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Die scheinbare Bahn der Sonne wird Ekliptik genannt

Unser Sonnensystem ähnelt einer flachen Scheibe, in der die zentrale Sonne von den Planeten und unzähligen kleineren Himmelskörpern umkreist wird. Darin stellen wir uns die gleichbleibende wahre Bahn der Erde um die Sonne als einen imaginären Kreis vor, der Ekliptik genannt wird. Aber von der Erde aus gesehen erscheint die Ekliptik als veränderliche, scheinbare Bahn der Sonne, die in der Mitte des Tierkreises verläuft.

Beobachtet man die Sonne vor dem Hintergrund des Sternenhimmels, so variieren die sonnennahen Sterne nahezu täglich. Denn die Sonne wandert jeden Tag im Tierkreis circa ein Grad weiter nach Osten.
Dabei geht sie ein halbes Jahr lang immer südlicher am Horizontkreis auf und unter. Das bedeutet, dass unser Tagesgestirn jetzt zunehmend niedrigere Umlaufbahnen von benachbarten Sternen teilt. Die Tage kürzer werden.
Doch von der Wintersonnenwende bis zur Sommersonnenwende gewinnt sie wieder an Höhe. Nun erscheint sie mit anderen Sternen, deren Aufgangsorte sich am Horizont in nördlicher Richtung aneinanderreihen.

Allerdings werden all diese nur punktförmig erscheinenden Gestirne tagsüber vom helleren Sonnenlicht überstrahlt.

Also kann man den veränderlichen Lauf der Sonne nur anhand der hellen Sterne verfolgen, die ihr in der Morgen– oder Abenddämmerung vorausgingen oder folgten. Selbstverständlich handelt es sich in dem Fall um Sterne der Tierkreissternbilder. Schließlich wurde der Zodiakus ja überhaupt erst definiert, um die Bewegungen der wandelnden Gestirne zu beschreiben.

Auf der Himmelsscheibe symbolisieren zwei Randbögen die scheinbare Bahn der Sonne

Die Tagesbögen der scheinbaren Bahn der Sonne an den Tagen der Solstitien und Äquinoktien.
Die Himmelsrichtungen stimmen mit der Interpretation von W. Schlosser überein. Die Tagesbögen wurden einer Zeichnung der University of Oregon, dem 52. Breitengrad entsprechend, entnommen. Aber weil ein Horizontbogen länger ist, laufen die Linien nicht parallel.

Laut Wolfhard Schlosser (20081Schlosser, Wolfhard. Die Himmelsscheibe von Nebra – Astronomische Untersuchungen. Der geschmiedete Himmel. Herausgeber Harald Meller. Seite 44) definieren zwei später ergänzte Horizontbögen, die Pendelbereiche der Sonnenauf- und Untergänge am Horizontkreis.
Dank dieser Erkenntnis können wir wie W. Schlosser schlussfolgern, dass die oberen und unteren Enden der goldenen Horizontbögen die Sonnenwenden anzeigen. Heutzutage treten diese kalendarischen Ereignisse um den 21. Juni beziehungsweise 21. Dezember ein.

Folglich befinden sich ungefähr in der Mitte der Bögen der Ost- und Westpunkt des Horizontkreises mit den Tag-und-Nacht-Gleichen. Dieser Termin entspricht etwa dem 21. März und dem 23. September.

Die Solstitien und Äquinoktien sind vier ganz besondere Ekliptikpunkte, die im Jahreslauf auch kalendarische Funktionen erfüllen.

Am Morgen der Wintersonnenwende geht die Sonne im Südosten auf, wenn die Ekliptik, die Mittellinie des Tierkreises, von Südost nach Nordwest verläuft. Um die Mittagszeit erreicht sie ihre niedrigste und zentrale Stellung zwischen dem Ost- und Westpunkt. Und abends, wenn unser Tagesgestirn im Südwesten untergeht, erstreckt sie sich Südwest nach Nordosten.
Aber da es sich um die imaginäre Mittellinie des Tierkreises handelt, ist sie natürlich nie zu sehen. Und die Sterne werden vom gleißenden Sonnenlicht überstrahlt.

