D und F, wird er über Jahre hinweg mehrmals Mondfinsternisse erlebt haben.
Diese Zeichnung nach Dr. G. S. Hawkins zeigt exemplarisch wie in Stonehenge Mond- und Sonnenfinsternisse, für einen Zeitraum von etwa 300 Jahren, über dem Fersenstein oder Heelstone zur Sommersonnenwende und den Steinen D + F zur großen und kleinen Mondwende, scheinbar stehen blieben. Es könnten natürlich zu anderen Zeiten genauso die Sonnenfinsternisse über den Steinen D + F eintreten und die Mondfinsternisse über dem Heelstone oder jeweils dazwischen, aber immer auffällig beieinander. Die Finsternisse standen oft einige Jahre lang in der Nähe der Markierungssteine scheinbar still, bis sie sich doch ganz langsam zwischen den Steinen verschoben. Die Erbauer von Stonehenge könnten durch jahrelange Aufzeichnungen einen Zahlenwert ermittelt haben mit dem sie die Finsternisse ungefähr vorhersagen konnten.” [1]
Mondfinsternisse treten nur ein, wenn sich Vollmond und Sonne in den Mondknoten gegenüber stehen und Sonnenfinsternisse nur, wenn der Neumond vor der Sonne in demselben Mondknoten steht. Die räumliche Verschiebung liegt an der Wanderung der Mondknoten auf der die Ekliptik in 18,6 oder 2x 9,3 Jahren.

Wollten die Himmelsbeobachter die Mondwenden, die zeitlich auch mit dem Erscheinen vo9,10,9,9,10n Finsternissen verbunden sind, in ganzzahligen Jahren mitzählen, kam die Zahlenfolge 9-9-10 dem Wert von 9,3 Jahren am nächsten.

Nach Hawkins Theorie wurde in Stonehenge schon um 2550 v. Chr. an den 56 Aubrey-Löchern mit Markierungssteinen die Zahlenfolge 9-9-10-9-9-10 festgehalten, um mögliche Finsternisse zwischen den Steinen D und F zu verfolgen.

Auch die Himmelsscheibe von Nebra könnte, zusätzlich zum Zählkalender, das Wissen um die Ermittlung von ungefähren Finsterniszeiträumen beinhalten. Denn in die beiden Horizontbögen sind jeweils 9 Löcher und am leeren >Randviertel< der Bronzescheibe 10 Löcher gestanzt worden.
Damit war auch hier eine fortlaufende Zählung 9, 10, 9, 9, 10, 9, 9, 10, … sichtbar gegeben.
Vermutlich wollte der Verantwortliche für diese Randlochungen, durch die Anzahl und Anordnung der Löcher in Zahlengruppen, wieder möglichst viele seiner astronomischen Erkenntnisse zeigen.


[1] Zeichnung und Text: Rolf Müller (1989 ), “Der Himmel über dem Menschen der Steinzeit”, Finsternisse in Stonehenge über den Steinen D + F

Mehr dazu: Mondwenden und die Finsterniserscheinungen