Vom Bewegungsablauf der Ekliptik nehmen wir nur den Auf- und Untergangsort der Sonne sowie ihren Höchststand über dem Südpunkt wahr. Aber in der Dämmerung und des nachts leuchten beiderseits der Ekliptik die Sterne des Zodiakus.

Weiterlesen: Die Himmelsscheibe symbolisiert auch die Extremstellungen des Tierkreises


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    Schlosser, Wolfhard. Die Himmelsscheibe von Nebra – Astronomische Untersuchungen. Der geschmiedete Himmel. Herausgeber Harald Meller. Seite 44

Die Himmelsscheibe symbolisiert auch die Extremstellungen des Tierkreises

Es wurden auf der Himmelsscheibe vermutlich zuerst die Extremstellungen der Sonne anhand heller Sterne des Tierkreises dargestellt.
Es wurden auf der Himmelsscheibe vermutlich zuerst die Extremstellungen der Sonne anhand heller Sterne des Tierkreises dargestellt.

Stellen wir uns gedanklich in die Mitte der Bronzescheibe, so scheint ihr Rand den Horizontkreis am Standort des Beobachters zu symbolisieren. Die sechs in der Zeichnung orange markierten Sterne könnten ungefähr die Enden der Extremstellungen des Tierkreises anzeigen.

Der Zodiakus erreicht:
* eine Hochstellung, vom Ostpunkt bis zum Westpunkt
* eine westliche Extremstellung von Südost nach Nordwest
* eine Flachstellung, wiederum vom Ostpunkt zum Westpunkt
* eine östliche Extremstellung von Südwest nach Nordost

Er wird aus zwölf Sternbildern gebildet. Je sechs Tierkreissternbilder erreichen im Laufe eines halben Jahres nacheinander immer höhere Umlaufbahnen. Danach folgen die sechs anderen auf immer niedrigeren Bahnen. Diese veränderlichen Höhen spiegeln den scheinbaren Jahreslauf der Sonne, vom  niedrigsten zum höchsten Tagesbogen und zurück.

Da die Erde die Sonne in 24 Stunden umrundet, ereignen sich in diesem Zeitraum auch alle vier Extremstellungen des Tierkreises. Aber im Laufe einer Nacht sind immer nur sechs Tierkreissternbilder gleichzeitig am Firmament sichtbar. Ständig erhebt sich am östlichen Horizont ein neues, während im Westen ein anderes untergeht. Das bedeutet, dass der Zodiakus als eine in Wellen verlaufende Erscheinung wahrgenommen wird. Die Positionen der Tierkreissternbilder verschieben sich permanent, was besonders am Horizont auffällt. Nach jeweils 6 Stunden passiert der Tierkreis, nur für einen kurzen Augenblick, seine nächste Extremstellung.

Aber die Sterne in Horizontnähe sind nur sichtbar, wenn die Sonne unter dem Horizont in einer ausreichenden Tiefe steht. Daher können Tierkreissterne erst eine Weile nach dem Sonnenuntergang auf die nächste Extremstellung der Ekliptik hinweisen.

Beispielsweise erreichte in der Nacht nach Wintersonnenwende zuerst SPICA den Ostpunkt auf einer Höhe von rund 13 Grad. Zeitgleich erlosch HAMAL im Dunst der Erdatmosphäre über dem Westpunkt. Da in deren Nähe keine anderen hellen Tierkreissterne entlang der Ekliptik existieren, konnte die eigentliche Hochstellung nicht wahrgenommen werden. Sie erfolgte rund eine Stunde später.

Die Sonnenauf- und Untergangsorte der vier Jahreseckpunkte werden durch diese Sternensymbole markiert

Alle vier Extremstellungen des Tierkreises erfolgen in 24 Stunden

Sehen wir uns nun exemplarisch die Situation zur Wintersonnenwende an. An jenem Tag lief die Sonne auf ihrer niedrigsten Umlaufbahn von Südost nach Südwest. Ihr Tagesbogen begann, als die Ekliptik die westliche Schrägstellung erreichte. Mittags trat die Flachstellung und abends östliche Schrägstellung ein. Es war der kürzeste Tag des Jahres.

Aber die Sterne blieben in den Dämmerungszeiten immer eine gewisse Zeit unsichtbar, da das Sonnenlicht sie überstrahlte. Je nach ihrer Leuchtkraft mussten sie ein paar Grad über und zusätzlich die Sonne weit unter dem Horizont stehen. Aus diesen Gründen konnte nach Sonnenuntergang erst die folgende Extremstellung der Ekliptik anhand von zwei Sternen erkannt werden.
In der Frühbronzezeit erfolgte dies, bis auf eine Ausnahme, nachdem bestimmte helle Zirkumpolarsterne den Meridian passiert hatten. – Diese nördlichen Sterne sind auch auf der Himmelsscheibe von Nebra dargestellt.

Tierkreissterne können oft die Extremstellungen des Tierkreises und der Sonne markieren, aber nur sehr selten die Ekliptik

Jedoch zeigt die folgende Karte, dass die durch je zwei Sterne symbolisierten Ekliptikverläufe nicht mit den Extremstellungen völlig übereinstimmten. Das absolute Extrem stand noch bevor oder war schon vorbei. Denn die Teilstrecken der Ekliptik zwischen SO und NW, NO und SW sowie O und W sind durch die extremen Horizontorte der Sonne eindeutig begrenzt.

Aber die Sterne befinden sich nicht genau an den Enden dieser Teilstrecken. Sie stehen in der Regel weiter östlich oder westlich davon sowie zusätzlich nördlich oder südlich der Ekliptik.
Aber damals zählte wohl nur die visuelle Erscheinung, welche Sterne möglichst genau die markanten Horizontpositionen der Sonne markierten. Dass dies zeitlich nicht mit der nächsten Extremstellung zusammenfiel war offensichtlich unwichtig und konnte ja auch nicht gemessen werden. Es ging den Schöpfern der Himmelsscheibe darum, das Wissen um die Bewegung des Tierkreises darzustellen.

Extremstellungen der Sonne und annähernd die zeitlich nächste Extremstellung des Tierkreises.
Da die Erde die Sonne in 24 Stunden umrundet, ereignen sich in diesem Zeitraum auch alle vier Extremstellungen des Tierkreises. Aber die Sterne in Horizontnähe können erst sichtbar werden, wenn die Sonne schon eine Weile unter dem Horizont verschwunden ist. Daher können die Tierkreissterne nach Sonnenuntergang natürlich nur die nächste Extremstellung der Ekliptik anzeigen. Diese Situation ist auch auf der Himmelscheibe von Nebra dargestellt.

In dieser Abbildung habe ich verschiedene Sternenkarten kombiniert. Die Basiskarte zeigt die Tierkreissterne SPICA und HAMAL, die am Tag der Wintersonnenwende nach Sonnenuntergang der Sonne vorausgingen oder folgten. Sie wurden in der Karte gelb-orange hervorgehoben sowie auch die sechs Sterne, die an den der drei anderen Jahreseckpunkten erschienen. Jeweils ein Sternenpaar ist in der Karte durch eine rote Linie verbunden, die die Ekliptik anzeigt. Diese Sterne symbolisieren die scheinbare Bahn der Sonne und / oder die Extremstellungen des Tierkreises.

Achtung: In einer heutigen Sternenkarte befindet sich Osten rechts und Westen links! Obwohl ich dies genau weiß, vergesse ich es leider immer wieder mal, da ich viel mit Landkarten arbeite.

So heißen die Sterne vor den Horizontbögen der Himmelsscheibe, die nach Sonnenuntergang an den Extremstellungen der Ekliptik erschienen

Die Namen der hellen Tierkreissterne, die auf der Himmelsscheibe abgebildet sind.

Zur Wintersonnenwende ging die Sonne im Südwesten unter und markierte in dem Moment exakt die östliche Schrägstellung der Ekliptik.
Nach rund 8 Stunden verkündeten zwei helle Tierkreissterne das nächste Extrem, die Hochstellung. Es erschienen zeitgleich die Sterne SPICA über dem Ostpunkt sowie HAMAL am Westpunkt.

In der Nacht des Sommersolstitiums wandert die Sonne auf ihrer höchsten Bahn von Nordost nach Nordwest. Aber zum Zeitpunkt ihres Untergangs trat die westliche Schrägstellung ein.
Circa 4 Stunden danach zeigte sich erneut HAMAL, aber diesmal im Ostpunkt. Rund 20 Minuten später erlosch ZUBENELGENUBI beim Westpunkt, kurz vor der Flach- oder Tiefstellung.

Da diese drei Sterne an denselben Visierpunkten zu beobachten waren, scheinen sie auf der Himmelsscheibe nur durch zwei Sternensymbole mittig vor den Horizontbögen dargestellt zu sein.

Zur Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche verschwand unser Tagesgestirn genau im Westen, zur Hochstellung der Ekliptik.
Nach etwa 8 Stunden erfolgte die westliche Extremstellung. Zuerst wurde der NUNKI im Südosten sichtbar und etwa 3 Minuten später CASTOR auf 310° im Nordwesten.
(POLLUX erschien ebenfalls auf 310°, aber erst um 00:07 Uhr. Dafür war er nur 3° über dem Horizont sichtbar, weshalb sich sein Standort besser anpeilen ließ. Eigentlich waren in der Frühbronzezeit CASTOR und POLLIX dazu geeignet das nordwestliche Ende der Extremstellung zu kennzeichnen.)

Zum Herbst-Äquinoktium als die Sonne wieder am Westpunkt abtauchte, war die Tiefstellung erreicht.
Ungefähr 3 Stunden später symbolisierte DENEB ALGEDI, etwas zu südlich, das südwestliche Ende der östlichen Schrägstellung. REGULUS ging erst rund 1 ½ Stunden später im Nordosten auf. Weitere helle Tierkreissterne waren in dem Zeitraum nicht in NO zu sehen.

Von der östlichen Schrägstellung über die Hochstellung bis zur westlichen Schrägstellung vergehen jeweils rund 8 Stunden. Aber von letzerer Formation bis zur Flachstellung und zurück zur östlichen Schrägstellung dauert es nur je 4 Stunden.

Weiterlesen: Tierkreissterne nicht direkt vor den Enden der Horizontbögen


Wie der Zodiakus täglich und jährlich um den Südpunkt pulsiert

Tierkreissternbilder-ziehen-auf-Parallelbahnen.jpg
Rund 6 der 12 Tierkreissternbilder befinden sich immer über dem Horizont, z. B. vom niedrig über dem Horizont ziehenden SCHÜTZEN, über den STEINBOCK bis zum ZWILLING mit der höchsten Umlaufbahn (nach Schultz, 1963: 28).

Durchschnittlich befinden sich immer 6 Tierkreissternbilder über dem Horizont. Wenn eines im Osten aufgeht, verschwindet ein anderes im Westen. Versinkt heutzutage das niedrigste Sternbild SCHÜTZE, schwingt sich etwa zeitgleich die Konstellation ZWILLING zu seiner höchsten Umlaufbahn empor. Des Weiteren wird der STEINBOCK durch den im Zodiakus gegenüberliegenden KREBS ersetzt, der WASSERMANN durch den LÖWEN, etc. (siehe Abbildung).
Wegen der unterschiedlichen Aufgangsorte und Höchststände der jeweils 6 Tierkreisbilder verschiebt sich die Position und Größe des Tierkreisgürtels permanent. Und zwar nicht nur in der Höhe, sondern auch seitlich. Nun wird verständlich, wie der Zodiakus pulsiert.

Die schwingende Rotation des Tierkreises wird vor allem durch seine hellen Sterne in Horizontnähe offensichtlich

In unregelmäßigen Abständen tauchen das ganze Jahr über helle Sterne des Tierkreisgürtels über dem Horizont auf. Dabei erscheinen sie im Sommerhalbjahr immer nördlicher und im Winterhalbjahr immer südlicher. Durch diese Sterne wird besonders deutlich, dass sich mit der Seiten- und Höhenverlagerung des Tierkreises auch der Mittelpunkt des täglichen Umschwungs verschiebt. Aber diese Bewegung fällt erst nach einigen Tagen auf.

Vierteljährlich sind vor allem Verschiebungen am Horizont zu bemerken

Wenn man den Tierkreis in der Frühbronzezeit alle 3 Monate stets um Mitternacht beobachtete, dann sah man am Tag der Wintersonnenwende seine Steilstellung. In dem Moment stand ein Tierkreisbild im Osten und ein weiteres gegenüber im Westen. Von da an verformte sich der Zodiakus täglich, so dass er zur Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleichen die westliche Schrägstellung von Südost nach Nordwest erreichte. Danach zog er sich bis zur Sommersonnenwende zu einer zentralen Flachstellung über dem Südpunkt zusammen. Im Anschluss daran weitete sich sein Durchmesser erneut bis zum Herbst-Äquinoktium, wo sich die östliche Schrägstellung von Nordost nach Südwest ausformte. Und zuletzt kehrte er langsam wieder in seine zentrale Ausgangsposition zurück.

Diese stetig fließende Bewegung des Tierkreises wird in der folgenden Sternenkarte anhand jener vier Jahreseckdaten der Frühbronzezeit veranschaulicht. Zusätzlich zur Steilstellung wurden die drei anderen Extremstellungen der Ekliptik ergänzt. Damals lag der Wintersonnenwendepunkt zwischen KREBS und LÖWE. Heutzutage befindet er sich zwischen STIER und ZWILLING.

wie-der-Zodiakus-pulsiert.jpg
Die vierteljährlichen Stellungen der Ekliptik (rot), welche die Mittellinie des Tierkreisgürtel bildet und somit den Jahreslauf der Sonne anzeigt. – Der Zodiakus pulsiert um den ruhenden Himmelsäquator (blau) mit dem Südpunkt als Zentrum. Zusätzlich zur Steilstellung des Tierkreises wurden die drei anderen Extremstellungen der Ekliptik ergänzt, die jeweils 3 Monate später etwa zur gleichen Nachtzeit zu sehen waren.

Die täglich gleichen Verschiebungen sind dagegen nur teilweise sichtbar

Hinzukommt, dass sich das komplette Bewegungsmuster des Tierkreises gleichfalls innerhalb von einem Viertel Tag, also im Abstand von 6 Stunden, vollzieht. Jedoch werden tagsüber die Sterne vom Sonnenlicht überstrahlt. Sah oder sieht man zur Mitte der Nacht die Steilstellung, kann man am Morgen die westliche Schrägstellung wahrnehmen sowie theoretisch am nächsten Mittag die Flachstellung und gegen 18 Uhr die östliche Schrägstellung.
Das liegt daran, dass die Ekliptik diese rhythmisch pulsierende Bewegung innerhalb von rund 23 Stunden und 56 Minuten durchläuft.

Diese zeitliche Differenz von 3 Minuten und 56 Sekunden zwischen der Sternenzeit und einem Sonnentag ist für die tägliche Verschiebung des Tierkreises verantwortlich. Folglich addieren sich die Minuten innerhalb von einem Monat auf knapp 2 Stunden, in einem Vierteljahr auf 6 und im Laufe eines ganzen Jahres auf 24 Stunden. Das bedeutet, dass die Sterne in einem Zeitraum von 365 Sonnentagen 366mal auf- und untergehen.

Alle Bewegungsmuster des Tierkreises zusammengefasst

Einerseits dreht sich die Erde an einem Tag um ihre eigene Achse. Deshalb beschreiben die Tierkreissternbilder konzentrische und parallel verlaufende Kreisbögen um den Südpunkt. Ihre Aufgangsorte liegen im Osten, über dem Südpunkt des Horizontes erreichen sie im Meridian ihren Höchststand und im Westen verschwinden sie wieder am Horizont. Somit vollführt der Tierkreis, wie für alle unterläufigen Fixsterne zutreffend, einen täglich westwärts gerichteten Umschwung.

Andererseits umrundet unser Planet zusätzlich in einem Jahr die Sonne. Daher scheint unser Tagesgestirn täglich, in Bezug zur Ekliptik, eine Strecke von circa einem Längengrad in entgegengesetzter Richtung zurückzulegen; 360° in 365 Tagen. Aus diesem Grund wurden die Bewegungsabläufe der wandelnden Gestirne und demzufolge auch vom Tierkreis ostwärts betrachtet.
Dieser Sachverhalt wurde durch eine zylindrische Projektion des gesamten frühbronzezeitlichen Sternenhimmels dargestellt. Denn in dieser Sternenkarte pendelt die scheinbare Bahn der Sonne, welche der Mittellinie des Tierkreises entspricht, um den Himmelsäquator. Da die Erdachse um 23,5° geneigt ist, erhebt sich der Tierkreisgürtel jeweils über eine Strecke von 180 Längengraden über und unter dem Äquator. Diese halbjährliche Höhenschwankung des Zodiakus beträgt auf Grund der Neigung der Erdachse überall 2 x 23,5° = 47°. Von einem Standdort auf dem 51. Breitengrad schwingt er zwischen einer Flachstellung 15,5°und einer Steilstellung 62,5°über dem Südpunkt.

Außerdem erlangt der Tierkreis neben einer Flach- und Steilstellung auch eine östliche und westliche Schrägstellung. Zwischen diesen vier Extremstellungen vergehen täglich 6 Stunden oder jährlich zur selben Uhrzeit betrachtet je 3 Monate.

Die 4 Extremstellungen des Tierkreises

Die scheinbare Bahn der Sonne oder die Ekliptik verläuft in der Mitte des >Tierkreisbandes<. Sie verschiebt sich täglich zur selben Zeit betrachtet um vier Minuten, wodurch man im Laufe eines Sonnenjahres an den vier >Jahreseckpunkten< auch ihre vier Extremstellungen beobachten kann.  

Es wurden auf der Himmelsscheibe vermutlich zuerst die Extremstellungen der Sonne anhand heller Sterne des Tierkreises dargestellt.
Auf der Himmelsscheibe von Nebra wurde vermutlich Extremstellungen der Sonne zuerst die anhand heller Sterne des Tierkreises dargestellt.

Diese Extremstellungen konnten, besser als an der Sonne (weil in vielen klaren Nächten und nicht nur an wenigen Tagen), anhand jeweils eines hellen, ungefähr zeitgleich sichtbaren Sternenpaares aus zwei Tierkreisbildern erkannt werden (hier durch orangene Linien verbunden).  Ein Stern zeigte im Osten den Anfang und ein anderer das westliche Ende der Ekliptik an.

Um 1950 v.Chr. konnte in Mitteldeutschland in den Nächten um die Solstitien, in der Nähe der Visurpunkte der Sonnenauf- und Untergänge am Horizont, entweder die östlich oder westliche Schrägstellung der Ekliptik, durch jeweils ein zeitgleich sichtbares südliches und nördliches Sternenpaar beobachtet werden. In der Frühbronzezeit standen sich am Horizontkreis diagonal gespiegelt gegenüber: Deneb Algedi / Steinbock + Regulus / Löwe sowie Pollux / Zwillinge + Nunki / Schütze.

An den Äquinoktien standen nachts zeitgleich je zwei helle Tierkreissterne nahe der Ekliptik ziemlich genau über den Ost- und Westpunkten. Diese waren nur einen kurzen Moment lang an horizontal gespiegelten Horizontpunkten zu sehen. Damals zeigten folgende Sterne die Hoch- oder Flachstellung der Ekliptik an: Spica / Jungfrau + Hamal /Widder sowie Hamal / Widder + Zubenelgenubi /Waage.

Somit symbolisieren diese Sternenpaare alle Extremstellungen des Tierkreises, die aber auch in anderen Nächten zu sehen waren.

Mehr dazu: Sterne in der Nähe der Ekliptik

 

 

Procyon zeigte den Himmelsäquator an

Um 1950 v. Chr. lief PROCYON nahe des Himmelsäquators. Jener Großkreis verläuft im rechten Winkel zur Erdachse und ist jeweils 90° vom Nordpol sowie vom Südpol entfernt. Dadurch halbiert er die Himmelskugel und bildet eine mittlere Zeitgrenze Vermutlich wurde PROCYON ausgewählt, weil sein Lauf ungefähr einen Abschnitt des Himmelsäquators anzeigte.

Somit ist auf der Himmelsscheibe von Nebra der Himmelsäquator der vierte unsichtbare Großkreis, der dem Schöpfer der Himmelsscheibe vermutlich bekannt war. Außerdem könnte laut dieser Interpretation, der Verlauf der Ekliptik erkannt worden sein, deren scheinbare Extremstellungen wahrscheinlich durch die Sternensymbole vor den Enden und in der Mitte der Horizontbögen gekennzeichnet wurden. Des weiteren hatten wir gleich zu Anfang den Horizontkreis am Rand der Bronzescheibe definiert, zu welchem der Meridian vertikal verläuft. Letzterer wurde offensichtlich durch den Stern Vega gekennzeichnet. Der Meridian ist ein Großkreis, der den Südpunkt und den Nordpunkt am Horizont sowie den Punkt über und unter dem Standort des Beobachters (Zenit und Nadir) passiert.

An den Tagen vor und nach der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleichen legt die Sonne am Horizont täglch die weiteste Entfernung zurück, während sie an den Sonnenwenden mehrere Tage lang an denselben Auf- und Untergangsorten verweilt. Aus diesem Grund waren die Äquinoktien, wenn der Tag und die nacht gleich lang waren, am besten geeignet, um einen Fixpunkt im Jahreslauf zu definieren. Zumal die Sonne an jenen beiden Tagen genau die Ost-und Westpunkte des Horizontkreises querte.
Daher wird vermutlich auch bekannt gewesen sein, dass die Sonne an diesem Tag etwa unterhalb der Plejaden, im Tierkreisbild >Stier<, stand. Allerdings konnte man die Plejaden nicht sehen, da sie der strahlenden Sonne zu nahe standen. (Die lichtschwachen Plejaden sind laut Prof. Wolfhard Schlosser erst sichtbar, wenn diese 5° über und die Sonne 15° unter dem Horizont steht. Also Wochen vor der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche.)
Und wenn die Sternenkundigen zudem die Reihenfolge der hellsten und auffälligsten Sterne entlang des Großkreises der Ekliptik kannten (und eventuell auch etwa deren Abstände vermessen haben), könnten sie anhand dieser Sterne den Stern ermittelt haben, der während der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleichen in direkter Sonnennähe stand.
Somit könnte auch der Frühlingspunkt als Kreuzungspunkt der beiden Großkreise (Ekliptik und Himmelsäquator) bekannt gewesen sein.

Gibt es eine schönere Deutungsmöglichkeit für die goldenen Sterne auf der Himmelsscheibe, als diese, die den gesamten Himmel in all seinen unterschiedlichen Bewegungsabläufen darstellt?

Mehr dazu: Die Mittellinie des Sternenhimmels

 

Stonehenge: Die Mondwenden mit Finsternisvorhersagen

In Stonehenge konnte man, laut Dr. G. S. Hawkins, vom Mittelpunkt aus über den Steinen, die vermutlich einmal in den Löchern D und F standen, bei Mondaufgang die großen und kleinen nördlichen Mondwenden beobachten. Diese absoluten Extremstellungen treten alle 9,3 Jahre auf.

Mondwenden und Finsterniserscheinungen über dem Heelstone„Beobachtete ein Astronom nun vom Mittelpunkt aus die Mondwenden über den Steinen D und F, wird er über Jahre hinweg mehrmals Mondfinsternisse erlebt haben.
Diese Zeichnung nach Dr. G. S. Hawkins zeigt exemplarisch wie in Stonehenge Mond- und Sonnenfinsternisse, für einen Zeitraum von etwa 300 Jahren, über dem Fersenstein oder Heelstone zur Sommersonnenwende und den Steinen D + F zur großen und kleinen Mondwende, scheinbar stehen blieben. Es könnten natürlich zu anderen Zeiten genauso die Sonnenfinsternisse über den Steinen D + F eintreten und die Mondfinsternisse über dem Heelstone oder jeweils dazwischen, aber immer auffällig beieinander. Die Finsternisse standen oft einige Jahre lang in der Nähe der Markierungssteine scheinbar still, bis sie sich doch ganz langsam zwischen den Steinen verschoben. Die Erbauer von Stonehenge könnten durch jahrelange Aufzeichnungen einen Zahlenwert ermittelt haben mit dem sie die Finsternisse ungefähr vorhersagen konnten.” [1]
Mondfinsternisse treten nur ein, wenn sich Vollmond und Sonne in den Mondknoten gegenüber stehen und Sonnenfinsternisse nur, wenn der Neumond vor der Sonne in demselben Mondknoten steht. Die räumliche Verschiebung liegt an der Wanderung der Mondknoten auf der die Ekliptik in 18,6 oder 2x 9,3 Jahren.

Wollten die Himmelsbeobachter die Mondwenden, die zeitlich auch mit dem Erscheinen vo9,10,9,9,10n Finsternissen verbunden sind, in ganzzahligen Jahren mitzählen, kam die Zahlenfolge 9-9-10 dem Wert von 9,3 Jahren am nächsten.

Nach Hawkins Theorie wurde in Stonehenge schon um 2550 v. Chr. an den 56 Aubrey-Löchern mit Markierungssteinen die Zahlenfolge 9-9-10-9-9-10 festgehalten, um mögliche Finsternisse zwischen den Steinen D und F zu verfolgen.

Auch die Himmelsscheibe von Nebra könnte, zusätzlich zum Zählkalender, das Wissen um die Ermittlung von ungefähren Finsterniszeiträumen beinhalten. Denn in die beiden Horizontbögen sind jeweils 9 Löcher und am leeren >Randviertel< der Bronzescheibe 10 Löcher gestanzt worden.
Damit war auch hier eine fortlaufende Zählung 9, 10, 9, 9, 10, 9, 9, 10, … sichtbar gegeben.
Vermutlich wollte der Verantwortliche für diese Randlochungen, durch die Anzahl und Anordnung der Löcher in Zahlengruppen, wieder möglichst viele seiner astronomischen Erkenntnisse zeigen.


[1] Zeichnung und Text: Rolf Müller (1989 ), “Der Himmel über dem Menschen der Steinzeit”, Finsternisse in Stonehenge über den Steinen D + F

Mehr dazu: Mondwenden und die Finsterniserscheinungen